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Circus Conelli 2022
www.circusconelli.ch ; 165 Showfotos

Zürich, 26. November 2022: Endlich ist der Circus Conelli zurück – nach zwei Jahren Pandemie-Pause hat die Familie Gasser wieder ihre funkelnde Weihnachtscircus-Stadt auf dem Bauschänzli im Herzen Zürichs aufgebaut. Auf allen Seiten vom Wasser der Limmat umgeben, durch eine Brücke mit dem Stadthausquai verbunden, leuchtet das rote Zelt mit seinem festlichen Lichterschmuck in der Dämmerung. Direktor Roby Gasser, Sohn Jeremy und Clown Roli Noirjean begrüßen am Einlass jeden Gast persönlich. Wer mag, darf sich von den Damen des Balletts einen Stern auf die Wange kleben lassen.

Und dann tauchen wir ein in diese magische Welt, ins Foyer mit dem Pianospieler auf der Glasplattform direkt über dem Champagnerstand, in die elegante Bar mit Blick auf den Fluss, ins Hauptzelt mit seinen knapp 900 Plätzen in eng bestuhlten Reihen, aber ohne innenliegende Masten. Es ist immer wieder ein Wunder, wie ein ganzer Circus auf der kleinen Insel Platz findet. Über dem Artisteneingang aus edlem Samt thront das wohl größte Circusorchester Europas, die formidable Bigband von Alexander Maliszewski, und begleitet die gesamte Show mit durchweg live gespielten, speziell arrangierten Klängen. Reto Engler taucht das Geschehen hierzu in wunderbare Lichtkreationen.


Zeltanlagen auf dem Bauschänzli

„Where dreams come true“ lautet das Motto dieser Produktion, und passend dazu sehen wir im Prolog, wie ein Mädchen beim Zubettgehen eine Geschichte vorgelesen bekommt. „Wenn du fest daran glaubst, werden alle Träume wahr“, verspricht ihr Vater in der kurzen Videosequenz, die auf einer zylinderförmigen Leinwand inmitten der Manege gezeigt wird. Die Leinwand fährt bei Bedarf elektrisch gesteuert aus der Kuppel herab und nach dem Einspielfilm wieder hinauf.


Opening

"Welcome back to Circus Conelli" ist das Motto des großen Openings, in dem gleich alle Register gezogen werden. Das präzise tanzende, sechsköpfige Ballett in herrlichen Revuekostümen, der seit Jahren bewährte singende Ringmaster Evan Andrews und eine neue Sängerin sorgen für einen wundervollen Empfang ganz im Sinne des klassisch-großen Entertainments.


Claudius Specht, Duo Segway, Jeremy Gasser und Evan Andrews

Genau wegen solcher Momente fahren wir für unsere Circus-Leidenschaft kreuz und quer durch Europa - dieser Gedanke kommt uns unweigerlich in den Sinn beim Auftritt des Schweizer Weltstars Claudius Specht, der gewohnt stilvoll im schwarzen Anzug arbeitet. Voller mitreißender Ausstrahlung und atemberaubend sicher zugleich jongliert er mit bis zu sieben Keulen oder lässt zehn ineinander gestapelte Becher fliegen und fängt sie in verblüffender Weise wieder auf. Der besondere Clou ist sein ferngesteuerter „Assistent“, der dem Meisterjongleur die benötigten Requisiten automatisch zuwirft. Das Zusammenspiel von Technik und menschlichem Können prägt auch die Arbeit von Yoka und Nazerke auf dem Segway. Das Elektrofahrzeug besteht aus nur zwei Rädern mit einer Achse dazwischen. Darauf rollen die Artistinnen im Zwei-Damen-Hoch über die Bühne. Die Oberfrau steht auf Spitzen auf dem Kopf ihrer Partnerin. Lässt einen Ball über ihren Schädel dopsen, während sie auf dem Kopf der Partnerin balanciert. Und im Kopf-auf-Kopf bewegt die Oberfrau antipodenartig eine Stange mit den Füßen. Recht kurz gehalten ist der Showact von Daniel Golla. Vom Publikum kaum wahrzunehmen, steht er oben auf dem Orchesterpodium und dirigiert sein Modellflugzeug. In gewagten Manövern fliegt es nur knapp über die Köpfe der Zuschauer und sorgt mit flatterndem Band und Flitterregen für überraschende Effekte. Ballett, Ringmaster und Direktionssohn Jeremy Gasser setzen bei ihrem folgenden Auftritt in schwarz-roten Kostümen einen rockigen Kontrast.


Duo Turkeiev, Lili Chao, Roli und Toni

Ganz große Gefühle werden dann bei der Strapaten-Nummer von Julia Galenchyk und ihrem Partner Dmytro Turkeiev an den Strapaten zelebriert. Anders als bei Flic Flac präsentieren sie ihre Waghalsigkeiten im klassischen Circuskostüm, auch die Musik wurde geändert. So fügt sich die Darbietung auch in diesen Rahmen wunderbar ein. Beide Partner übernehmen abwechselnd die tragende Rolle, teils agiert Julia solo. Am Ende versinken sie in einem Kuss. Das Publikum spendet rhythmischen Applaus. Jahrelang schien eine Ausgabe des Circus Conelli ohne Clown Gaston undenkbar. Doch eine schwere Erkrankung lässt einen Auftritt derzeit leider nicht zu. So hat sein kongenialer Partner Roli Noirjean einen neuen, frechen Gegenspieler bekommen: Toninho Ferreira, unter Circusfreunden besser bekannt als Toni Manduca. In der witzigen ersten Szene will Roli singen, Toninho aber seine Fähigkeiten als großer Akrobat beweisen. Letztendlich klettert er dazu auf dem stoisch weiter singenden Roli herum – ein herrlicher Spaß. So wie Toninho sich nicht beirren lässt, ruft auch die nächste Videosequenz dazu auf, stets dem eigenen Weg zu folgen. Die taiwanische Tänzerin Lili Chao führt die von Mädir Eugster alias „Rigolo“ kreierte, weltweit erfolgreiche Darbietung auf. Darin legt sie in meditativer Stimmung 13 Palmäste und eine Feder zu einem äußerst fragilen Mobile aufeinander, das sie später auf ihrem Kopf balanciert. Erst als sie mit einem strahlenden Lächeln die Feder wegzieht, bricht das Konstrukt zusammen. Riesiger Applaus ist der Lohn, und mit einer Riesenschaufel will Toninho wieder Ordnung in der Manege schaffen. Damit geht es in die Pause.


Toni, Truppe Vladimir Plotnikov, Andrey Romanovski

Zu Teil zwei empfängt uns die Bigband mit einen schwungvollen Weihnachtsmedley. Die Requisiten für die nun folgende zirzensische Rarität sind schon aufgebaut. Links und rechts stehen zwei Leitern, der Weg dazwischen kann auf einer pendelnden Plattform zurückgelegt werden, an die sich zusätzlich jeweils zwei Akteure als Gewichte hängen. Zunächst erklimmt ein Untermann die rechte Leiter, schwingt mit der weiterhin auf seinem Kopf stehenden Partnerin auf die andere Seite und steigt in dieser personellen Konstellation die linke Leiter hinunter. In gleicher Weise wird der Weg von Leiter über Pendel zu Leiter im Kopf-auf-Kopf, im Drei-Personen-Hoch und mit dem Partner, der auf einer Stirnperche im Handstand steht, zurückgelegt. Dieser Balanceakt der Truppe Vladimir Plotnikov ist ebenso außergewöhnlich wie beeindruckend. Da tut etwas Heiterkeit gerade gut, wenn Roli sich als großer Zauberer beweisen möchte und Toninho ihm die Tour vermasselt. Eine weitere Videosequenz aus dem Kinderzimmer leitet über zu einer Art „kleinem Finale“. Denn hier kommen nicht nur das Ballett in kessen Jeans-Style-Kostümen, Sängerin und Sänger sowie Gitarrist Jeremy zum Einsatz, sondern zeigen auch Mitglieder des Artistenensembles Kostproben ihres Könnens auf den Treppen der Tribüne. Ein raumgreifendes Spektakel! Nach seinem Engagement im Circus Harlekin ist Andrey Romanovski heuer nochmals in der Schweiz zu erleben. Der Roncalli-bekannte Klischnigger krönt seine Nummer nach wie vor mit der verblüffenden Rutschpartie durch ein Ofenrohr und zeigt seine außergewöhnliche Variante des Seilspringens.


Marionette Barti, Truppe Amaara, Patrick Lemoine

Neben den Sensationen bleibt bei Conelli immer wieder auch Zeit für poetische Momente. Und so ist heuer in diesem Circus erstmals auch ein Marionettenspieler zu erleben. Alex Mihailovski steuert seinen Partner Barti an 40 Fäden auf ganz zauberhafte Weise. Die Puppe kann mit voll beweglichen Fingern Klavier und Gitarre spielen, die Haare zu Berge stehen lassen, mit den Augen rollen, die Zähne fletschen und anderes mehr. Nochmal präsentiert sich uns das Ballett, diesmal in edlem Schwarz, von Jeremy Gasser erstmals vor Publikum mit einem Posaunensolo begleitet. Das stilvolle Bild leitet perfekt über zum Auftritt von Comedy-Jongleur Patrick Lemoine, der mit weißem Hemd und Weste zumindest optisch ganz seriös auftritt. Doch er ist ein „Wolf im Schafspelz“, denn seine Jonglagen mit Bällen, Zigarrenkisten und bunten Tüchern kommentiert er mit frechen, bisweilen anzüglichen Sprüchen. Nochmal für eine gut gefüllte Manege sorgt die elfköpfige Truppe Amaara aus der Mongolei. Recht modern sind die rockigen Leder-Outfits, klassisch ist die Trickfolge mit Sprüngen und Salti in den Sessel, zum Vier-Personen-Hoch – auf dem Kopf des dritten Untermanns stehend gelandet – und zum Fünf-Personen-Hoch mit Stange. Auch hohe Sprünge zur Matte dürfen nicht fehlen. Auf dem Orchesterpodium heizen dazu die Sängerin und Jeremy Gasser dem Publikum gemeinsam mit der Bigband ein. Nochmals gibt es Flugsequenzen von Daniel Golla; in einer weiteren Videoeinspielung wird das Motiv der sich verwirklichenden Träume elegant abgerundet.

Es folgt das gewohnt ausgiebig zelebrierte Finale, in dem bei Licht und Musik, Tanz und Gesang noch einmal aus dem Vollen geschöpft wird. Ob große Persönlichkeiten oder große Truppen, ob spektakuläre Momente oder leise Poesie, ob feiner Humor oder Schenkelklopfer, dieses Kaleidoskop der schönen Dinge lässt keine Wünsche offen. Glücklich verlassen wir die Märchenwelt und wechseln ins Restaurant. Die Kellnerin weiß gleich, woher wir kommen – den Stern auf der Wange haben wir, so wie den grauen Alltag, glatt vergessen. „Ach schön – Sie waren im Conelli!“.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll