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Neues Theater - Varieté-Herbst 2018
www.neues-theater.de - 50 Showfotos

Frankfurt-Höchst, 16. November 2018: Ohne große Erwartungen nach Höchst gefahren und rundum zufrieden wieder auf den Heimweg gemacht. So lautet mein in einem Satz zusammengefasster Einruck. Das Herbst-Varieté 2018 lockt nicht mit den großen Namen der Branche. Bis auf Jochen Schell hatte ich noch keinen der Mitwirkenden zuvor gesehen. Doch die aktuelle Show im Neuen Theater ist äußerst kurzweilig, sympathisch und ungeheuer witzig. Die zumindest mir bislang unbekannten Darbietungen gefallen allesamt, erweitern den Horizont.

Die musikalische Begleitung durch die Tom Schlüter Band ist inzwischen schon zum liebgewonnenen Standard geworden. Kein Grund aber, das wunderbar spielende Quartett nicht zu loben. Es trägt maßgeblich zur Gesamtwirkung bei. Das Lichtdesign liegt wie gewohnt bei Philipp Zier. Auch dieses ist äußerst stimmungsfördernd.


Archie Clapp

Archie Clapp ist der Mann, der das von Julius Zier zusammengestellte und inszenierte Nummernprogramm präsentieren darf. Wie viele seiner Vorgänger auf der Bühne in Höchst beherrscht auch er die Zauberkunst. In erster Linie erleben wir den Berliner mit der markanten Einhorn-Frisur aber als Comedian. Mag sein, dass sein Humor Geschmackssache ist. Meinen Geschmack jedenfalls trifft er exakt. Die beiden Damen in der Reihe vor mir äußern sich ebenfalls begeistert. Die Reaktion des restlichen Publikums lässt ähnliches vermuten. Er erzählt von seinen Nachbarn in Berlin-Neukölln, liest aus seinem Tagebuch vor oder berichtet vom Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses. Herrlich auch das erstmalige Ausprobieren eines per Versandhandel gekauften Zaubertricks mit Anweisungen von der CD. Das alles mit dezentem Berliner Charme vorgetragen.


Detlef Winterberg, Evgeny Vasilenko, Jochen Schell

In Sachen Humor unterwegs ist auch Detlef Winterberg. Er ist der kauzige Typ, der schräg daherkommt. Sein Outfit, dunkler Straßenanzug mit Krawatte und Hut, ist bieder, der Gesichtsausdruck ernst. Nicht gerade der Publikumsliebling auf den ersten Blick. Seine Gags allerdings zünden zumeist. Etwa wenn er Tiere darstellt oder ein Igluzelt im Handumdrehen auf die Bühne zaubert, dann aber ordentlich Mühe beim Zusammenfalten hat. Zu Hochform läuft Winterberg auf, wenn er „20 Zaubertricks in drei Minuten“ präsentiert. Er hat jeweils einen Auftritt in beiden Programmteilen. Als fröhlicher Straßenkünstler kommt Evgeny Vasilenko daher. Der in Las Vegas lebende Russe ist ein Virtuose auf dem Schlappseil. Er beherrscht den Hand- und den Kopfstand. Letzteren unter Zuhilfenahme der Hände. Und als Clou balanciert er auf der Rola Rola auf dem Seil. Introvertierter wirkt da Jochen Schell. Der als „Avantgarde-Jongleur“ angekündigte Artist hat sich eine neue Darbietung erarbeitet. Dabei lässt er Kugeln in Ringen kreisen. Es ergeben sich spannende, neuartige Bilder. Etwa wenn er sechs Kugeln in sechs Ringen gleichzeitig kreisen lässt. Kleine Gags runden seinen Auftritt ab.


Thula Moon, Ievgenia Svirova, Olga Golubeva

Zum Träumen nimmt uns Thula Moon mit unter die Decke der Bühne. Die auf Hawaii geborene und an der Circusschule in Montreal ausgebildete Artistin hat sich den Luftring als Requisit ausgesucht. Darin beweist sie sehr sinnlich mit Figuren aus der Kontorsion die Beweglichkeit ihres Körpers. Das Lichtdesign rundet ihre Kür wunderbar ab. Vergleichsweise hoch hinaus geht es ebenfalls für Ievgenia Svirova. Ihre Reifenjonglagen zeigt sie auf einer hohen Plattform mit geringem Durchmesser. Ihre Füße passen gerade so darauf. Ihr Repertoire ist vielseitig. Sie wirft mehrere Reifen in die Luft und fängt sie wieder auf. Dann wieder lässt sie Reifen über ihren Körper rollen. Erst zum Schluss erleben wir eigentliche Hula Hoop-Akrobatik. Einen Ausflug in die Geschichte machen wir mit Olga Golubeva. Sie gibt ihrer Artistik am „Fliegenden Masten“ ein historisches Thema. Der Mast ist eine nostalgische Straßenlaterne. Ihr schönes Kleid scheint ebenfalls aus einer anderen Epoche. In dieser liebevollen Aufmachung arbeitet sie ihre Tricks. Es ist eine stimmige und stimmungsvolle Schlussnummer der Show.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch