Der Circus Pikard der Familie Schneller
reist ausschließlich im Bundesland Niederösterreich, also um
Wien herum. Seniorchefin Elisabeth Schneller ist erstmals nicht
mehr am Geschäft, unterstützt das Unternehmen aber vom
Winterquartier aus. Dort leben nun auch ihre Tochter Romana,
deren Ehemann Balasz sowie ihre gemeinsamen Kinder Gloria, Ben
und Aron. Romana ist besonders für ihre Antipodenspiele und ihre
Taubenrevue bekannt, Balasz war bis 2018 der Clown bei Pikard,
und Gloria machte als talentierte
Nachwuchs-Luftakrobatin auf sich aufmerksam. Alexander
Schnellers ältere Schwester Ilona ist weiter mit auf Tour, wirkt
derzeit aber nur hinter den Kulissen. Fast schon wie ein
Familienmitglied war in den vergangenen Saisons die Kontorsionistin und Sängerin Maria Gschwandtner dem Circus
Pikard verbunden. Sie pausiert in dieser Saison, da ihre junge
Familie ein Haus baut.
Front
So hat Direktor Alexander Schneller ein
weitestgehend neues Ensemble zusammengestellt. Erhalten
geblieben sind ihm Eddy Carello und dessen Partnerin Josy
Casselly in der nunmehr vierten Saison sowie der junge Artist
Monty Borcan, der 2019 erstmals dabei war. Neu engagiert wurde
die deutsche Familie Lutzny („Circus Montana“) mit den Eltern
René und Sabrina, den Töchtern Samanta (18) und Chantal (16)
sowie den Söhnen Joel (14) und John (12). Hinzu kommen Nathalie
Enoch-Fröchte, die ihr Pikard-Debüt feiert, und Clown Rumba, der
nach sieben Jahren Unterbrechung zurück bei dem Unternehmen ist.
In seinem bunten Kostüm und mit typischen Reprisen wie
„Golfball“ und „Amor“ verkörpert er einen ganz traditionellen,
familiengerechten Typ Spaßmacher. Neu sind nicht nur viele
Artisten, neu sind auch die Planen von Vorzelt und Chapiteau.
Die erneuerten Zeltanlagen
strahlen schneeweiß in der Sommersonne über Laxenburg, drei
nostalgische Zugmaschinen leuchten frisch lackiert in
Feuerwehr-Rot in der Front. Ein herrliches Bild.
Monty
Borcan, Nathalie Enoch-Fröchte,
Sabrina Lutzny
Zum Warm-up fängt Eddy Carello Aplaus in
einer Holzkiste ein; Joel Lutzny lässt seine Diabolos fliegen –
cool umtanzt von seinen Geschwistern. Dann erst folgt das große
Opening mit dem gesamten Ensemble, in dem natürlich Direktor
Alexander Schneller im Mittelpunkt steht. Monty Borcan hat seine
Nummer neu arrangiert und präsentiert sich nun als „Hermes, der
Götterbote“ aus der griechischen Mythologie. Die starke
Trickfolge mit Handständen, den selten zu erlebenden
Kopfsprüngen und dem Kopfstand-Kreisel ist dagegen unverändert.
Mit viel guter Laune und strahlendem Gesicht präsentiert Sabrina
Lutzny einen kleinen Bauernhof mit Huhn, Kuh Paula, Ziegenbock,
Esel und Enten. Nathalie Enoch-Fröchte lässt gekonnt die Hula
Hoop-Reifen kreisen und fängt zehn von ihnen, die ihr zugeworfen
werden.
Sabrina, Samanta und Chantal Lutzny
Für einen der schönsten Momente des
Programms sorgen Sabrina Lutzny und ihre beiden Töchter mit
einer dreifachen Luftnummer an weißen Tüchern. Mal wird bei
Figuren hohe Beweglichkeit, mal bei Abfallern Mut bewiesen, von
Ellie Gouldings „Love Me Like You Do“ stimmungsvoll untermalt.
Dies ergibt in Summe ein großes, raumfüllendes, auch für das
Stammpublikum vollkommen neues Bild unter dem Pikard-Chapiteau.
René
Lutzny, Eddy Carello, Chantal Lutzny
In immer neuen Variationen präsentiert
Eddy Carello sein Können bei Pikard. Heuer tritt er als
Gentleman-Jongleur im Lotterie-Look auf. Auf seiner Weste
prangen einige „Lottozahlen“, und Zahlen zeigen auch die Bälle,
mit denen er jongliert. Als besonderen Clou wirft er sie gekonnt
in das „Ziehungsgerät“, welches er auf seinem Kopf balanciert.
Darin rollen sie durch eine Spirale, fallen unten wieder heraus
und werden wieder ins Jongliermuster aufgenommen – eine wirklich
originelle Idee. Bei einer Gentleman-Jonglage darf natürlich
auch nicht die Arbeit mit drei Gegenständen – erst Hut, Zigarre
und Handschuh, später drei Zylinder und abschließend drei
Zigarrenkisten – fehlen. Schon Tradition hat bei Pikard die
große Ensemble-Nummer, das aufwendige Schaubild vor der Pause.
Nachdem dem Unternehmen nicht nur Romana Schneller, sondern auch
ihre fantastischen Kostümkreationen derzeit nicht zur Verfügung
stehen, ist das 2020 in etwas eingeschränktem Umfang der Fall.
Dennoch macht das orientalische Bild viel Freude, das von Clown
Rumba mit seinem „Kamel“ eröffnet wird. Die fünf Damen des
Ensembles sowie Alexander Schneller mit Turban leiten mit ihrem
Tanz die Kontorsionsnummer von Chantal Lutzny ein. Die Herren
sind als kostümierte Figuranten im Hintergrund dabei. Als
Feuerschlucker und -spucker sorgt René Lutzny für den
effektvollen Abschluss.
Familie Lutzny,
Nathalie Enoch-Fröchte
Nach der Pause geht es im Wilden Westen
weiter: Josy Casselly präsentiert als Indianerin vier schwarze
Ponys, unter anderem als kleine „Korbpferde“. Weiter in den
Western-Saloon entführt die Familie Lutzny mit Lassospielen,
Messerwerfen und Can Can tanzenden Girls. Klassisch und
schnörkellos zeigt Nathalie Enoch-Fröchte ihr großes Können bei
ihren Antipodenspielen mit vier Teppichen und fünf Basketbällen.
Später lässt sie um den linken Fuß einen Hula Hoop-Reifen
rotieren, während rechte Hand und rechter Fuß zwei Bälle
bewegen. Zwei Reifen um die Füße kreisen lassen, drei
Tennisbälle in Rückenlage mit den Händen jonglieren – während
wir schon an einer dieser Aufgaben scheitern würden, schafft sie
spielend beides gleichzeitig.
Eddy Carello, Stefan
Dvorak, Josy
Casselly
Eine großartige neue Jonglage-Nummer haben
sich Alexander Schneller und Eddy Carello gemeinsam erarbeitet.
Alexander Schneller beginnt klassisch mit Keulen, Eddy kommt
dazu, beide geraten in einen Disput, und so werfen sie einander
in ihren Passings nicht nur Keulen, sondern auch allerhand
andere Gegenstände vom Teppich über den Vogelkäfig bis zum Besen
zu. Ein herrlicher Spaß! An dieser Stelle im Programm würde nun
eigentlich die Flaschenstuhl-Pyramide von Joel Lutzny folgen,
doch bei dieser Vorstellung in der Ferienzeit hat der Circus
Pikard Besuch von Nachwuchs-Artist Stefan Dvorak. Er hat sich eine starke
Darbietung auf der Rola Rola selbst erarbeitet, bis hin zur
Balance auf dem hohen Turm aus sechs liegenden und zwei
stehenden Walzen. Mit ihrer temperamentvollen Arbeit am
Schwungseil sorgt Josy Casselly in diesem Jahr für den Abschluss
des Programms. „Auf die Plätze, fertig, Spaß“ ist das Motto
dieser fröhlichen Show, und dazu passt das ausgelassene
Finale zu 80er-Jahre-Disco-Hits, bei dem alle Mitwirkenden
schrille Perücken tragen. Der Titel „Born to be alive“ liefert
den passenden Kommentar in Zeiten der Corona-Pandemie, denn auch
Pikard konnte erst mit dreimonatiger Verspätung und nur unter
Auflagen in die Saison starten. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs
sind maximal 250 Besucher erlaubt, so dass nur vorreservierte
Tickets, aber keine Spontankäufe angeboten werden. Auch
Desinfektionsmittel-Spender im Vorzelt und Verkaufspersonal
hinter Gesichtsvisieren hat man im Circus vor dieser besonderen
Saison noch nicht erlebt. |