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Cirkus Dannebrog - Tour 2014
www.cirkusdannebrog.dk ; 62 Showfotos

Kopenhagen, 7. September 2014: Einen riesengroßen Sprung Richtung Zukunft hat der Cirkus Dannebrog mit seiner Produktion 2014 gemacht. Hieß es im vergangenen Jahr noch „De Gode Gamle Dage!“ ("Die gute alte Zeit!") ist nun "Dynamic Youth" das Motto des Programms. Wie immer, bleibt Dannebrog dabei dem traditionellen Circus treu. Artisten, Tiere, Clowns - alles ist dabei. Bei den Artisten wird aber verstärkt auf junge Akteure gesetzt. Wenngleich das Ambiente natürlich weiterhin den bekannten Charme des klassischen Circus ausstrahlt, gibt es genug Möglichkeiten, das moderne Thema umzusetzen.

Eine wichtige Rolle hat hier natürlich die musikalische Begleitung. Die liegt glücklicherweise wiederum in den bewährten Händen von Tino Aeby und seinem Orchester, Violinistin inklusive. Sie begleiten die Show gewohnt professionell. Einen weiteren musikalischen Akzent setzt die junge Sängerin Jazz Malaika, welche zudem Teile der Show moderiert. Sie war bereits bei der Afrika-Show im vorletzten Jahr in der Dannebrog-Manege zu erleben. Als zusätzlicher optischer Effekt stehen den Musikern zwei Podeste an den beiden hinteren Masten zur Verfügung.


Truppe Bingo

Für das erste große Bild wird allerdings auf vorproduzierte Sounds gesetzt. Das Circus-Theater Bingo hat seinen Auftritt und will dabei nicht auf die bekannte, treibende Musik verzichten. Die Formation hier besteht aus vier jungen Damen mit Irokesenschnitt und einem Artisten. Im Opening vereinen sie Luft- und Bodenakrobatik. Ihr junger, schwungvoller Stil greift natürlich in wunderbarer Weise den Programmtitel auf. Vor der Pause haben sie in dieser Vorstellung, wohl aufgrund einer Umstellung, einen kleineren Auftritt. Direkt danach erleben wir sie noch einmal. Jetzt mit variantenreicher Hula Hoop-Artistik.


Messoudis, Michael Betrian, Mimi

Wunderbare Vertreter von "Dynamic Youth" sind ebenfalls die Messoudis. Die drei trainierten, blendend aussehenden Brüder sind natürliche echte Traumtypen. Zunächst erleben wir zwei von ihnen gemeinsam mit dem Vater als Tempojongleure, die sich in unterschiedlichsten Formationen Bälle und Keulen zuwerfen, als sei es ein Kinderspiel. Ihr Galaauftritt ist aber die Handstandakrobatik im Quartett, welche als Schlussnummer gesetzt wurde. Schon das Ablegen der Oberteile der Outfits ist wirksam inszeniert. Ihre anspruchsvollen Handstandvariationen zeigen sie in verschiedenen Zusammensetzungen. Das Publikum geht dabei enorm mit. Ein Wirbelwind ist der bei unserem Besuch noch 17-jährige Michael Betrian. Der Niederländer gewann beim European Youth Circus 2012 "Gold". Das Engagement bei Dannebrog ist für ihn die erste komplette Reisesaison. Als Straßenjunge mit möglicherweise nicht ganz "sauberer" Ware in der Innenseite seiner Westen liefert er eine überzeugende Show voller Energie. Zum Schluss lässt er vier Diabolos gleichzeitig in der Luft tanzen. Dank seiner gewinnenden Persönlichkeit hat er schon jetzt eine tolle Manegenpräsenz. Nicht ohne Grund erhielt er in Wiesbaden auch den Preis des Tigerpalastes. Nicht mehr ganz so jung, aber vermutlich ein "ewiges Kind" ist Mimi. Seine Komik trifft nicht alle Geschmäcker, hat er doch beispielsweise keine Hemmungen, seinen nackten Oberkörper zu präsentieren. Dieser hat nicht ganz den Trainingsstand seiner zu Beginn dieses Absatzes erwähnten Kollegen. Ich jedenfalls habe mich gefreut, diesen herrlichen französischen Komiker - nach Stationen unter anderem bei Knie, Flic Flac, Arlette Gruss und im Cirque d'Hiver - wieder einmal zu sehen. Er ist halt in meinen Augen ein Typ, den man einfach lieb haben muss, so tolpatschig wie er agiert. Etwa, wenn er sich mittels Longe in den Handstand helfen lässt. Oder aber wenn ein Zuschauer die Plattform für ein Kunststück mittels Fahrrad zum Drehen bringen muss.


Duo Garcia, Antonio, "Ramboline"

Gute Clowns sind eine Konstante in den Programmen der Familie Enoch. Denken wir etwa an Totti Alexis, César Dias oder Pieric. Die andere Konstante sind großartige Luftnummern. Die Flying Michaels, das Duo Guerrero und Super Silva seien hier stellvertretend genannt. In diesem Jahr sind nun die Garcias mit ihrer Rakete dabei. Verletzungsbedingt arbeiten sie in Kopenhagen nur wenige Tricks ihrer spektakulären Darbietung. Ferner treten sie zudem nicht wie geplant als Pausennummer auf. Somit fehlt dem ersten Teil letztendlich der Höhepunkt. Neben Bingo und den Jonglagen der Messoudis sind dort im artistischen Bereich noch die beiden Söhne von Pablo und Vicky Garcia zu erleben. Antonio und Connor sind elf und acht Jahre alt. Und dafür machen sie ihre Sache schon verdammt cool. Hand- und Kopfstände sind ihre Spezialität. Bei der Choreographie stand offensichtlich Michael Jackson Pate. Seien wir gespannt, was wir in Zukunft noch von den beiden hören werden. Ein weiterer fester Bestandteil der Dannebrog-Programme ist Elefantendame "Ramboline". Bernhard Kaselowsky hat wiederum eine ansprechende Trickfolge zusammengestellt. Jazz Malaika gibt die elegante Reiterin.


Bernhard Kaselowsky

Bernhard Kaselowsky führt zudem einen sehr flott ablaufenden Fünferzug weißer Araber vor. Die im Programmheft genannte Katja Enoch bleibt im Hintergrund. Insbesondere die Decken der Pferde nehmen das moderne Thema der Show auf. Eingeleitet wird diese Freiheit mit einem Groß und Klein. Ein herrlicher Einzelsteiger beschließt sie. Fünf schwarz-weiße Kühe von Alberto Althoff hören ebenfalls auf sein Kommando. Auch diese beherrschen überraschenderweise "aparte" Lauffiguren und schneiden im Vergleich zu den edlen Rössern gar nicht so schlecht ab. Für die ersten Runden der Rinder übernimmt Agnete Louise Enoch die Peitsche. Zudem lässt sie es sich nicht nehmen, das Publikum zu begrüßen und zu verabschieden. Nach dem Finale tun letzteres wiederum alle Artisten am Ausgang. Sie ziehen gemeinsam aus der Manege und bilden einen Spalier, durch den die Zuschauer das Chapiteau verlassen. Eine schöne Idee, die das Liveerlebnis Circus noch einmal auf eine ganz besondere Weise umsetzt.

Wiederum hat die Familie Enoch mit großem Aufwand eine komplett neue, große Show zusammengestellt. Eine Produktion unter dem Titel "Dynamic Youth" umzusetzen, stellt für ein ansonsten traditionell orientiertes Unternehmen sicherlich eine besondere Herausforderung da. Insofern Respekt dafür, dass Dannebrog diesen Weg gegangen ist. Nicht zuletzt geht es auch darum, neue Besucherschichten für den Circus zu gewinnen. Trotzdem sei die Anmerkung erlaubt, dass mir die letzten beiden Produktionen etwas überzeugender erschienen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch