Zu
abendlicher Stunde wurden hier wie dort zahlreiche Aktivitäten und
Shows geboten, die – so lässt sich wohl ein erstes Fazit ziehen –
vom Publikum zahlreich und begeistert aufgenommen wurden. Das ruft
nach Wiederholung!
 
Orchester, Zusatzaktivitäten
im Freien
Für
den Budapester Circusbau hatte Direktor Joseph Richter sen. ein
spezielles Programm aus der aktuellen Sommerproduktion „Circus
Maximus“ mit dem italienischen Circo Darix Togni, Absolventen der
verbandseigenen Circusschule Imre Baross und Varietékünstlern
zusammengestellt. So ergab sich ein (mit Pausen) fast sechsstündiges
Programm, von 19 Uhr an bis weit nach Mitternacht. Aufgeteilt wurde
die Show, welche vor vollem Haus stattfand, in vier Abschnitte. Nach
einem ersten Block in einer Wassermanege folgten zwei klassische,
bevor ein Varieté-Block mit Tänzern, Sängern, Trommlern, Humoristen
und Zauberern den Abend beschloss. Begleitet wurde der ganze Abend
von Moderator Gyuszi Maka und dem hauseigenen Orchester. Die acht
Musiker unter Attila Maka sorgten einmal mehr für einen
musikalischen Hochgenuss mit mitreißenden Melodien.
  
Gianluca Ranzan,
Amanda Togni, Corrado Togni
Block 1 – Wassermanege:
Zu Beginn des ersten Blocks betritt Clown Corrado Togni die
Manegen-Umrandung und eröffnet mit der Jonglage seines Hutes und der
bekannten „Popcorn“-Reprise die Show. Erst danach ergießt sich im
Laserlicht ein Wasserfall oberhalb des Eingangs und füllt nach und
nach die etwa knietiefe Wassermanege. Die Artisten erreichen eine
kleine Bühne über zwei seitliche Stege, vieles spielt sich in diesem
Block allerdings in der Luft ab. So auch die erste Darbietung: aus
einem kurzen Charivari heraus, bei dem vier venezianisch gekleidete
Paare durch die Besuchereingänge, die weiteren Artisten über Treppen
neben dem Orchester erscheinen, entsteht die Strapatendarbietung von
Zaza und Daniel Togni, die mit dem Genickwirbel der Artistin endet.
Bei der Vorführung der Papageien hatte man zuletzt auf Tiere von
Alessio Fochesato gesetzt; aktuell ist aber Gianluca Ranzan mit
seinen Vögeln (acht Aras und einige Sittiche) und einem ähnlichen
Repertoire zu sehen. So gehören auch hier die Freiflüge durch die
hohe Kuppel des Baus zu den besonders schönen Momenten. Elis Togni
hat eine kurze Routine am Schwungtrapez erarbeitet, dazu gehört zum
Beispiel der Aufschwung mit Pirouette aus dem Fußhang. Clown Yecid
kämpft in origineller Weise im Bassin mit einem aufblasbaren
Krokodil. Es ist der einzige Moment, in dem das Element Wasser
richtig zum Tragen kommt. Amanda Togni zeigt darauf im
Seifenblasen-Regen an den Tüchern einen Spagat und Abfaller; in
erster Linie lebt ihre Nummer aber von der Aufmachung. Ihr Requisit
hängt unter einer großen „Qualle“, weitere Fisch- und
Wasserfiguranten bevölkern die Manege. Dazu gibt es – irgendwo
zwischen typisch italienischem Kitsch und Klamauk – die Auftritte
von einer Popeye- und einer Spongebob Schwammkopf-Figur. Dem
Publikum gefällt‘s, es singt die Titelmelodie begeistert mit.
  
Trio Iuguana,
Zsolti Farkas, Wasserfinale
Den artistischen Abschluss und Höhepunkt dieses Teils
bietet das Trio Iguana. Elemente der Kontorsion und
Handstandequilibristik werden auf hohem Niveau verbunden. Der
Wechsel zwischen verschiedenen Einarmern gehört dazu, ebenso der
überzeugende Schlusstrick: die unterteste Artisten steht in der
Brücke, während die zweite auf ihr einen Handstand drückt. Die
dritte Artistin drückt darauf einen Handstand im Nacken. Großartig.
Obligatorisch endet der Wassermanegen-Block mit gewaltigen, bis zur
Kuppeldecke reichenden Fontänen im Walzertakt.
Der erste Block wurde dabei nahezu unverändert von der aktuellen
Produktion „Circus Maximus“ der Familie Togni übernommen. Lediglich
der Jongleur Dashka trat nicht hier, sondern später im Varieté-Block
auf. Er hält bis zu neun Bälle variantenreich in Luft, dazu bis zu
vier Pingpong-Bälle mit dem Mund. Eine starke Nummer, zumal mit viel
Ausstrahlung verkauft. An seine Stelle rückte der junge Sänger
Zsolti Farkas, der auf der Insel mit zwei Popsongs auftrat. Er ist
in Ungarn aus einer Casting-Show im TV bekannt.
  
