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Circus Pikard - Tour 2020
www.circus-pikard.at ; 140 Showfotos

Laxenburg, 12. Juli 2020: In den vergangenen Saisons war das Ensemble des Circus Pikard praktisch konstant. Die gleichen Künstlerinnen und Künstler gestalteten das Programm mit viel Aufwand und Phantasie sowie herrlichen Kostümen und Kulissen Jahr für Jahr weitgehend neu. Freilich waren die gezeigten artistischen Disziplinen und akrobatischen Fähigkeiten der Akteure jeweils ähnlich – doch sie wurden häufig in ein neues Gewand gekleidet. In dieser Saison überrascht das Unternehmen nun mit vielen neuen Gesichtern. Damit unterscheidet sich die Show am deutlichsten von den letzten Produktionen.

Der Circus Pikard der Familie Schneller reist ausschließlich im Bundesland Niederösterreich, also um Wien herum. Seniorchefin Elisabeth Schneller ist erstmals nicht mehr am Geschäft, unterstützt das Unternehmen aber vom Winterquartier aus. Dort leben nun auch ihre Tochter Romana, deren Ehemann Balasz sowie ihre gemeinsamen Kinder Gloria, Ben und Aron. Romana ist besonders für ihre Antipodenspiele und ihre Taubenrevue bekannt, Balasz war bis 2018 der Clown bei Pikard, und Gloria machte als talentierte Nachwuchs-Luftakrobatin auf sich aufmerksam. Alexander Schnellers ältere Schwester Ilona ist weiter mit auf Tour, wirkt derzeit aber nur hinter den Kulissen. Fast schon wie ein Familienmitglied war in den vergangenen Saisons die Kontorsionistin und Sängerin Maria Gschwandtner dem Circus Pikard verbunden. Sie pausiert in dieser Saison, da ihre junge Familie ein Haus baut.

 
Front

So hat Direktor Alexander Schneller ein weitestgehend neues Ensemble zusammengestellt. Erhalten geblieben sind ihm Eddy Carello und dessen Partnerin Josy Casselly in der nunmehr vierten Saison sowie der junge Artist Monty Borcan, der 2019 erstmals dabei war. Neu engagiert wurde die deutsche Familie Lutzny („Circus Montana“) mit den Eltern René und Sabrina, den Töchtern Samanta (18) und Chantal (16) sowie den Söhnen Joel (14) und John (12). Hinzu kommen Nathalie Enoch-Fröchte, die ihr Pikard-Debüt feiert, und Clown Rumba, der nach sieben Jahren Unterbrechung zurück bei dem Unternehmen ist. In seinem bunten Kostüm und mit typischen Reprisen wie „Golfball“ und „Amor“ verkörpert er einen ganz traditionellen, familiengerechten Typ Spaßmacher. Neu sind nicht nur viele Artisten, neu sind auch die Planen von Vorzelt und Chapiteau. Die erneuerten Zeltanlagen strahlen schneeweiß in der Sommersonne über Laxenburg, drei nostalgische Zugmaschinen leuchten frisch lackiert in Feuerwehr-Rot in der Front. Ein herrliches Bild.

 
Monty Borcan, Nathalie Enoch-Fröchte, Sabrina Lutzny

Zum Warm-up fängt Eddy Carello Aplaus in einer Holzkiste ein; Joel Lutzny lässt seine Diabolos fliegen – cool umtanzt von seinen Geschwistern. Dann erst folgt das große Opening mit dem gesamten Ensemble, in dem natürlich Direktor Alexander Schneller im Mittelpunkt steht. Monty Borcan hat seine Nummer neu arrangiert und präsentiert sich nun als „Hermes, der Götterbote“ aus der griechischen Mythologie. Die starke Trickfolge mit Handständen, den selten zu erlebenden Kopfsprüngen und dem Kopfstand-Kreisel ist dagegen unverändert. Mit viel guter Laune und strahlendem Gesicht präsentiert Sabrina Lutzny einen kleinen Bauernhof mit Huhn, Kuh Paula, Ziegenbock, Esel und Enten. Nathalie Enoch-Fröchte lässt gekonnt die Hula Hoop-Reifen kreisen und fängt zehn von ihnen, die ihr zugeworfen werden.


Sabrina, Samanta und Chantal Lutzny
 

Für einen der schönsten Momente des Programms sorgen Sabrina Lutzny und ihre beiden Töchter mit einer dreifachen Luftnummer an weißen Tüchern. Mal wird bei Figuren hohe Beweglichkeit, mal bei Abfallern Mut bewiesen, von Ellie Gouldings „Love Me Like You Do“ stimmungsvoll untermalt. Dies ergibt in Summe ein großes, raumfüllendes, auch für das Stammpublikum vollkommen neues Bild unter dem Pikard-Chapiteau.

 
René Lutzny, Eddy Carello, Chantal Lutzny

In immer neuen Variationen präsentiert Eddy Carello sein Können bei Pikard. Heuer tritt er als Gentleman-Jongleur im Lotterie-Look auf. Auf seiner Weste prangen einige „Lottozahlen“, und Zahlen zeigen auch die Bälle, mit denen er jongliert. Als besonderen Clou wirft er sie gekonnt in das „Ziehungsgerät“, welches er auf seinem Kopf balanciert. Darin rollen sie durch eine Spirale, fallen unten wieder heraus und werden wieder ins Jongliermuster aufgenommen – eine wirklich originelle Idee. Bei einer Gentleman-Jonglage darf natürlich auch nicht die Arbeit mit drei Gegenständen – erst Hut, Zigarre und Handschuh, später drei Zylinder und abschließend drei Zigarrenkisten – fehlen. Schon Tradition hat bei Pikard die große Ensemble-Nummer, das aufwendige Schaubild vor der Pause. Nachdem dem Unternehmen nicht nur Romana Schneller, sondern auch ihre fantastischen Kostümkreationen derzeit nicht zur Verfügung stehen, ist das 2020 in etwas eingeschränktem Umfang der Fall. Dennoch macht das orientalische Bild viel Freude, das von Clown Rumba mit seinem „Kamel“ eröffnet wird. Die fünf Damen des Ensembles sowie Alexander Schneller mit Turban leiten mit ihrem Tanz die Kontorsionsnummer von Chantal Lutzny ein. Die Herren sind als kostümierte Figuranten im Hintergrund dabei. Als Feuerschlucker und -spucker sorgt René Lutzny für den effektvollen Abschluss.


Familie Lutzny, Nathalie Enoch-Fröchte

Nach der Pause geht es im Wilden Westen weiter: Josy Casselly präsentiert als Indianerin vier schwarze Ponys, unter anderem als kleine „Korbpferde“. Weiter in den Western-Saloon entführt die Familie Lutzny mit Lassospielen, Messerwerfen und Can Can tanzenden Girls. Klassisch und schnörkellos zeigt Nathalie Enoch-Fröchte ihr großes Können bei ihren Antipodenspielen mit vier Teppichen und fünf Basketbällen. Später lässt sie um den linken Fuß einen Hula Hoop-Reifen rotieren, während rechte Hand und rechter Fuß zwei Bälle bewegen. Zwei Reifen um die Füße kreisen lassen, drei Tennisbälle in Rückenlage mit den Händen jonglieren – während wir schon an einer dieser Aufgaben scheitern würden, schafft sie spielend beides gleichzeitig.


Eddy Carello,  Stefan Dvorak, Josy Casselly 

Eine großartige neue Jonglage-Nummer haben sich Alexander Schneller und Eddy Carello gemeinsam erarbeitet. Alexander Schneller beginnt klassisch mit Keulen, Eddy kommt dazu, beide geraten in einen Disput, und so werfen sie einander in ihren Passings nicht nur Keulen, sondern auch allerhand andere Gegenstände vom Teppich über den Vogelkäfig bis zum Besen zu. Ein herrlicher Spaß! An dieser Stelle im Programm würde nun eigentlich die Flaschenstuhl-Pyramide von Joel Lutzny folgen, doch bei dieser Vorstellung in der Ferienzeit hat der Circus Pikard Besuch von Nachwuchs-Artist Stefan Dvorak. Er hat sich eine starke Darbietung auf der Rola Rola selbst erarbeitet, bis hin zur Balance auf dem hohen Turm aus sechs liegenden und zwei stehenden Walzen. Mit ihrer temperamentvollen Arbeit am Schwungseil sorgt Josy Casselly in diesem Jahr für den Abschluss des Programms. „Auf die Plätze, fertig, Spaß“ ist das Motto dieser fröhlichen Show, und dazu passt das ausgelassene Finale zu 80er-Jahre-Disco-Hits, bei dem alle Mitwirkenden schrille Perücken tragen. Der Titel „Born to be alive“ liefert den passenden Kommentar in Zeiten der Corona-Pandemie, denn auch Pikard konnte erst mit dreimonatiger Verspätung und nur unter Auflagen in die Saison starten. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs sind maximal 250 Besucher erlaubt, so dass nur vorreservierte Tickets, aber keine Spontankäufe angeboten werden. Auch Desinfektionsmittel-Spender im Vorzelt und Verkaufspersonal hinter Gesichtsvisieren hat man im Circus vor dieser besonderen Saison noch nicht erlebt.

Der Circus Pikard 2020 ist ein anderer als in den Jahren zuvor. Nach wie vor wird eine durchgängige Show voller Schwung präsentiert. Jedoch ist sie nicht mehr ganz so aufwendig und detailreich in Szene gesetzt. Die Familie von Romana Schneller sowie die langjährige Hausartistin Maria Gschwandtner mit ihrer großartigen Ausstrahlung fehlen uns. Doch mit der Familie Lutzny und Nathalie Enoch-Fröchte wurden sympathische Akteure gewonnen, mit denen eine ganze Reihe völlig neuer – statt nur neu arrangierter – und auch durchaus starker Darbietungen zur Verfügung steht. Und so ist in diesem wunderbaren Circus im Jahr 2020 eben einfach vieles anders, aber nichts weniger unterhaltsam als in den Saisons davor.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll