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Mainz, 5. Dezember 2005: Flic Flac das ist in erster Linie
Nervenkitzel und Adrenalin pur. Wenn todesmutige
Hasardeure in Schwindel erregender Höhe waghalsige
Sprünge auf dem Todesrad vollführen oder zu acht auf
Motorrädern durch eine gerade mal 5,80 Meter breite
Stahlgitterkugel jagen, dann sind feuchte Hände und
stockender Atem garantiert. Wie befreiend und entspannend
in solch einer Konstellation ein Lachen wirken kann,
beweisen jeden Abend aufs Neue Agnes Nemeth und Roland
Dittmar. Das ungleiche Paar sie hünenhafte 2,02,
er gerade mal quirlige 1,57 Meter groß zelebriert
den komischsten Tango, den das Publikum wohl je gesehen
hat. Wer hier führt, ist keine Frage! Agnes schleift
ihren Roland so durch die Manege, dass es eine wahre
Freude ist. Und wenn dann im Finale sich alle Artisten
vom begeisterten Publikum verabschieden und Roland auf
der Flucht vor einem größeren Akrobaten in Agnes Arme
springt, hat wohl auch der letzte Zuschauer die beiden
Ungarn lieb gewonnen.
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Anfangs war es für das ungleiche Paar
schon etwas gewöhnungsbedürftig bei Flic Flac zu
arbeiten. Ich fühlte mich als sei ich in einer
Rock-Oper gelandet, nachdem ich jahrelang nur in
Operetten aufgetreten bin, erzählt Agnes Nemeth
von ihrem ersten Eindruck. Und Roland Dittmar ergänzt:
bei unseren vorherigen Engagements in Ungarn,
England, Dänemark und Frankreich haben wir immer nur
traditionell gearbeitet. Dementsprechend waren natürlich
auch unsere Requisiten. Mittlerweile aber fühlt
man sich bei Flic Flac rundum wohl. Besonders angetan
sind sie von der Flic Flac Circusschule, in der die
gemeinsame elfjährige Tochter Enikö die Schulbank
drückt. Allein durchs Zuhören lernt sie dort
akzentfrei Deutsch und Englisch, freut sich Vater
Roland und betont die Wichtigkeit des Beherrschens von
verschiedenen Sprachen im Circusleben.
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Im privaten Leben sind Agnes Nemeth und
Roland Dittmar seit 20 Jahren ein Paar. Kennen gelernt
hat sich das ungewöhnliche Paar 1982. Roland absolvierte
zu der Zeit ein Engagement in Russland. Dorthin
erreichten ihn Briefe seiner Freunde, dass sie die
passende Frau für ihn gefunden hätten. Dabei, erzählt
Dittmar verschmitzt lächelnd, hätten sie doch gewusst,
dass er eine Frau suche, die genauso klein sei wie er.
Dass aus dem Joke der Freunde, mal Ernst
würde, hätte damals wohl keiner gedacht.
Schon allein des Größenunterschieds wegen,
blieben sie drei Jahre einfach Freunde, bevor
sie sich ineinander verliebten, betonen Dittmar und
Nemeth unisono. Räumlich blieben sie allerdings auch
weiterhin den größten Teil des Jahres getrennt. Denn
während der aus einer traditionellen Circusfamilie
stammende Dittmar das Jahr über gemeinsam mit einem
Partner als Kaskadeur in Circusprogrammen in ganz Europa
auftrat, reiste seine Freundin mit dem ungarischen
Basketball-Nationalteam durch die Welt.
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Noch heute ist Agnes Nemeth mit 367
Einsätzen Ungarns Rekordnationalspielerin im Basketball.
Und ein Star in Ungarn, wie Dittmar stolz erzählt.
Deshalb und weil sie sich ihrer Wirkung aufs
Publikum nicht sicher war habe sie sich Agnes auch
zunächst dagegen gesträubt, gemeinsam mit Roland
aufzutreten. 1999, nach ihrem sportlichen Karriere-Ende,
willigte sie dann aber doch ein. Zumal die Trennung auf
Zeit somit endlich ein Ende hatte und das Paar von nun an
gemeinsam im Camping durch Europa ziehen konnte. Daran
gewöhnte sich Agnes schnell, war sie doch auch als
Basketballspielerin viel unterwegs. Wenn Sie auch
einräumt, dass zwischen dem Leben in Hotels und
dem Leben im Caravan schon allein vom Komfort her ein
Unterschied besteht. Die Idee zu ihrer gemeinsamen
Nummer kam Roland Dittmar, wie er sagt, buchstäblich im
Schlaf: Das grobe Konzept hatte ich schon lange,
als ich dann aber einen kompletten Durchgang des
Auftritts träumte, wusste ich, so muss es sein.
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Mit ihrem Auftritt stellen Dittmar und
Nemeth klassische Rollenbilder auf den Kopf und erzielen so einen
ungeheuren Lacherfolg. Der in der Show natürlich gewollt ist, privat
könnten einem die ständigen blöden Sprüche über ihren Größenunterschied
aber schon nerven, gesteht Agnes Nemeth. Denn zum einen „kennt man sie
irgendwann alle“ und die meisten der Sprücheklopfer demonstrierten damit
nur ihre mangelnde Intelligenz. „Letztendlich müssen wir damit leben“,
gibt sich Roland Dittmar keiner Illusion hin und freut sich lieber
darüber, dass seine Beziehung Anderen Mut machen kann. Er wisse
beispielsweise von einem ebenso ungleichen Pärchen aus Ungarn, das erst
den Mut gehabt habe öffentlich zur seiner Beziehung zu stehen und sogar
zu heiraten, nachdem es Agnes und Roland im Fernsehen erlebt habe.
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Text:
Sven Rindfleisch; Fotos: Sven Rindfleisch, Flic Flac
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