Das ist umso bemerkenswerter, als Elmar Kretz für diese Produktion
auf ein Rabatt- und Freikartensystem, wie es bei Circustourneen
durchaus üblich ist, nach eigenen Angaben verzichtet hat. Offenbar
trug die renommierte Veranstaltungsstätte ihren Teil zum Erfolg bei.
Wie auch der Name Elmar Kretz, der im Allgäu zur Marke geworden ist.
Nicht zuletzt, weil der umtriebige Circusmacher sich selbst offensiv
in den Mittelpunkt seiner Produktionen rückt.
 
Finale mit "Knie"-Artisteneingang,
Blick auf "Louis Knie"-Piste und Tribüne beim Abbau
Elmar Kretz hat für "Equus" einen bemerkenswerten Aufwand betrieben.
Neben dem bisherigen Artisteneingang des Schweizer National-Circus
Knie konnte er kürzlich auch die Sternen-Piste des früheren
Österreichischen Nationalcircus von Louis Knie sen. erwerben. Beides
zusammen ergibt ein edles Bild vor den schwarzen Bühnenvorhängen der
bigBOX. Mit 40 Kubikmeter Erde und Lehm wurde die Manege gefüllt.
Gegenüber dem Artisteneingang ragt steil die Tribüne der
Veranstaltungshalle auf, so dass ein schöner Panoramablick von oben
auf das Geschehen entsteht. Ins rechte Licht gerückt wird die Show
durch modernes, starkes Licht, das zuvor im Studio programmiert
wurde. Talent hat Elmar Kretz auch als Musiker. Und so spielt die
Musik in Equus eine besondere Rolle. 24 Arrangements hat Kretz im
Vorfeld schreiben lassen und dafür alle Stücke selbst ausgewählt.
Live gespielt werden sie von 15 professionellen Musikerinnen und
Musikern aus der Ukraine, die drei Tage lang gemeinsam im Gasthaus
der Familie Kretz geprobt haben. Dabei handelt es sich im Kern um
die Band des Ravensburger Weihnachtscircus, die für „Equus“
erweitert und von Roman Mariash dirigiert wurde. Persönlichkeiten
mit prominenten Namen tragen im Hintergrund zum Gelingen bei: Louis
Knie jun. führte Regie, Gino Edwards (ehemals „Zauberwald“)
koordiniert die Abläufe hinter den Kulissen.

Elmar Kretz
„Equus“
ist der lateinische Begriff für Pferd. In einem gesprochenen Prolog
aus dem Off beschreibt Elmar Kretz „Equus“ als Fabelwesen, als edlen
Schimmel, der wie aus Carrara-Marmor geformt zu sein scheint und
trotzdem im nächsten Moment zu galoppieren beginnt. Auf seiner Reise
durch Raum und Zeit treffe er auf edelste Pferde und wagemutige
Artisten. Und so wird die Vorstellung eingerahmt von den beiden
Auftritten des Direktors mit seinen Araberschimmeln. Zu Beginn
präsentiert er verschiedene Solo-Steiger, zum Abschluss seine
Freiheitsdressur mit vier Tieren. Dabei macht Elmar Kretz sowohl die
sanfte als auch die feurige Seite seiner Hengste deutlich. Wenn er
sie nur mit Gesten, ohne Peitsche, zu Pirouetten anleitet und auf
Tuchfühlung mit ihnen geht. Nur um sie dann wenig später, aus vollem
Lauf heraus, zum feurigen Gruppensteiger zu rufen.
 
Anja Beran, Nicole Ciroth,
Silivia Wimmer
Ansonsten spielt die Handlung aber keine erkennbare Rolle mehr.
Pferde- und Artistennummern reihen sich in dichter Folge aneinander,
ohne dass sich eine echte Geschichte ergäbe. Dafür ist es Elmar
Kretz gelungen, einige ganz hochkarätige Vertreter des Pferdefachs
zu verpflichten. Allen voran Anja Beran, die Circusfreunden vor
allem durch ihre Zusammenarbeit mit Jana Lacey-Krone bekannt ist.
Auf Lusitano Bue reitet sie eine vorzügliche Hohe Schule, begleitet
von Tänzerin Nicole Ciroth. Das Pferd mit seiner Reiterin und die
Solistin tanzen gemeinsam durchs Sägemehl, bilden eine Einheit. In
einer „Reitschulszene“ zeigt Anja Beran Figuren auf dem Hengst
Ofendido der Pura Raza Española. Dabei begleitet Silvia Wimmer die
Runden um die Manege und gibt mit einer Gerte feine Hilfen. Aus dem
Krone-Bau bekannt ist schließlich das reiterliche Schattenspiel im
großen Ballon, hier mit Anja Beran auf Lusitano Pao und Tänzerin
Nicole Ciroth.
  