Davio Togni, Vorrado Togni,
Flugtrapez Togni/Hernandez
Block 2 & 3 – klassisch:
Nach einer ersten Pause und dem Abbau der Bassinanlagen geht es
klassisch weiter. Die kleinere Manegen-Umrandung der Tognis bleibt
dabei stehen, so dass es gleich zwei Pisten gibt. Eröffnet wird hier
mit den fünf Tigern von Davio Togni. Die Tiere zeigen Pyramide,
Sprünge, Teppich, Rollover und Hochsitzer. Die überzeugende Nummer
endet mit einem springenden Tiger. Auch die beiden betagten
Elefanten von Corrado Togni, die dieser als komischer General zum
Beispiel zu Laufarbeit und Hochsitzen animiert, sind in diesem Teil
zu sehen. Zusammen agieren Davio und Corrado Togni dann in einer
amüsanten Fassung von „Aufladen, Abladen“. Ebenfalls aus dem Hause
Togni stammt die Flugtrapez-Darbietung, die hier den dritten Teil
eröffnete und ansonsten kurz vor dem Finale platziert ist. Daniel
und Amanda Togni sowie Francisco und Osorio Hernandez beherrschen
das klassische Repertoire bis hin zum zweifachen Salto gestreckt und
der Passage. Lediglich der dreifache Salto ist nicht zu sehen. Für
komische Intermezzi sorgt Clown Yecid. Francisco Hernandez steht
zudem im Mittelpunkt der Reptilienshow: einige Schlangen, ein Kaiman
und ein Alligator bevölkern die Manege. Hernandez´ Partnerin
Alexandra Tarus entschwebt daraufhin im Zopfhang und wird dann in
einen gläsernen Sarg eingelassen. Hinzu kommen Ratten. Dann wird der
Sarg durch die Manege getragen. Es folgt ein wahrer Höhepunkt, weil
total durchgeknallt: Francisco Hernandez speit Feuer und vergrault
damit eine Dinosaurier-Figur aus der Manege. Herrlich absurd.
Ebenfalls zum Togni-Ensemble gehören die Jungclowns Martina Bellelli
und Alexandru Opria.
  
Duo Varga, Truppe Khadgaa, Duo
Steel
Zusätzlich engagiert für die Produktion „Circus Maximus“ ist die
Truppe Khadgaa, zu der auch Jongleur Dashka und das Kontorsionstrio
Iguana (vgl. Block 1) gehören. 2012 haben sie am Festival in Monte
Carlo teilgenommen. Ihre zwei Truppennummern wurden hier auf die
Blöcke aufgeteilt. Im zweiten Block sind sie als variantenreiche
Seilspringer zu sehen. Dieses gelingt selbst im Drei-Personen-Hoch
und mit Handvoltigen gemischt. Abwechselnd springen sowohl Fänger
als auch Fliegerin, dann wieder nur die Fliegerin durch die Seile.
Schlussnummer der eigentlichen Sommerproduktion wie auch dieser
„Circus Nacht“ ist aber ihre Mischung aus dem Auftritt des „Starken
Mannes“ und grazilen Handvoltigen mit drei Fliegerinnen. Über
mehrere Stationen und bis zum Vier-Personen-Hoch werden die
Artistinnen geworfen. Dazwischen hebt immer wieder das kräftigste
Truppenmitglied diverse Hanteln, zum Schluss fünf Hanteln und das
Gewicht von vier Tänzerinnen gleichzeitig – mit den Zähnen.
Höhepunkt ist eine Pyramide mit allen Akteuren und Gewichten, wobei
die drei Untermänner jeweils in der Brücke stehen und so ihre
Partner stemmen. Richtig abgerundet wird die Darbietung durch den
unglaublichen mongolischen Live-Gesang von Dashka.
Zusätzlich für die „Circus Nacht“ wurden zwei Duos verpflichtet. Das
Duo Varga (Júlia Széphalmi and Attila Varga) hat sich eine
sehenswerte Kür an den Tüchern erarbeitet – mit zahlreichen seltenen
und riskanten Abfallern. An diesem Abend sogar so riskant, dass
Julia Széphalmi gleich zweimal auf der Bodenmatte landete; diese war
zum Glück vorher ausgelegt worden, nachdem die ersten – auch schon
riskanten – Tricks sogar ohne Sicherung gearbeitet wurden. Das Duo
Steel (István Berkes and Attila Fábián) reihte bei seiner
Hand-auf-Hand-Darbietung ebenso einen Spitzentrick an den nächsten
und setze dafür noch nicht mal ab. Grandios. Vor zwei Jahren waren
sie noch Teil des Programms der ungarischen Circusschule Imre Baross.
Seitdem sind sie noch leistungsstärker geworden, haben aber auch an
Verkauf gewonnen und zelebrieren ihre Posen nun geradezu im
Magnesium-Nebel.
  
