Wiederum mehr als einen Monat später ist
die Familie Kaiser mit ihrem Ensemble in Wörgl (Tirol)
angekommen. Dort wurde auf einer Wiese in einem stark
frequentierten Gewerbegebiet mit vielen großen Einkaufsmärkten
aufgebaut. Der Circus gibt ein schmuckes Bild ab. Das weiße
Viermast-Chapiteau trägt rote Applikationen. Diese Farbgebung
spiegelt sich im Kassenhäuschen mit Leuchtschrift und im
Schriftzug am Eingangsportal wieder. Das Portal befindet sich in
der Mitte des metallenen Frontzauns mit Laternen. Einen schönen
farblichen Konstrat bilden die mit dem blau-gelben Logo bemalten
Wagen. Auch im Spielzelt überzeugt das Ambiente mit dem
Artisteneingang aus rotem Stoff. Links daneben hat der
Restaurationswagen seinen Platz gefunden. Umfangreich mit
LED-Scheinwerfern und Moving Heads bestückt ist die Lichtanlage,
wobei die Wirkung mit mehr Licht von vorne – statt vom
Artisteneingang her – noch gesteigert werden könnte. Hinter den
Logen steht ein modernes Gradin mit drei Reihen Klappsitzen und
drei Reihen Bänken mit Rückenlehnen zur Verfügung. Aufgrund der
Corona-Regeln dürfen zum Zeitpunkt unseres Besuchs nur 250
Besucher je Vorstellung empfangen werden und müssen zudem ihre
Kontaktdaten hinterlassen. Doch die Zahl der Interessentinnen
und Interessenten ist so hoch, dass an der Kasse viele Menschen
abgewiesen und auf die kommenden Tage vertröstet werden müssen.
  
Maria Bizzarro, Alex Kaiser,
Alicia Kaiser
Alex Kaiser begrüßt das Publikum in
Reimform und übernimmt auch gleich die erste Darbietung – eine
Doppelfreiheit Friesen. Die Tiere tragen klassische Puschel, der
Direktor ein schwarzes Livree mit goldenen Knopfleisten. Nach
den Lauffiguren zeigt jeweils ein Tier den Gang mit den
Vorderbeiden auf der Piste bzw. spanischen Tritt und Steiger.
Der Circus bietet aber nicht nur die Darbietungen der eigenen
Familie, sondern engagiert auch jedes Jahr Artisten hinzu. Für
den Spaß sorgt heuer der polnische Clown Bartolini, der
außerhalb der Manege auf den Namen Bartek Buklad hört. Mit
Feuereifer ist er bei der Sache, zum Beispiel bei seinem
Klatschspiel zum „Warm up“. Der artistische Part des Programms
wird durch die Pashenkos verstärkt – also Pasha Kolesnikov und
Vadym Kucherenko mit Strapaten sowie Hand-auf-Hand und ihre
Ehefrauen Maria Bizzarro (Säbelbalance) und Anna Kucherenko
(Pole). Maria Bizzarros Säbelbalance hat als Genre
Seltenheitswert und ist als konkrete Nummer geradezu ein
Klassiker. Sie überquert unter anderem eine Leiter, während sie
einen Säbel auf ihrer Stirn balanciert. „Spitze auf Spitze“
steht später das Schwert mit dem Feuerkelch auf dem Munddolch,
den die sympathische Artistin mit den Zähnen hält. Alicia Kaiser
lässt charmant die Hula-Hoop-Reifen um Körper, Arme und Beine
kreisen oder fängt diese, wenn ihr Vater Alex sie ihr zuwirft.
Anschließend darf die kleine Gastartistin "Isabella aus Kramsach"
zeigen, was sie mit den Hula-Hoop-Reifen bereits gelernt hat.
  
Maiwen
Kaiser, Alex Kaiser, Bartolini
Alicias Bruder Maiwen Kaiser kann
versiert mit jeweils fünf Bällen oder Ringen bzw. vier Keulen
oder Hüten jonglieren. Besonders interessant ist sein Trick, bei
dem er beim Jonglieren mit den Ringen eine lange Stange auf dem
Kopf balanciert. Dabei wirft er zwei Ringe an den Haken, der
weit oben an der Stange angebracht ist, sowie einen Fußball in
einen Korb am oberen Ende. Nicht nur die Latin-Musik heizt dabei
die Stimmung an, sondern auch Alex Kaiser, der seinen Sohn aus
dem Hintergrund kräftig anfeuert: „Vollgas! Gib alles! Jetzt
geht die Post ab“, ruft er ins Mikrofon. Kurz darauf – nach
Bartolinis Popcorn-Reprise – steht der Direktor dann wieder
selbst in der Manege, um die Kamele in einer kompakten
Dressurfolge vorzustellen. Er ist ein Sohn des verstorbenen
Circusdirektors Edmund Kaiser. Auf Clown und Tiere folgt beides
zusammen: Bartolini spielt einen Polizisten und mit seinem Hund
Max. Dieser springt natürlich erst dann wie gefordert durch den
großen Reifen, wenn sein Herrchen es nicht sieht. Und auch einen
Ärmel des Kostüms schnappt sich der scheinbar freche Vierbeiner,
so dass Bartolini mit nacktem Arm dasteht.
  
Duo Pashenko, Sharon Kaiser, Anna
Kucherenko
Für die eindrucksvolle Pausennummer sorgt
das Duo Pashenko, das an den Strapaten Mut und Muskelkraft,
Beweglichkeit und Balancevermögen demonstriert. Nach der Pause
kombiniert Anna Kucherenko in ihrem Poledance anspruchsvolle
Haltefiguren und gewagte Abfaller zu einer überzeugenden
Darbietung. Weniger ernst zu nehmen ist Bartolinis Versuch, sich
auch akrobatisch zu profilieren. Für seine Variante des
Schleuderbretts benötigt er die Unterstützung eines Zuschauers.
Dieser wird nicht nur mit einem Rock ausgestattet, sondern soll
auch die typischen Bewegungen osteuropäischer
Schleuderbrett-Artistinnen nachmachen. Der jüngste Kaiser-Spross
Sharon zeigt ein Groß und Klein mit jeweils einem gescheckten
Pferd und Pony. Verzichten müssen wir in der besuchten
Vorstellung leider auf die Jockey-Reiterei von Germen Kaiser,
der in geschäftlichen Angelegenheiten für den Circus unterwegs
ist.
  
Duo
Pashenko, Bartolini, Alicia Kaiser
Bartolini
präsentiert uns noch einmal seine Vielseitigkeit: Scheinbar
total überdreht holt er eine Dame und einen Herren zum
Mitmachtanz in die Manege; direkt im Anschluss zeigt er sich
jedoch von seiner romantischen Seite. An der Violine begleitet
er Alicia Kaiser. Die schwebt zum Titanic-Lovesong „My Heart
will go on“ am Luftring und lässt dabei Flitter aus der Kuppel
regnen. Zünftiger ist die Musik, die nach wirklich jeder
Darbietung der Vorstellung gespielt wird: der Zillertaler
Hochzeitsmarsch. Und das wirkt ein wenig kurios, wenn hierzu
„Maria Bizzarro aus Italien“ oder das „Duo Pashenko aus der
Ukraine“ ins Mikrofon gerufen wird und diese ihr Kompliment
zeigen. Dem Duo Pashenko ist mit seiner leistungsstarken
Hand-auf-Hand-Akrobatik natürlich auch die Schlussnummer
vorbehalten. |