Wie der –
inzwischen ehemalige – Museumsdirektor Dr. Wolfgang Till im
Ausstellungskatalog schreibt, hat sich das Münchner Stadtmuseum
außer um die Münchner Stadt- und Kulturgeschichte stets auch um die
vielen Facetten populärer Unterhaltung gekümmert: Puppentheater,
Jahrmarkt und Schaustellerei, Varieté und, so Tillmann, „selbst die
illegitimen Vorfahren der Institution Museum in Form des Panoptikums
und des Wachsfigurenkabinetts sind hier permanent vertreten“.
Insofern habe das Haus die Verwandtschaft zur Unterhaltungsbranche
nie verheimlicht, und folgerichtig müsse auch der Circus zu seinem
Themenkanon gehören. „Menschen, Tiere Sensationen“ war etwa der
Titel einer früheren Ausstellung, die eine zuvor erworbene
Kollektion von Friedländer-Plakaten zeigte.
  
Gemälde "In
der Menagerie" (um 1890),
Kunstreiterin Emilie Bernard (um 1905), Friedländer-Plakat (um
1912),
Die
Ausstellung „Non plus ultra!“ ging auf die Ursprünge des modernen
Circus ein, die Jahrmärkte, Menagerien und Seiltänzertruppen. In
London betreibt der geschäftstüchtige Kunstreiter Philip Astley ab
1768 eine private Arena, die er „Royal Circus“ nennt, hier wird in
der Kombination von Kunstreiten und Jahrmarktsartistik wie Seiltanz,
Jonglage, Bodenakrobatik und spaßigen Einlagen der moderne Circus
geboren. „Philip Astley in London, Antonio Franconi in Paris und
John Bill Ricketts in New York gehören zu den Wegbereitern dieser
neuartigen Vergnügungsstätte“, heißt es in dem prachtvollen,
großformatigen, rund 240-seitigen Ausstellungskatalog, der in Text
und Bild noch ausführlicher erzählen kann als die Schau selbst.
  
Friedländer-Plakate:
Kapitän Schneider (um 1927), Circus Wilke (um 1914), Cilly (um 1931)
Ausstellung
und Buch bieten in historischen Plakaten, darunter viele Werke
Friedländers, in Fotos und Gemälden, Zeichnungen und historischen
Programmzetteln einen Überblick über die weitere Entwicklung der
Circuskunst. Zahlreiche Facetten des großen Themas Circus werden in
kurzen Aufrissen abgehandelt, interessante Aspekte werden assoziativ
aneinandergereiht. So spannt sich ein bunter Bilderbogen. Das
Entstehen der ersten Wandercircusse, das Aufkommen hölzerner,
mobiler Circusbauten oder die Entwicklung großer thematischer
Schaustücke werden aufgeblendet. Ganz unbefangen schildert die
Ausstellung die Entwicklung der Tierdressur, erzählt von
Affendressuren mit wundersamen Kunststücken, von Raubtierlehrerinnen
wie Ida Krone alias Miss Charles, die sich zu 23 Löwen in den Käfig
wagte, von riesigen Tierbeständen früherer Unternehmen. Man mag es
kaum glauben, dass das Stadtmuseum eine Ausstellung wagt, die sich
auch dem Thema Tierdressur ohne Relativierungen, Einschränkungen,
Rechtfertigungen annimmt. „Der Titel ‚Non plus ultra!’ schließt eine
kritische Sicht circensischer Handlungen aus. Dieses Bilderbuch will
nichts anderes, als auf Qualitäten hinweisen, die es im Circus
gegeben hat und gibt“, schreibt Kurator Dr. Helmut Bauer im
Ausstellungskatalog. An anderer Stelle wird sogar beschrieben,
durchaus für den Tiercircus werbend, wie der ursprüngliche
„Tierbändiger“ – unter anderem im Gefolge von Carl Hagenbeck – vom
einfühlsamen Tierlehrer abgelöst wurde. Deutlich wird in Ausstellung
und Begleitband die enorme Rolle der Pferdedressur in früheren
Circusprogrammen, zumal zu dieser Zeit fast jeder Mensch
nachvollziehen konnte, von welchem Schwierigkeitsgrad die gezeigten
equestrischen Leistungen waren. Hierzu passt, das im 19. Jahrhundert
Gebiete der Kunst wie Musik und Architektur, Malerei und Bildhauerei
gleichrangig nebeneinander existierten und von der Presse
entsprechend gewürdigt werden. „Die Bürger diskutieren die Qualität
der künstlerischen Äußerungen der jeweiligen Circusgastspiele ebenso
wie die der Aufführung einer Oper von Richard Wagner“, lesen wir im
Begleitband.
  
Leihgaben aus dem
Circus Krone, Requisiten von Olga und Pierino
Schwerpunktmäßig befasst sich die Ausstellung mit der Entwicklung
des Circus in München: das erste Gastspiel von Barnum und Bailey mit
einem Chapiteau für über 10.000 Besucher im Jahr 1900 findet zum
Beispiel Erwähnung, oder das Entstehen eines ersten ständigen
Circusgebäudes, des Circus Bavaria. In diesem Bau für 3000 Besucher
finden von 1891 bis zu seinem Abriss 1906 Gastspiele von Circussen
aus aller Welt statt. Und natürlich widmet sich „Non plus ultra!“
dem Circus Krone und seiner Entstehung aus der 1870 gegründeten
Menagerie Charles. 1919 eröffneten die Krones ihren ersten Circusbau
auf dem Marsfeld, und die 90. Jährung dieses Ereignisses war auch
einer der Anlässe für die Ausstellung. Als „große Bereicherung des
kulturellen Lebens in München“ wird Krone von diesem städtischen
Museum gewürdigt. Das Unternehmen stellte für die Ausstellung unter
anderem zahlreiche Originalkostüme aus seinem Fundus zur Verfügung,
der ehemalige Krone-Clown Pierino seine großen Requisiten.

Sarrasani-Modell von
Claus Lusch
Zu den
Highlights der Ausstellung gehörte zudem ein 15 Quadratmeter großes
Sarrasani-Modell im Maßstab 1:87 von Claus Lusch (Aachen), das mit
mehr als 8000 Figuren und 1500 Fahrzeugen die Infrastruktur eines
Zeltcircus verdeutlichte. Der besondere Clou: Dank der begehbaren
Vitrine ließ sich hier Circus aus der Vogelperspektive erleben. |