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Reutlinger Weihnachtscircus 2022/23
www.reutlinger-weihnachtscircus.de ; 116 Showfotos

Reutlingen, 28. Dezember 2022: Die Weihnachtscircus-Saison 2022/23 ist auch ein Spiegel des Weltgeschehens. Truppen aus Russland und China stehen aufgrund von Krieg beziehungsweise Null-Covid-Strategie nicht zur Verfügung. Beim Reutlinger Weihnachtscircus konnte das bewährte Orchester aus der Ukraine infolge der schrecklichen Situation nicht anreisen. Die Familie von Michael Sperlich zeigte sich solidarisch und zahlte einen Teil der Gage dennoch. Eine weibliche Truppe, die Luftakrobatik und Balletteinlagen beitragen sollte, musste kurz vor der Premiere aus dem Programm genommen werden.

Damit standen die Sperlichs und Regisseur Massimiliano Sblattero vor der schwierigen Aufgabe, aus den verfügbaren Zutaten – auch ohne Ballett und Orchester – ein zirzensisches Festtagsmenü zu zaubern. Dies ist den Umständen entsprechend sehr gut gelungen.


Opening, Daria Ivanytska

Im Prolog erscheint der die Weihnachtszeit hassende Grinch aus dem Publikum und möchte den geschmückten Christbaum in der Manege zunächst wegwerfen. Ein Mädchen mit einem Geschenk in der Hand überzeugt ihn davon, es nicht zu tun und sich mit dem Fest zu versöhnen. Dann öffnet sich der Vorhang, das Ensemble strömt mit Weihnachtsmann-Mützen auf den Köpfen in die Manege, begleitet vom Weihnachtsmann auf seinem Schlitten, und Sängerin Daria Ivanytska interpretiert „Jingle Bells“. Dazu rieselt Kunstschnee aus der Kuppel.


Juan Pablo Martinez, Roy Quaiser, Pasha und Morris

Als erstes Highlight gleich zu Beginn der Vorstellung platziert wurde Jongleur Juan Pablo Martinez. Er reißt das Publikum nicht nur mit seinen starken Jonglagen mit Keulen, Tischtennisbällen und Sombreros mit, sondern auch mit seiner fröhlichen und offensiven Ausstrahlung. Dies gilt erst Recht, wenn er beim Hüte jonglieren einmal mitten durch die Reihen geht. Ein faszinierendes Spektakel, das überall strahlende Gesichter hervorruft. Eine recht ungewöhnliche Freiheitsdressur mit jeweils drei Ponys und Lamas in einer netten Laufarbeit stellt Roy Quaiser vor. Dabei umrunden die Lamas die mit den Vorderhufen auf Postamenten stehenden Ponys; letztere strecken danach die Köpfe zwischen den Beinen hindurch. Knicks und Rundsteiger gehören ebenfalls zum Repertoire. Eine interessante und sympathische Neuentdeckung sind die französischen Clowns Pasha und Morris. Nach einem Klatschspiel sollen beide „etwas Seriöses“ vorführen und versuchen sich mit Hand-auf-Hand-Akrobatik. Mit „dezenter“ Nachhilfe durch eine Longe gelingt dies fabelhaft.


