Und dann tauchen wir ein in
diese magische Welt, ins Foyer mit dem Pianospieler auf der
Glasplattform direkt über dem Champagnerstand, in die elegante
Bar mit Blick auf den Fluss, ins Hauptzelt mit seinen knapp 900
Plätzen in eng bestuhlten Reihen, aber ohne innenliegende
Masten. Es ist immer wieder ein Wunder, wie ein ganzer Circus
auf der kleinen Insel Platz findet. Über dem Artisteneingang aus
edlem Samt thront das wohl größte Circusorchester Europas, die
formidable Bigband von Alexander Maliszewski, und begleitet die
gesamte Show mit durchweg live gespielten, speziell arrangierten
Klängen. Reto Engler taucht das Geschehen hierzu in wunderbare
Lichtkreationen.
Zeltanlagen auf dem
Bauschänzli
„Where dreams come true“ lautet
das Motto dieser Produktion, und passend dazu sehen wir im
Prolog, wie ein Mädchen beim Zubettgehen eine Geschichte
vorgelesen bekommt. „Wenn du fest daran glaubst, werden alle
Träume wahr“, verspricht ihr Vater in der kurzen Videosequenz,
die auf einer zylinderförmigen Leinwand inmitten der Manege
gezeigt wird. Die Leinwand fährt bei Bedarf elektrisch gesteuert
aus der Kuppel herab und nach dem Einspielfilm wieder hinauf.
Opening
"Welcome back to Circus Conelli"
ist das Motto des großen Openings, in dem gleich alle Register
gezogen werden. Das präzise tanzende, sechsköpfige Ballett in
herrlichen Revuekostümen, der seit Jahren bewährte singende
Ringmaster Evan Andrews und eine neue Sängerin sorgen für einen
wundervollen Empfang ganz im Sinne des klassisch-großen
Entertainments.
Claudius Specht, Duo
Segway, Jeremy Gasser und Evan Andrews
Genau wegen solcher Momente
fahren wir für unsere Circus-Leidenschaft kreuz und quer durch
Europa - dieser Gedanke kommt uns unweigerlich in den Sinn beim Auftritt des Schweizer Weltstars Claudius
Specht, der gewohnt stilvoll im schwarzen Anzug arbeitet. Voller
mitreißender Ausstrahlung und atemberaubend sicher zugleich
jongliert er mit bis zu sieben Keulen oder lässt zehn ineinander
gestapelte Becher fliegen und fängt sie in verblüffender Weise
wieder auf. Der besondere Clou ist sein ferngesteuerter
„Assistent“, der dem Meisterjongleur die benötigten Requisiten
automatisch zuwirft. Das Zusammenspiel von Technik und
menschlichem Können prägt auch die Arbeit von Yoka und Nazerke
auf dem Segway. Das Elektrofahrzeug besteht aus nur zwei Rädern
mit einer Achse dazwischen. Darauf rollen die Artistinnen im
Zwei-Damen-Hoch über die Bühne. Die Oberfrau steht auf Spitzen
auf dem Kopf ihrer Partnerin. Lässt einen Ball über ihren
Schädel dopsen, während sie auf dem Kopf der Partnerin
balanciert. Und im Kopf-auf-Kopf bewegt die Oberfrau
antipodenartig eine Stange mit den Füßen. Recht kurz gehalten
ist der Showact von Daniel Golla. Vom Publikum kaum
wahrzunehmen, steht er oben auf dem Orchesterpodium und
dirigiert sein Modellflugzeug. In gewagten Manövern fliegt es
nur knapp über die Köpfe der Zuschauer und sorgt mit flatterndem
Band und Flitterregen für überraschende Effekte. Ballett,
Ringmaster und Direktionssohn Jeremy Gasser setzen bei ihrem
folgenden Auftritt in schwarz-roten Kostümen einen rockigen
Kontrast.
Duo Turkeiev, Lili Chao,
Roli und Toni
Ganz
große Gefühle werden dann bei der Strapaten-Nummer von Julia
Galenchyk und ihrem Partner Dmytro Turkeiev an den Strapaten
zelebriert. Anders als bei Flic Flac präsentieren sie ihre
Waghalsigkeiten im klassischen Circuskostüm, auch die Musik
wurde geändert. So fügt sich die Darbietung auch in diesen
Rahmen wunderbar ein. Beide Partner übernehmen abwechselnd die
tragende Rolle, teils agiert Julia solo. Am Ende versinken sie
in einem Kuss. Das Publikum spendet rhythmischen Applaus.
Jahrelang schien eine Ausgabe des Circus Conelli ohne Clown
Gaston undenkbar. Doch eine schwere Erkrankung lässt einen
Auftritt derzeit leider nicht zu. So hat sein kongenialer
Partner Roli Noirjean einen neuen, frechen Gegenspieler
bekommen: Toninho Ferreira, unter Circusfreunden besser bekannt
als Toni Manduca. In der witzigen ersten Szene will Roli singen,
Toninho aber seine Fähigkeiten als großer Akrobat beweisen.