Trio Sárközi, Mr. Gerald, Evelin
Csasz
Nicht nur am Beispiel dieser beiden lässt sich die Qualität der
Ausbildung an der Imre Baross erkennen. Populärster und aktuellster
Beleg ist sicherlich die Formation Quinterion, die mit ihren
Handvoltigen nach der Teilnahme beim Budapester Festival schnell
eine Weltkarriere (u.a. Big Apple Circus, Kirrwiller Varieté)
hinlegte. Jahrelang bot das Festival eine der wenigen Gelegenheiten,
die Arbeit der Circusschule zu beobachten. Jetzt ist man bemüht,
diese Präsenz zu erhöhen, und so schickt die MACIVA die Absolventen
zu zahlreichen Auftritten, demnächst gar ins Ausland. Diese
Entscheidung ist ohne Frage richtig, denn die Schüler lernen so
nicht nur den Auftritt vor Publikum kennen, die Darbietungen –
technisch anspruchsvoll und lebhaft verkauft – sind auch beste
Werbung für den Verband. Deswegen waren die Auftritte des
Nachwuchses, die für die „Circus Nacht“ in den zweiten und dritten
Block integriert wurden, für den Circusfreund freilich noch
interessanter als die der gestandenen Nummern. Ein weiterer
Pluspunkt der Circus-Schule: Hier werden noch Truppen ausgebildet,
Solo-Artisten wie hierzulande findet man höchst selten. So war denn
auch Evelin Csasz
einzige Solo-Schülerin. Zu rockigem Sound zeigt sie am Netz eine
ausgewogene Leistung, mit Flügen, Abfallern und Genickwirbel.
Ebenfalls solo unterwegs ist Clown Mr. Gerald alias Gerald
Steingruber, der bekannte Reprisen (Fliege, Schleuderbrett, Glocken)
mit vielen eigenen Ideen und sehr sympathisch präsentiert. Nur sein
Äußeres erinnert zu stark an Henry Ayala, hier wäre mehr
Individualität wünschenswert. Die weiteren Vertreter der Schule sind
jeweils mindestens zu dritt. Das Trio Sárközi (Péter und Tamás
Sárközi sowie Patrik Perecsényi) jongliert
elegant mit bis zu neun Keulen im Passing, im Zwei-Mann-Hoch, und
beherrscht
darüber hinaus Ringe und Reifen.
  
DoppelXY, Rhönrad,
Truppe Sicks
Jesus Peres Sean und seine beiden
Partnerinnen Dóra Takács und Réka Nagy haben sich das Rhönrad als
Requisit ausgesucht und nutzen es – ganz ähnlich wie einige ihrer
Vorgänger an der Schule – auch als „Schanze” für Sprünge. Dafür
benötigt die Formation DoppelXY (Olivia Kapitány, László Farkas und
Dominik Turó) nur die Hände, denn sie trainieren Handvoltigen.
Leider will am Abend der zweifache Salto wiederholt nicht gelingen.
Herausstechend unter den Darbietungen der Absolventen ist die
Ikarier-Truppe Sicks, die beim kommenden Ulmer Weihnachtscircus dann
auch in Deutschland zu sehen sein wird. Ohne Frage hat
sie das Potenzial,
eine ganz große Nummer zu werden. Werden die Sprünge, die heute noch
abgesichert werden, eines Tages ohne Hilfe dargeboten, steht einer
großen Karriere nichts im Wege; denn die Sprungvarianten sind schon jetzt
sensationell. Zoltán Gárdonyi, Tamás Lavei,
Lénárd Matos, Mátyás Molnár, Pál Szilárd Sulyok und Krisztina Tóth -
als „Unterfrau”!
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werfen
sich in allen möglichen Positionen durch die Luft: von gestandenen
Sprüngen, Saltokaskaden und Passagen bis hin zu Kombinationen mit
dem Schleuderbrett. Höhepunkt ist der dreifache Salto. Wahnsinn.
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