Fabian Hellstern, Vera
Munderloh und Marcel Egger, Emilie Jumeaux
Einer der Höhepunkte im Programm ist das Pas des Deux mit Vera
Munderloh auf Lusitano Super und Marcel Egger auf Warmblut Cadiz.
Sie im selten gezeigten Damensitz, er mit Frack und Zylinder zeigen
in Vollendung Spanischen Tritt, Piaffe, Passage und Galopp. Ein
äußerst stilvolles, nostalgisches Bild. Beide Reiter kommen vom Team
Anja Beran. Mit dem 22-jährigen Fabian Hellstern wurde zudem ein
junger Könner verpflichtet. Im ersten Programmteil zelebriert er
eine Hohe Schule mit Garrocha. Dabei demonstriert er die Arbeit mit
dem Hirtenwerkzeug und reitet enge Volten um die Stange. In Teil
zwei folgt sein Tandem-Hohe-Schule; Hellstern reitet also auf einem
Pferd und leitet ein anderes am Zügel vor sich an. Dabei wird er
gesanglich von Nicole Ciroth mit der Puccini-Arie „Oh mio babbino
caro“ begleitet, live gesungen inmitten des Publikums. Den höchsten
Unterhaltungswert hat sicherlich der Auftritt von Emilie Jumeaux auf
einem schweren französischen Edelkaltblut. Quickchange auf dem
Rücken eines galoppierenden Pferdes haben wir jedenfalls zuvor noch
nicht gesehen.
  
Alexandra Gerbey, Ania
Filipowska, Duo Pashenko
Doch „Equus“ ist nicht nur Pferde-, sondern auch Artistikshow.
Dieses Versprechen löst unter anderem das Duo Ania Filipowska ein.
Die Namensgeberein zelebriert elegante Handstände, ihre Partnerin
Natalja Majer zeigt Kraft und Beweglichkeit am Pole. Gemeinsam
sorgen die beiden für die Pausennummer, in der sie Akrobatik am
Luftring und in einem wassergefüllten Plexiglasbecken kombinieren.
Zu diesem sinnlichen, Funken sprühenden Auftritt spielt das
Orchester „Skyfall“. Zuvor beweisen die Musiker mit „For your eyes
only“ ihr Können in einem rein musikalischen Programmpunkt. Bestens
bekannt sind schließlich das Duo Pashenko mit ihrer starken
Hand-auf-Hand-Nummer und Alexandra Gerbey. Sie vereint Tuchakrobatik
mit Gesang und begleitet mit ihrer großartigen Stimme auch an
weiteren Stellen das Orchester. Ursprünglich war für den
artistischen Part die von "Alexis Gruss" und dem
Friedrichstadt-Palast bekannte Formation "Les Farfadais"
angekündigt.
 
Artur Nieberle, Team
Farbenfroh
Eine gut gefüllte Manege ergibt sich mehrfach durch das Team des
Fohlenhof Farbenfroh von Artur Nieberle aus Kaufbeuren. Ein
spektakuläres Bild schafft Nieberle selbst im von Ponys gezogenen
Streitwagen. An der Rückseite des Gefährts sprühen Pyro-Funken.
Tolle Bilder zeichnen sechs junge Mädchen bei der Quadrille. Sie
reiten schwierige und abwechslungsreiche Figuren. Originell ist auch
die Nummer, bei der drei junge Frauen auf Sulkys mit vorgespannten
Ponys fahren. Aus drei Tüchern flechten sie durch ihre Touren einen
Zopf. Als Zugabe lenken einige junge Damen Sulkys, während sie
Drachenflügel an ihren ausgebreiteten Armen tragen. So können sie
die Fahrzeuge und Ponys nur noch mit ihren Beinen dirigieren.
Talentierter Nachwuchs ist zudem Milena Kretz. Die neunjährige
Tochter des Direktors stellt selbstbewusst und fröhlich einen
Sechserzug Miniponys vor, lässt die Ponys aus dem Bestand ihres
Vaters durch Reifen laufen und springen. |