Alle
anderen Nummern werden von Truppen mit mindestens vier Artisten
gezeigt. Und doch gehören die Sympathien des Publikums scheinbar ganz
besonders einem: Wenn César Dias vor dem Finale seine geniale
Interpretation von „My Way“ bringt, erntet er dafür wahre Ovationen. In
seinen verschiedenen Auftritten hat sich der portugiesische Clown in
die Herzen des Publikums gespielt. Fairerweise sollte aber gesagt sein,
dass ihm die anderen Mitwirkenden quasi den Weg geebnet haben. Denn
dieses Jubiläumsprogramm bietet neben Masse auch Qualität.
Ensemble 2013/14
Großen
Anteil an der Gesamtwirkung hat natürlich wie immer Regisseur Louis
Knie senior. Schon am ersten Abend läuft das geschickt
zusammengestellte Programm flüssig ab. Nur wenige Requisiten erfordern
längere Umbaupausen. Einige davon werden charmant von
Sprechstallmeister Fabian Egli überbrückt. Nach einem Jahr Pause ist er
nach Heilbronn zurückgekehrt. Die Freude über das „Comeback“ scheint
beim Stammpublikum ähnlich groß zu sein wie bei Egli selbst. Insgesamt
führt er angenehm zurückhaltend durch die Show und leitet das Finale
singend ein. Weitere Erfolgsfaktoren sind Livemusik und ein
ausgefeiltes Lichtdesign. Eine Formation von Volodymyr Kozachuk thront
über der hohen rot glitzernden Gardine und begleitet, wann immer
sinnvoll möglich, das Geschehen in der Manege live. Ihr gegenüber
sorgt die Technik-Crew dafür, dass der Sound optimal im Chapiteau
ankommt. Dort sitzt zudem Enrico Zoppe, der die Show in ein perfektes
Licht setzt. Dafür steht ihm eine bestens ausgestattete Anlage zur
Verfügung.
Jiri Berousek junior, Truppe Alexander, Cesar Dias
Kommen
wir jetzt aber zum Programm selbst. Eröffnet wird es von César Dias,
der nach der Ouvertüre mittels Fernbedienung das Publikum „aktiviert“.
Renata und Jiri Berousek junior leiten ihre große Freiheitsdressur mit
einer kurzen doppelten Hohen Schule ein. Eine wahre Augenweide ist der
von Jiri gelenkte Zwölferzug mit jeweils sechs Schimmeln und Rappen.
Schöne Tiere, anspruchsvolle Tricks und eine flotte Präsentation, was
will man mehr. Schwester Renata übernimmt die Vorführung, nachdem
die sechs Braunen die Manege verlassen haben. Als da capi dirigiert
Jiri verschiedene Steiger. Mit der ersten artistischen Darbietung gibt
es gleich Akrobatik am Schleuderbrett zu sehen. Die Truppe Alexander
aus Rumänien bietet mit sieben Personen einen äußerst sympathisch
dargebotenen Querschnitt durch die Tricks in diesem Genre. Beim
Fünf-Mann-Hoch mit Perchestange sind alle Artisten involviert. Zwei der
jungen Männer katapultieren die blonde Fliegerin in die Luft, woraufhin
sie sicher in der obersten Etage landet. César Dias kämpft zunächst mit
Mundharmonika und Notenständer, um anschließend einer singenden Säge
eine Melodie zu entlocken. Ein Wiedersehen gibt es mit den Gibadullin.
welche zum ersten Programm des Zirkus Charles Knie unter der Führung
von Sascha Melnjak gehörten. Inzwischen zu fünft, entfachen die Russen
wie gewohnt ein wahres Feuerwerk der Jonglierkunst. Sie lassen ihre
Keulen in den aberwitzigsten Kombinationen fliegen. Und
selbstverständlich wirbelt die schwarzhaarige Dame nach wie vor munter
mit. Effektvoller Abschluss ist das Fangen von immer schneller
zugeworfenen Tellern durch den jüngsten Artisten.
Flying to the Stars, Lucios Team Riders, Tom Dieck junior
Handstandakrobatik
mit Hund, das ist seit vielen Jahren das Markenzeichen des unter
anderem von Barum bekannten Glen Nicolodi. Auch in Heilbronn geht es
die Treppe hinauf und herunter - immer auf den Händen oder gar im
Einarmer. Neu für mich ist sein Schlusstrick, bei dem der Hunde
zwischen den Armen hindurchläuft, während Nicoldi im Handstand die
Stufen hinunterläuft. Beim letztjährigen Circusfestival von Monte Carlo
entdeckte Sascha Melnjak die Formation „Flying to the Stars“, wo sie
einen Bronzenen Clown gewann. Man sieht den fünf stattlichen Ukrainern
an, dass sie vom Sport kommen. Durchaus circustauglich zeigen sie
Akrobatik an zwei Reckstangen, zwischen denen ein Trampolin steht.
Kraftvolle Umschwünge und elegante Sprünge kennzeichnen genregerecht
ihr Repertoire. Dank des hohen Artisteneingangs gelangt die
Motorradkugel ohne größeren Aufwand in die Manege. Zur Pausennummer
jagen die vier Fahrer von Lucios Team Riders durch den Globe of Death
mit einem Durchmesser von fünf Metern. Als besonderer Clou öffnet sich
die Kugel. So ist für einen zusätzlichen Nervenkitzel und damit
Gesprächsstoff für die folgende Pause gesorgt. Dazu lädt das weitgehend
neu gestalteten Vorzelt. Während sich die Gäste erfrischen, bauen die
Requisiteure den Zentralkäfig auf. Darin erlebt die neue gemischte
Raubtiergruppe von Tom Dieck junior ihre Deutschlandpremiere. Und
„gemischt“ ist diese Gruppe in der Tat, vereint sie doch fünf Tiger,
zwei Liger und zwei prächtige weiße Löwenmänner. Die Tricks – etwa das
Balancieren in einem großen Rad oder weite Sprünge über mehrere andere
Tiere – laufen dank Diecks schneidigem Stil sehr flott ab. Diese
Vorführung hat Schwung, Eleganz und wird durch die passende
Musikbegleitung genial unterstützt. Die Schönheit der gepflegten Tiere
tut ein Übriges.
Nico Nicols, Cedeno Brothers, Beijing Diabolo Troupe
Als
nächster Programmpunkt war ursprünglich das Duo Nostalgia am Trapez
vorgesehen. Aufgrund von Differenzen hinsichtlich der musikalischen
Begleitung kam es hier zu einem kurzfristigen Wechsel. Chris Kiliano
ist es nun, der sich unter die Circuskuppel begibt. An den Strapaten
arbeitet der junge Artist in eingerissenen Jeans seine kraftvolle Kür.
Einen Vorgeschmack auf das Programm 2014 des Zirkus Charles Knie bietet
der Auftritt von Nico Nicols. Der Spanier bewegt sich souverän auf dem
Drahtseil und verhehlt dabei nicht seine Nationalität. Neben dem Sprung
durch einen mit Messern besetzten Feuerreifen beherrscht Nicols zudem
den Vorwärts- genauso wie den Rückwärtssalto. Ein zweites Mal erleben
wir Jiri Berousek junior. Jetzt präsentiert er einen großen Exotenzug
mit Zebras und Kamelen. Im Verlauf der Vorführung kommen Lamas hinzu,
ein Pony macht die Zugabe. In einer weiteren Einlage liefert sich César
Dias ein herrliches Duell mit einem Zuschauer. Insbesondere Dias'
Fähigkeit, die passenden Geräusche zu produzieren, sorgt für größte
Heiterkeit. Vier junge Mexikaner, die Cedeno Brothers, zelebrieren auf zwei Trinkas ikarische
Spiele par excellence. Eine Saison konnten wir sie bei Roncalli
erleben. In Heilbronn nun begeistern sie einmal mehr das hiesige
Publikum. Die Jungs sind blendend aufgelegt und haben variantenreiche
Tricks im Repertoire. Immer wieder beeindruckend ist die Passage zweier
Artisten. Quasi den Gegenpol zu einem ansonsten männlich dominierten
Programm bildet die Schlussnummer der 13 jungen Damen der Beijing
Diabolo Troupe. Im Januar noch haben sie in Monte Carlo einen Goldenen
Clown gewonnen. Zwar sind auch Einzeltricks zu sehen, jedoch leben ihre
Diabolospiele von eindrucksvollen Bildern des kompletten Ensembles. Es
entsteht ein harmonisches Gesamtkunstwerk, bei dem sich Schauwert und
Leistung die Waage halten. Somit setzen die Chinesinnen vollkommen
zurecht den Schlusspunkt, vielmehr das Ausrufezeichen, hinter diese
Show.
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