Frankfurt,
16. August 2008: Der Zirkus
Charles Knie setzt bei seiner Programmgestaltung ganz klar auf
das große Familienpublikum, bietet traditionellen Circus mit
vielen Tieren, viel Humor und klassischer Artistik. Nur
Samstagnacht in Frankfurt, da war plötzlich alles ein bisschen
anders. Besser gesagt: andersrum. Nach einem ersten Versuch in
Bremen hatten Sascha Melnjak und Team am 16. August zum zweiten
Mal zur „Gay Circus Night“ eingeladen. Rund 800 Besucher kamen:
vor allem Schwule, eine Handvoll Lesben und natürlich neugierige Circusmacher und -freunde. Ein Teil des Erlöses ging an die
Aidshilfe Frankfurt.
Nach der leicht gekürzten Abendvorstellung begann also eine halbe Stunde vor
Mitternacht die „Gay Circus Night“ mit einer Sondervorstellung
und anschließender Party mit DJ im Vorzelt und bis in die
Morgenstunden. |
 |
Drag Queen
Marlene Deluxe, Szenegröße der Stadt und laut Frankfurter Neue
Presse „Frankfurts schönste Gastgeberin“, moderierte das –
inklusive 30 Minuten Pause – gut zweistündige Programm. Auf
atemberaubend hohen Absätzen stöckelte die Dame durchs Sägemehl
und unterhielt mit hinreißend lustigen, ziemlich frechen
Sprüchen. Freilich dürfe man nicht erwarten, dass die Artisten
in diesem Circus alle schwul seien, aber: „Wer erwartet, dass
sich hier die Männer vom Circus, die von der harten Arbeit
muskelgestählt sind, mit ihren Testosteron-Körpern im Sägemehl
wälzen… der ist genau richtig.“ Außerdem wusste Marlene zu
berichten, dass sie den Herren in der Circus-Kantine Viagra in
die Limonade gemischt habe; der Erfolg werde sich bei der Party
im Vorzelt schon zeigen… |
   
Oleg Izossimov, Marek Jama und
Ballett, Marlene Deluxe, Versace |
Die Gay
Circus Night, für die Circus-Zeitungs-Redakteur Dirk Kuik Regie
geführt hatte, bot außerdem einige Highlights aus dem
Tourneeprogramm des Zirkus Charles Knie, dies aber in spezieller
Verpackung. Alexander Lacey etwa präsentierte seine Tiger und
Löwen mit freiem Oberkörper, Marek Jama wagte sich für die
Pferdefreiheit gar in rote Netz-Unterwäsche. Und den Hut durfte
er anlassen… Denisa und Dany Stipka hatten sich eine besonders
erotische Variante ihres Pas de Deux zu Pferd einfallen lassen,
mit SM-Touch, und Bauchredner Kenneth Huesca holte diesmal drei
männliche Mitspieler, ohne Damenbeteiligung, aus dem Publikum.
Elaine Courtney wurde vor ihrem Schwungseil-Auftritt gleich von
zwei Männern umworben, stand aber am Ende doch alleine da: Die
Herren hatten sich lieber für einander entschieden. Clown
Versace schließlich zeigte seine YMCA-Nummer mit neu dekorierten
Puppen, ganz an den berühmten Videoclip der „Village People“
angelehnt, und Anthony Wandruschka präsentierte am Trapez seinen
muskelbepackten Oberkörper. Stargast aus dem Frankfurter
Tigerpalast-Varieté und Schlusssnummer war Oleg Izossimov,
Gewinner des Silbernen Clowns in Monte Carlo und einer
Goldmedaille beim Cirque de Demain, mit seinen hocheleganten
Handstandvariationen ganz in weiß. Nicht vergessen werden dürfen
natürlich die Requisiteure in den rosa Hemdchen, die teils
voller Begeisterung, teils doch etwas peinlich berührt den Spaß
mitmachten und sich sogar zu einem Tanz im Raubtierkäfig
formierten. |
Fazit? Alle
hatten Spaß: das Charles-Knie-Team, die Zielgruppe und die
anwesenden Circusfreunde und -macher auch. Für die gute Sache –
die Aids-Hilfe – wurde nebenbei auch noch etwas getan. Das ruft
nach Wiederholung. Beim nächsten längeren Großstadt-Gastspiel im
Herbst soll es wieder so weit sein… |
__________________________________________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber
|