Insgesamt fünf große Circus-Events wurden parallel geboten. Neben
den bedeutendsten Zelt-Unternehmen des Landes war auch wieder der
Fövárosi Nagycirkusz, der feste Circusbau in Budapest, mit von der
Partie. Wie schon in den vergangenen Jahren war die Lange Nacht ein
großer Erfolg. Im nahezu restlos ausverkauften Circusgebäude
präsentierten die Veranstalter ein fast fünfstündiges Circus-, Show-
und Musikprogramm, das durch Pausen in vier etwa gleich lange Blöcke
unterteilt war. Eine dieser Pausen wurde dafür genutzt, in Form
einer Konferenzschaltung auch aus den anderen Circussen zu
berichten. Ein ungarischer Fernsehsender war an diesem Abend überall
live vor Ort und übertrag dieses Ereignis rund um die Welt. Dank der
großartigen Bildschirmtechnik im Circusbau konnte dann diese
TV-Konferenz mit den Grußworten aus den anderen Circussen
eingespielt werden. Die Besucher reagierten begeistert.
  
Absolventen der
Artistenschule, Truppe Teibler, Elisabeth Axt
Der
Show zugrunde lagen die 15 Nummern des aktuellen Sommer-Programms
des Budapester Circusbaus. Seit gut drei Jahren steht er unter der
Leitung von Joszef Richter Senior. Zusätzlich wurde mehrere
hochwertige Darbietungen für diesen Abend engagiert, so
beispielsweise Jongleur Nandor Varadi, Elisabeth Axt an den
Strapaten und mit Solo-Equilibristik sowie die große
Schleuderbrett-Truppe der Familie Teibler. Dazwischen wurden viel
versprechende Nummern von Absolventen der Budapester Circusschule
zum Besten gegeben, was für zusätzliche Abwechslung sorgte und auch
einen Blick in die Zukunft bot.

Musicalszene
War
in den vergangenen Jahren der vierte Show-Block der Langen Nacht
jeweils unter dem Motto „Orpheum Hungaricum Varieté“ gestanden, so
erfolgte diese Teilung heuer nicht. Stattdessen waren die
Varieté-Darbietungen und auch Gesang- und Tanzeinlagen sowie eine
ansprechende Musicalszene geschickt in das Circusprogramm
eingeflochten, die Übergänge waren fließend und sanft. Die
Moderation des Abends lag in den Händen von Gyuszi Maka, der neben
seinem Job als Conférencier auch als begnadeter Sänger zu erleben
war und entsprechend gefeiert wurde.
  
Eddy
Carello, Duo Splash,
Nistorovs
Das
erwähnte Saisonprogramm, welches noch bis Ende August zu sehen ist,
trägt diesmal den Titel „Circussimo“. Es liest sich wie ein
facettenreiches Who is Who der Circuswelt. Eröffnet wird die Show
von der Truppe Nistorov. Wohl noch besser als in den Jahren, als wir
sie bei Charles Knie bewundern durften, zeigen sie – aktuell in
leicht veränderter Besetzung - eine der besten Rollerskater-Nummern
überhaupt. Ganz im Stil der Blues Brothers gehalten ist die
Comedy-Jonglage des Schweizers Eddy Carello. Er paart sein
musikalisches Talent mit der Kunst des Jonglierens. Mit flotten
Rhythmen spricht er die Zuschauer an und nimmt sie mit. Nervenkitzel
bietet die Akrobatik des Duo Splash. Die beiden Ukrainer brennen am
Trapez ein wahres Feuerwerk an Figuren, Pirouetten und Durchdrehern
ab, das Ganze teils sogar ohne Sicherung.
  
Mr. Lorenz, Gaby und Chello,
Truppe Shandong
Für
die Lachmuskeln ist Mr. Lorenz aus Italien zuständig. Als
Reprisenclown mit fünf Einlagen sowie mit einem musikalischen Entree
überbrückt er geschickt langatmige Umbaupausen und spielt sich in
die Herzen der Zuschauer. Keine Unbekannte ist Rich Metiku, die bei
ihrer Kontorsionistik den Anschein erweckt, einen Körper ohne
Knochen zu besitzen. Enorme Beweglichkeit beweisen auch die
Gerasymenko Brothers bei ihren Kaskaden rund um einen Tisch. Von der
Familie Hölscher vom ehemaligen Circus Fliegenpilz ist die einzige
Tiernummer in diesem Programm engagiert: Gaby und Chello
präsentieren die drei mächtigen kalifornischen Seelöwen gewohnt
humorvoll. Angesichts der großzügigen Fisch-Belohnung haben die drei
Tiere sichtlich Spaß an diesem Auftritt. Körperliche
Höchstleistungen zeigt die Truppe aus China von der Circusschule in
Shandong. Beim ersten Auftritt lässt eine zehn Mann starke Crew
alles vergessen, was man bisher über ikarische Spiele wusste. Im
zweiten Teil zeigen die Chinesen ihre Kunst mit diversen
Sprungseilen bis hin zum Sprung einer Drei-Mann-Hoch-Pyramide über
das rotierende Seil.

Truppe Szkokov
Höhepunkt der Show war jedoch
eine andere Darbietung: Die US-amerikanische Gruppe „Flying Farfans“
zeigt eine Flugtrapez-Show an drei Trapezen in sich kreuzenden
Flugrichtungen. Neben den klassischen Elementen wie Salti, Passagen
und Schrauben steht hier die Koordination von Flieger und Fänger in
zwei Richtungen im Mittelpunkt. Der Zuschauer hat die Qual der Wahl,
welchen der sieben Artisten er denn nun anschauen will. Zumeist
fliegen gleich mehrere Akteure zeitgleich durch die Luft, sodass
sich ein beeindruckendes Schaubild ergibt. Beendet wird das Programm
dann mit einer Besonderheit, die wahrlich den Titel Schlussnummer
verdient: Die Truppe Szkokov zeigt Sprünge zwischen zwei russischen
Schaukeln. Das Besondere ist jedoch nicht die eigentliche
Darbietung, sondern die außergewöhnliche Besetzung: Acht bildhübsche
Damen in weiten Gewändern arbeiten hier in einem Metier, das bisher
nur Männern vorbehalten war. Die Komposition aus Licht, Ton und
Kostümen in atemberaubender Choreographie vermittelt dem Zuschauer
exakt das Gefühl, das er vom Circus mit nach draußen nehmen soll.
Nämlich, dass er gerne in den Circus geht, weil es ihm dort gefällt,
und vor allem, dass er jederzeit gerne wiederkommt. |