Federboas und -kopfschmuck, mit denen
Rosemie im Opening die Showtreppe hinunterschreitet, scheinen ihr
zunächst „obendrüber naus“. Lieber berichtet sie in charmantem
Schwäbisch von ihrem Einsatz für die EU-weite Einführung der Kehrwoche
und davon, dass sie gerne einmal ganz Paris feucht durchwischen würde.
  
Rosemie (mit Gast aus dem
Publikum)
Zunächst ist Rosemie noch sehr
verklemmt. Im Laufe der Show zeigt sie mehr und mehr, was in ihr
steckt. Und das ist einiges. Auf dem Alphorn spielt sie eine veritable
Samba. Indem sie Bonbons zwischen den Zähnen klappern lässt, simuliert
sie einen Stepptanz. Sie saust auf Rollschuhen über die Bühne – und
überrascht mit Spitzentanz zu „Schwanensee“. Sie selbst ordnet sich
dabei eher als „nordsibirische Mastgans“ denn als edlen Schwan
ein. Am Höhepunkt ihrer wundersamen Wandlung zum Vamp tauscht sie
das brave Faltenkleid gegen ein Lederoutfit und spielt dabei noch Tuba.
Schließlich findet sie in einem Gast aus der ersten Reihe die große
Liebe. Der Angebetete darf mit auf die Bühne und bekommt ein berührendes
Ständchen gesungen. Rosemie ist endgültig in den Herzen aller Zuschauer
angekommen. Zugabe- und Bravorufe sind der Lohn.
  
Bertan Candelbek, Emma Philips,
Marcos Furtneros
Im artistischen Bereich ist dieses
Programm immer dann am stärksten, wenn jongliert wird. Gleich drei
verschiedene Facetten der Jonglage vereint die „Rosevue“. Den Auftakt
macht Bertan Candelbek, der seine blitzschnellen Bouncingjonglagen mit
bis zu sieben Bällen mit Breakdance-Elementen und Salti kombiniert.
Dabei gefällt er auch mit seiner sympathischen Ausstrahlung. Seine
Nummer ist der herausragende Act des ersten Programmteils und hätte sich
auch als Pausen- oder Schlussnummer angeboten. Candelbek fand über den
Berliner Kinder- und Jugendcircus Cabuwazi den Weg zur Berliner
Artistenschule. Dort machte er 2010 seinen Abschluss. Es ist immer
wieder eine Freude zu erleben, wenn sich die Absolventen dieser für
Deutschland einzigartigen Einrichtung erfolgreich am Markt etablieren.
Genauso überzeugend sind die Antipodenspiele der Neuseeländerin Emma
Philips. Als mondänes Fräulein im Stil der 1920er Jahre jongliert sie zu
Swingmusik zunächst filigrane Regenschirme – bis zu vier Stück plus ein
Tuch auf einmal mit Händen und Füßen. Dann wechselt sie zu einem
ungleich massiveren Requisit und wirbelt einen Holztisch mit den Füßen
durch die Luft. Für die Schlussnummer im Programm sorgt Marcos Furtneros,
der hier als feuriger Latino mit spitzbübischem Macho-Gehabe auftritt.
Das ist charmant geflunkert, denn der vermeintliche Südländer ist ein
echter Bayer. Und dazu ein großer Könner, der in der meisten Zeit seiner
starken Darbietung zwei Devilsticks gleichzeitig über die beiden
Handstäbe tanzen lässt.
  
Lara Paxton und Jill Schaffer,
Ensemble, Brittany Walsh
Seit Regisseur Ralph Sun vor acht
Jahren die künstlerische Leitung in Stuttgarts Varieté übernommen hat,
setzt er gerne immer wieder die gleichen Akteure in immer neuen Rollen
ein. Zu den besten Beispielen gehört Lara Paxton. Sie war hier in mehreren
Produktionen und mit zahlreichen Darbietungen zu sehen, zuletzt erst
im Frühling dieses Jahres als „Grandma“ mit einer Luftakrobatik am
Rollator. Nun hat sie wieder einmal drei Showgirls mitgebracht. Sie
sorgen
neben Rosemie für den zweiten roten Faden im Programm und das Revuehafte
der Produktion. Unter anderem präsentieren die Damen einen
mondänen Tanz auf Stühlen und wirken in einer heiteren Szene mit, in der
sie den „Hausherrn“ umsorgen – so lange, bis Rosemie als wahre
Hausherrin auftritt und selbst Zuwendung fordert. Alle vier Showgirls
sind auch mit artistischen Nummern im Programm vertreten. Die
überzeugendste davon ist das Duo-Trapez von Lara Paxton mit Partnerin
Jill Schaffer. Zu ruhiger Musik werden riskante Figuren zelebriert.
Ferner hat Sara Sparrow eine thematisch schön gestaltete Luftnummer beim
„Fenster putzen“ an einem Metallrahmen einstudiert und präsentiert
Brittany Walsh ihre Fähigkeiten als Kontorsionistin – leider auf dem
Boden und nicht auf einem Podest. So ist die Nummer nicht von allen
Plätzen aus optimal zu sehen.

Tosca Rivola
Ein weiterer Dauergast im
Friedrichsbau ist Margo Darbois. Sie hat wieder einmal eine neue Variante
ihrer Handstandequilibristik entwickelt, diesmal auf einem kunstvoll
gestalteten Metallstuhl. Zu ihrem Repertoire gehören unter anderem lange
Passagen auf einer Hand. Recht kurz, aber äußerst kraftvoll fällt nach
unserem Eindruck der Auftritt der Ukrainerin Tatyana Lytvynova aus. Sie
agiert an diesem in Mode gekommenen Requisit eher sportlich; uns
gefallen feminin-laszivere Interpretationen des Genres wie etwa bei
Larissa Kastein besser. Auf pure Weiblichkeit setzt dagegen Tosca Rivola,
die ihre Cyrrad-Nummer in eine Art Burlesque-Look im Stil der 1920er
Jahre kleidet. Kostümierung und Make-up lassen sie fast wie einem
Schwarzweiß-Film entsprungen erscheinen – das ist außergewöhnlich und
passt perfekt ins Bild dieser heiter-mondän-nostalgischen Revue. |