Letztendlich klettert er dazu auf dem stoisch weiter singenden
Roli herum – ein herrlicher Spaß. So wie Toninho sich nicht
beirren lässt, ruft auch die nächste Videosequenz dazu auf,
stets dem eigenen Weg zu folgen. Die taiwanische Tänzerin Lili
Chao führt die von Mädir Eugster alias „Rigolo“ kreierte,
weltweit erfolgreiche Darbietung auf. Darin legt sie in
meditativer Stimmung 13 Palmäste und eine Feder zu einem äußerst
fragilen Mobile aufeinander, das sie später auf ihrem Kopf
balanciert. Erst als sie mit einem strahlenden Lächeln die Feder
wegzieht, bricht das Konstrukt zusammen. Riesiger Applaus ist
der Lohn, und mit einer Riesenschaufel will Toninho wieder
Ordnung in der Manege schaffen. Damit geht es in die Pause.
Toni, Truppe Vladimir Plotnikov,
Andrey Romanovski
Zu Teil zwei empfängt uns die Bigband mit einen schwungvollen Weihnachtsmedley. Die Requisiten
für die nun folgende zirzensische Rarität sind schon aufgebaut.
Links und rechts stehen zwei Leitern, der Weg dazwischen kann
auf einer pendelnden Plattform zurückgelegt werden, an die sich
zusätzlich jeweils zwei Akteure als Gewichte hängen. Zunächst
erklimmt ein Untermann die rechte Leiter, schwingt mit der
weiterhin auf seinem Kopf stehenden Partnerin auf die andere
Seite und steigt in dieser personellen Konstellation die linke
Leiter hinunter. In gleicher Weise wird der Weg von Leiter über
Pendel zu Leiter im Kopf-auf-Kopf, im Drei-Personen-Hoch und mit
dem Partner, der auf einer Stirnperche im Handstand steht,
zurückgelegt. Dieser Balanceakt der Truppe Vladimir Plotnikov
ist ebenso außergewöhnlich wie beeindruckend. Da tut etwas
Heiterkeit gerade gut, wenn Roli sich als großer Zauberer
beweisen möchte und Toninho ihm die Tour vermasselt. Eine weitere Videosequenz aus dem Kinderzimmer
leitet über zu einer Art „kleinem Finale“. Denn hier kommen
nicht nur das Ballett in kessen Jeans-Style-Kostümen, Sängerin und
Sänger sowie Gitarrist Jeremy zum Einsatz, sondern zeigen auch
Mitglieder des Artistenensembles Kostproben ihres Könnens auf
den Treppen der Tribüne. Ein raumgreifendes Spektakel! Nach
seinem Engagement im Circus Harlekin ist Andrey Romanovski heuer
nochmals in der Schweiz zu erleben. Der Roncalli-bekannte
Klischnigger krönt seine Nummer nach wie vor mit der
verblüffenden Rutschpartie durch ein Ofenrohr und zeigt seine
außergewöhnliche Variante des Seilspringens.
Marionette Barti, Truppe
Amaara, Patrick Lemoine
Neben den Sensationen bleibt bei
Conelli immer wieder auch Zeit für poetische Momente. Und so ist
heuer in diesem Circus erstmals auch ein Marionettenspieler zu
erleben. Alex Mihailovski steuert seinen Partner Barti an 40
Fäden auf ganz zauberhafte Weise. Die Puppe kann mit voll
beweglichen Fingern Klavier und Gitarre spielen, die Haare zu
Berge stehen lassen, mit den Augen rollen, die Zähne fletschen
und anderes mehr. Nochmal präsentiert sich uns das Ballett,
diesmal in edlem Schwarz, von Jeremy Gasser erstmals vor
Publikum mit einem Posaunensolo begleitet. Das stilvolle Bild
leitet perfekt über zum Auftritt von Comedy-Jongleur Patrick
Lemoine, der mit weißem Hemd und Weste zumindest optisch ganz
seriös auftritt. Doch er ist ein „Wolf im Schafspelz“, denn
seine Jonglagen mit Bällen, Zigarrenkisten und bunten Tüchern
kommentiert er mit frechen, bisweilen anzüglichen Sprüchen.
Nochmal für eine gut gefüllte Manege sorgt die elfköpfige Truppe
Amaara aus der Mongolei. Recht modern sind die rockigen
Leder-Outfits, klassisch ist die Trickfolge mit Sprüngen und
Salti in den Sessel, zum Vier-Personen-Hoch – auf dem Kopf des
dritten Untermanns stehend gelandet – und zum Fünf-Personen-Hoch
mit Stange. Auch hohe Sprünge zur Matte dürfen nicht fehlen. Auf
dem Orchesterpodium heizen dazu die Sängerin und Jeremy Gasser
dem Publikum gemeinsam mit der Bigband ein. Nochmals gibt es
Flugsequenzen von Daniel Golla; in einer weiteren
Videoeinspielung wird das Motiv der sich verwirklichenden Träume
elegant abgerundet. |