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Cirkus Krone - Tour 2012
www.circus-krone.de ; 63 Showfotos

Würzburg, 16. September 2012: Beim Circus Krone neigt sich die zweite Saison mit dem aktuellen Sommerprogramm „Celebration“ dem Ende entgegen. Heuer standen ausschließlich Städte in Baden-Württemberg und Bayern auf dem Tourneeplan. Die Würzburger Talavera bot wieder einmal die Gelegenheit, das riesige Unternehmen in voller Pracht auf einem einzigen Gelände unterzubringen. Das neue, leuchtend blaue Zeltdach strahlte in der Herbstsonne, davor waren Cafézelt und Fassade installiert, rings herum zog der gut von außen einsehbare Zoo mit großzügigen Gehegen die Passanten an.

Seit der Weltpremiere am 7. April 2011 auf der Münchner Theresienwiese hat sich dieses große Programm nur in Nuancen geändert. Hinzu kam kurz nach der Premiere zum Beispiel ein Prolog, bei dem auf einer Leinwand über der Showtreppe Fotos aus 106 Jahren Circus Krone eingeblendet werden. Eine Stimme aus dem Off schildert hierzu in drei Minuten die stolze Geschichte des Hauses. Jana Mandana wird dabei offiziell als Tochter Christel Sembach-Krones vorgestellt. Zumindest in der besuchten Nachmittagsvorstellung, mit nur halb abgedunkelten Seiteneingängen, sind die Fotos aus größerer Entfernung leider schlecht erkennbar. Als erstes tritt im Anschluss Weißclown Yann Rossi vor den blauen Vorhang, spielt „La vie en rose“ auf dem Saxofon, während eine Dame am Luftring schwebt – dann folgt das große Charivari mit allen Artisten und dem großen Ballett.


Hector Rossi, Ballettgirl, Anastasini Brothers

Die zehnköpfige Chinesentruppe aus Dalian sorgt gleich zu Beginn mit ihren variantenreichen Sprüngen, Salti und Pirouetten von der doppelten russischen Schaukel, auf Bodenmatten und später im Sprungtuch gelandet, für ein großes Bild und viele „Aahs“ und „Oohs“ im Publikum. Das exzellent tanzende Ballett – zehn Damen und drei Herren in farbenprächtigen Kostümen à la Bollywood – leitet die Elefantennummer ein. Jana Mandana und James Puydebois führen die sechs Tiere, drei von ihnen mit Reiterinnen, durch eine umfangreiche, aber tiergerechte Dressurfolge. Stets publikumswirksam ist auch das Genre der ikarischen Spiele, das hier von den jugendlichen Anastasini Brothers verkörpert wird. Der Rückwärts-Salto auf einem Fuß des Untermanns gelandet, Doppelsalto und eine Serie von zwölf Flic Flacs gehören zu dieser im klassischen Stil zu Swingmusik gearbeiteten Nummer, die auf große Begeisterung im Publikum stößt. Les Rossyann“, Weißclown Yann und August Hector, präsentieren an den Nachmittagen das gagreiche Entree vom „Fangen der Pistolenkugel mit dem Mund“, bei dem zahlreiche Teller zerdeppert werden – in den Abendvorstellungen dagegen wird der feinere Humor ihres Musikalentrees serviert, das in einer absurden Nabucco-Interpretation auf gesäßbedienten Blasebalgen gipfelt. Zudem sind "Les Rossyann" in mehreren musikalischen Reprisen zu sehen.


Jana Mandana

Seinen zweiten großen Auftritt hat das Krone-Ballett zu den Pferdenummern von Jana Mandana. Zunächst entführen die Tänzerinnen und Tänzer in ein argentinisches „Tango-Café“ und umkreisen die Juniorchefin tanzend, während diese elegant und mit hohem reiterlichen Können die Hohe Schule zeigt. Der zweite Teil des Pferdeblocks, das Ballett tanzt nun mit Torrero-Umhängen, findet dagegen in Spanien statt und widmet sich der Freiheitsdressur. Jana Mandana vereint zunächst kurz fünf Friesen und sechs Cremellos zu einem schwarz-weißen Bild, auch das ist neu. Dann werden die Friesen von sechs weiteren Cremellos abgelöst, präsentiert Jana Mandana die anspruchvolle Freiheitsdressur aus dem Hause Togni. Erstmals seit Jahrzehnten wurde in diesem Saisonprogramm nicht die Pferdefreiheit, sondern die große Luftnummer vor der Pause platziert. Die „Flying Zuniga“ liefern eine starke Leistung am Flugtrapez ab – Salto und Passage sind in der Hand der beiden Fliegerinnen, die Herren glänzen unter anderem mit Doppelsalto gestreckt, Salto mit Pirouette und natürlich dem Dreifachen, allesamt sicher und elegant geflogen – riesiger Jubel vor der Pause.


Martin Lacey jun.

Großen Eindruck machen die technischen Raffinessen, mit denen Martin Laceys Löwenschau verkauft wird. Der neue, gewaltige Netzkäfig ist am oberen Ring mit unzähligen kleinen Lichtern besetzt, die senkrecht in die Höhe scheinen; an den Hauptmasten des Chapiteaus schießen immer wieder Feuersäulen zwischen Theaternebel in die Höhe, während Martin Lacey noch im Dunkeln seine Tiere zur Pyramide ordnet. Im Hintergrund laufen hierzu Fotos aus seiner Karriere über die Leinwand. Acht Löwinnen arbeiten aktuell in der Manege, plus Mähnenlöwe Kassanga und zwei Löwendamen, die zunächst auf und neben dem großen Thron im Hintergrund über das Geschehen wachen. Achtfacher Hochsitzer in zwei Ausführungen und hohe Sprünge am Käfig entlang zur Löwenbar werden abgelöst von Tricks in kleinerer Formation – Lacey lässt sich von einer Löwin umstreichen, zeigt den Fächer mit drei Tieren, lässt Nambia zwei Artgenossinen überspringen, bringt drei Tiere zum Abliegen und lässt sich selbst überspringen. Die gewaltige Größe der Tiere offenbart sich, wenn sich eine Löwin am Käfig voll aufrichtet und Lacey überragt. Das beeindruckende Vertrauen, das Lacey zu seinen Tieren hat, zeigt sich besonders auch im Zusammenspiel mit dem Mähnenlöwen Kassanga, der mit den Pranken nach Laceys Stöcken schlägt, ihm diese gar aus den Händen schlagen darf, ehe sich Schmuseeinheiten anschließen. Laceys Kommandos werden während der Nummer via Headset übertragen, so dass die Dressurarbeit noch transparenter wird. Die berühmten Scheinangriffe sind derzeit allerdings nicht im Programm. Den Abschluss bildet die Fahrt des weißen Löwen King Tonga auf der Spiegelkugel.


Jana Mandana, Martin Lacey jr.

Tierisch geht es weiter, zunächst mit den von Tiina (Clowns Bonbon und Tiina) gefertigten Tierfiguren Löwe und Giraffe, dann mit dem kurzen Auftritt der Exoten (Kamele, Zebras, Lamas) unter Jana Mandana und dem wohl dienstältesten Circusnashorn Tsavo mit seinem Vorführer Martin Lacey. Äußerst elegant und äußerst gekonnt sind die Gruppenjonglagen, die Elena Drogaleva alias Marlene Dietrich und ihre drei Gentlemen präsentieren – sowohl zu Boden wie auch zu erhöhten Plattformen werden hier anspruchsvolle Wurfmuster gezaubert. Auf diese artistische Top-Nummer folgt eine tierische Top-Attraktion, die vier Seelöwen der Familie Duss. Das höchst umfangreiche Trickrepertoire der Tiere, die offenkundig mit großer Freude an der Sache dabei sind, ist kaum zu übertreffen – insbesondere gilt dies für die Tricks, bei der die Tiere miteinander interagieren, zum Beispiel Bälle von Schnauze zu Schnauze weiterreichen oder aus zwei Körpern ein Herz formen. Die Stimmung im Publikum erreicht hier ihren ersten Höhepunkt.


Truppe Elena Drogaleva

Es folgt der zweite Auftritt der Chinesentruppe, nun zu sechst, mit Luftartistik an Bungeeseilen – hierzu schwebt zunächst ein riesiges, sechseckiges und aufwendig illuminiertes „Metall-Ufo“ durch Theaternebel und Laser-Effekte unter das Zeltdach, begleitet von dramatischer Musik. Oben werfen die Aristen ihre Umhänge ab und stürzen sich in fluoreszierenden Kostümen in die Tiefe, um fast schwerelos an den Gummibändern durch die Zeltkuppel zu fliegen. Ein Auftritt, der vor allem vom enormen Schauwert lebt. Noch während das Ufo wieder gen Boden gleitet, um die Artisten abzusetzen, wird Crazy Wilsons Todesrad in Position gebracht und beginnt zur Kuppel zu schweben – allein die technischen Raffinessen dieses Umbaus sind eine Schau für sich. Wirkten die aufwendigen Requisitenwechsel des zweiten Programmteils am Abend der Celebration-Weltpremiere noch fast nicht zu bewältigen, hat sich nun eine perfekte und beeindruckende Routine eingestellt. Dennoch bleiben vor und nach den Drogaleva-Jonglagen zwei nicht überbrückte und deutlich bemerkbare Umbaupausen.


Petra und Roland Duss, Cryzy Wilson, Finale

Crazy Wilson, bereits bekannt aus der Vorgängerproduktion „Jubilee“, ist nun zur Schlussnummer aufgerückt und sorgt dabei noch einmal für ganz große Begeisterung – spätestens bei den drei Salti nacheinander, die er in der besuchten Vorstellung zeigt. Und so lässt sich das Publikum an diesem Sonntagnachmittag nur allzu willig zu Standing Ovations mitten im Programm auffordern – erst steht die rechte Seite der Tribüne, dann die Front, schließlich das ganze Publikum und jubelt. Abgesehen von einer kurzen Breakdance-Szene vor dem Todesrad mit vier Tänzern hat das Krone-Ballett im zweiten Programmteil nur noch einen großen Auftritt – im furios in Szene gesetzten Finale, das in schwarz-weiß durch die Popgeschichte führt, von Michael Jackson bis Abba. Die eierschalfarbenen Umhänge, welche die Artisten hierzu noch zur Weltpremiere im Finale tragen mussten, wurden glücklicherweise bereits eingemottet.

Der Revuestil Marke Krone sei altmodisch, heißt es oft – mag sein. Freilich jedoch ist Krone auch „altmodisch“ im positiven Sinne, denn nach Maßstäben früherer Jahrzehnte ist dies der letzte verbliebene Großcircus. Heute übliche Dimensionen sprengen nicht nur Zelt, Material und Tierbestand, sondern auch das Programm. Die großen Tiernummern des Hauses und die Duss’schen Seelöwen, ein erlesenes Artistenensemble, die hochklassige Clownerie der Rossyann und, ja, auch vorzügliche Ballett, insgesamt 45 Menschen in der Manege – all das ist in dieser Zeit nahezu einmalig, quantitativ wie qualitativ, für ein circensisches Saisonprogramm.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber