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Heilbronner Weihnachtscircus 2008
www.weihnachtscircus.com ; 45 Showfotos

Heilbronn, 17. Dezember 2008: Der Heilbronner Weihnachtscircus hat sich in den zehn Jahren seines Bestehens bemerkenswert weiterentwickelt. Im Winter 1999/2000 startete Sascha Melnjak mit einem schon damals sehenswerten, aber verglichen mit heute doch recht kleinen, Programm im Chapiteau des Circus Romanza, bei dem er damals als Tourneemanager beschäftigt war. Zu sehen gab es Tierdressuren von Medrano und Elefanten von Corty Althoff. Im artistischen Bereich seien stellvertretend die Biasinis und die Truppe Salve genannt.

Kurz darauf stieg Uwe Gehrmann ein, um das Projekt fortan gemeinsam mit Melnjak voranzutreiben. Das Chapiteau wurde größer, komfortabler, die Programme stärker. Auch die großen Namen der Circuswelt konnten für Heilbronn engagiert werden. Dabei wurde stets auf Abwechslung bei den Darbietungen zwischen den jährlichen Shows geachtet. Eines hat der Heilbronner Weihnachtscircus dabei immer geschafft – Circus zu bleiben. Mit stimmiger Programmzusammenstellung und einer Atmosphäre, die es eben nur im Circus gibt. In die Gefahr, eine reine Leistungsschau zu werden, sind die Macher in Heilbronn nie geraten. Das treue Publikum honoriert dies, kommt jedes Jahr in Scharen und wird nie enttäuscht. Schön zu sehen, wie hier der klassische Circus gefeiert wird. Den Kern des Jubiläumsprogramms 2008/09 bilden Darbietungen aus dem Saisonprogramm von Melnjaks Zirkus Charles Knie. Neun der 15 Programmpunkte waren im laufenden Jahr mit diesem Unternehmen auf Tournee, ebenso das Ballett. Hinzu kommen sechs Nummern - größtenteils - von Weltformat, der angenehm zurückhaltend agierende aber stets präsente Sprechstallmeister Fabian Egli, die Kozachuk-Band sowie ein Lichtdesign, wie es stärker kaum sein könnte. Dafür, dass die Show bereits am Premierenabend reibungslos abläuft, sorgen die Regisseure Louis Knie sen. und jun. Nicht ganz gelungen ist ihnen hingegen, die Darbietungen in eine sinnvolle Abfolge zu bringen. Zu viele vermeintliche Schlussnummern sind dabei, die zudem nicht immer mit den Darbietungen des Saisonprogramms harmonieren. So arbeitet etwas Ausnahme-Equilibrist Encho Keryazov als vorletzter Programmpunkt im ersten Teil. Vor ihm bastelt Reprisenclown Versace Nasen aus Luftballons, anschließend lässt er Erwachsene aus dem Publikum Seilspringen. Der Aufbau des Fangnetzes für das folgende Flugtrapez wird auf diese Weise zwar gut überbrückt, den Leistungen von Keryazov wird diese Zusammenstellung aber nicht gerecht.


Elaine Courtney, Versace, Alexander Lacey

Neben Versace, der insgesamt sechs Auftritte hat, sind aus dem Saisonprogramm die Geschwister Stipka mit ihrem Pas de deux auf zwei Friesen und ihrer Akrobatik an Tüchern dabei. Anthony Wandruschka unterhält das Publikum mit Jonglagen sowie Verbalcomedy. Die Exoten und Freiheitspferde werden gewohnt elegant und souverän von Marek Jama präsentiert – Ballettsequenzen bei den Exoten inklusive. Elaine Courtney zeigt ihre lebhafte, risikoreiche Kür am Schwungseil, während Susan Lacey mit den beiden quirligen Seelöwen auf Du und Du ist. Absolutes Highlight in der Reihe der Knie-Nummern ist natürlich die gemischte Raubtiergruppe ihres Sohnes Alexander. Was er mit seinen vier Tigern, drei Löwinnen und Mähnenlöwe Massai zeigt, ist immer wieder faszinierend anzusehen. Der in dieser Saison neu in die Vorführung aufgenommene doppelte Steigerlauf zweier Tiger ist schlichtweg phänomenal.


Maike und Jörg Probst, Zuma-Zuma, Encho Keryazov

Kommen wir zu den Darbietungen, die eigens für Heilbronn engagiert wurden. Die Temperamentsbündel der Truppe Zuma-Zuma sorgen mit ihren Menschenpyramiden, Sprüngen und Limboeinlagen für den perfekten Einstieg in die Show. Wie man dies von derartigen Gruppen erwartet, versprühen sie jede Menge Lebensfreude und reißen das Publikum gleich von Anfang an mit. Richtig Spaß haben und machen auch die Paviane von Maike und Jörg Probst, die in neuer Aufmachung nach Heilbronn zurückgekehrt sind. Die gezeigten Tricks sind erstaunlich, scheinen den Tieren aber trotzdem keine sonderliche Mühe zu machen. Vielmehr wird hier ganz offensichtlich auf den natürlichen Spieltrieb gesetzt. Das Vertrauen der Tiere zu ihren menschlichen Partnern, insbesondere zu Maike Probst, wird dabei immer wieder sichtbar. Der bereits erwähnte „Supermann“ Encho Keryazov zelebriert muskelbepackt seine sagenhaften Handstandvariationen. Die Präsentation ist bekanntermaßen perfekt durchgestylt. Neu für mich sind seine Übungen, die er an der vertikalen Stange zeigt, nachdem er auf dieser im Handstand gen Kuppel gefahren wurde. Als Nummer vor der Pause erleben wir die Flying Farfan aus den USA. Sie arbeiten mit zwei übereinander angeordneten Fängern und zeigen eine Vielzahl verschiedener Sprünge. Der Dreifache gelingt an diesem ersten Abend jedoch auch im zweiten Versuch nicht.


Truppe aus Shenyang, Peres Brothers, Finale

Das Programm endet mit zwei an sich erstklassigen Darbietungen. Eine achtköpfige Truppe aus Shenyang zeigt am russischen Barren tolle Sprünge. Schade nur, dass der Haupttrick - drei aufeinander folgende Salti im Zwei-Mann-Hoch - von zwei noch sehr jung wirkenden Artistenkindern ausgeführt wird. Uneingeschränkte Begeisterung hingegen für die Peres Brothers. Ihre Partnerequilibristik ist unverändert leistungsstark, die gesamte Darbietung perfekt choreografiert. So entstehen immer wieder unglaubliche Abläufe und Figuren. Sie ernten frenetischen Applaus, der sich auf das Finale überträgt und in Standing Ovations mündet. Das Finale selbst wird von Fabian Egli singend eingeleitet. Die beleuchteten Sternenkostüme des Balletts passen hier perfekt zum weihnachtlichen Anlass der Show.

Keine Frage, dieses Programm gehört zweifellos zu den TOP 3 der diesjährigen Weihnachtscircus-Saison. Was hier geboten wird, sucht seinesgleichen. Dennoch haben es die Macher in diesem Jubiläumsjahr vielleicht etwas zu gut mit ihrem ohnehin verwöhnten Publikum gemeint. Ein etwas reduziertes Aufgebot von Starnummern, dafür aber eine insgesamt homogenere Zusammenstellung hätte zwar die Wertigkeit der Show reduziert, dies aber um den Gewinn einer stimmigeren Gesamtpräsentation. Aber wer will den Machern schon einen Vorwurf machen, dass sie in diesem Winter derart starke Darbietungen an den Neckar geholt haben. Herzlichen Glückwunsch zum 10jährigen!

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Text und Fotos:
Stefan Gierisch