Loïc del Egido, Trixi Quaiser, Zorè España

Nicht im klassischen Circuskostüm, sondern in Latzhose und mit Baskenmütze lässt Loïc del Egido zu jazziger Musik die Diabolos fliegen. Dies gelingt ihm auch mit drei Exemplaren sehr lässig und souverän. An einer langen Leine, die aus der Kuppel hängt, rollt einer der Doppelkegel bis unters Zeltdach. Doch deutlich den Charakter einer Zweitnummer hat der Auftritt von Zorè España mit den Hula Hoops. Zu stimmungsvoller spanischer Musik bewegt sie zwei Reifen mit Armen und Händen, um dann jeweils ganz kurz fünf Ringe um Körper, Rumpf und Beine kreisen zu lassen sowie zum Abschluss eine große Zahl der Requisiten zu bewegen. Im zweiten Auftritt der Clowns präsentiert sich der deutlich ältere Morris zunächst als „Hypnotiseur“ eines Zuschauers, der zum Schlafen bewegt werden soll. Sein jüngerer Partner Pasha hilft „mit dem Holzhammer“ nach. Und wird dann auf geheimnisvolle Weise selbst zum Schweben gebracht. Das komische Pony von Trixi und Roy Quaiser schüttelt Decke und Sattel ab und macht natürlich keine Anstalten, wunschgemäß über eine Hürde zu springen. Letzteres bleibt dem Tierlehrer vorbehalten.


Game of Passion, Andreas Fischer, Robles

Zwei Artisten aus dem Team der Robles sorgen für Spannung auf dem Todesrad. Aufschwung außen am Rad, Blindlauf, Seilspringen und hohe Sprünge gehören zum Repertoire. Dann verabschiedet Moderator Andreas Fischer das Publikum in die Pause. Nach einer Saison Unterbrechung führt er nun wieder mit angenehmer Stimme, fachkundig und in stets eleganten Outfits durch die Show. Zwei Herren und zwei Damen der Formation „Game of Passion“ zelebrieren zum Beginn des zweiten Teils eine Liebesgeschichte hoch zwei, dies passenderweise am Quadratreck. Flüge von Stange zu Stange und Abgänge mit Salti und Pirouetten werden gewagt. Leider erleben wir auch einen unsanften Sturz auf den Rücken.


Robles, Pasha mit Zuschauerin, Sergey Timofeev

Im Mittelpunkt der ausführlichsten Szene der beiden Clowns steht Pashas offensiver Flirt mit einer Dame aus dem Publikum, die an den Restauranttisch in der Manege gebeten wird. Von den beiden Komikern würden wir künftig gerne noch mehr hören. Kurzfristig noch hochkarätig ergänzt wurde das Programm um Sergey Timofeev. Der frühere Goldmedaillengewinner beim „Cirque de demain“ zeigt seine außergewöhnlichen Handstände auf einem Requisit, das wie Rubiks Zauberwürfel gestaltet ist und sich in immer neue geometrische Formen verwandeln lässt. Dabei wird er von dezenter Musik begleitet. Am Ende der Nummer ist der Zauberwürfel gelöst, so dass jede Seite eine bestimmte Farbe aufweist. Schöne Bilder schafft Zorè España, wenn sie im langen Kleid und mit wehendem braunem Haar ihre Runden im Cyrrad dreht. Zum Trio erweitert, übernehmen die Robles den Abschluss des Programms. Kopfstand auf dem Seil, Seilspringen, der Sprung über zwei Partner und Zwei-Personen-Hoch gehören zur Trickfolge. Den spektakulären Abschluss bildet die Dreier-Pyramide auf zwei Fahrrädern, einschließlich freiem Stand des Obermannes auf einem Stuhl. Zunächst ruhige Töne bei „I'm dreaming of a white Christmas“, dann ein schwungvolles „Underneath the Christmas Tree“ sind die Gesangsnummern, mit denen Daria Ivanytska das stimmungsvolle Finale im voll besetzten Zelt einleitet.

So bietet der Reutlinger Weihnachtscircus 2022/23 auch in diesem Winter eine flüssig ablaufende Show mit tollem Licht - gestaltet von Juniorchef Peter Sperlich - und gut gewählter Musik vom Band. Freilich ist die Produktion nach der hervorragenden Entwicklung der vergangenen Jahre insgesamt dennoch einen Schritt zurückgetreten. Aber dies ist ja vielleicht die beste Ausgangsposition, um zur 20. Ausgabe in der Saison 2023/24 mit einem glanzvollen Jubiläumsprogramm besonders aufzutrumpfen. Wir freuen uns darauf.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll