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Circus Harlekin - Tour 2018
www.circusharlekin.ch ; 100 Showfotos

Steffisburg, 16. März 2018: „25 Jahre sind genug...“ ist eine Seite der aktuellen Programm-Illustrierte überschrieben. Ein Vierteljahrhundert führen Monika Aegerter und Pedro Pichler nun ihren Circus Harlekin. In dieser Zeit waren sie auch immer in der Manege präsent. Insbesondere ihre Auftritte als Clowns waren ein Markenzeichen der jährlich wechselnden Shows. Als Les Nicas schenkten sie ihrem Publikum viel Freude. 2018 nun erleben wir die beiden Direktoren nicht mehr in dieser Rolle. Aber sie treten auch in der Produktion 2018 unter dem Titel „Herreinspaziert...“ ins Scheinwerferlicht.

Gemeinsamen singen sie beim Finale und verabschieden ihre Gäste. Monika Aegerter ist die gesamte Vorstellung über präsent. Sie übernimmt die Begrüßung und unterstützt die Requisiteure. In einer Umbaupause geht sie mit Clown Lügg durch das Publikum und singt mit einzelnen Zuschauern ein Lied.


Hector, Pierrot, Lügg

Mit „Eigengewächs“ Lügg ist für Kontinuität im für Harlekin so wichtigen Bereich der Clownerie gesorgt. Gemeinsam mit Hector und Pierrot Rossi bringt er das Publikum zum Lachen. Der August des bekannten Duos Les Rossyann und sein Sohn sind prägende Gesichter des Programms. Sie begrüßen uns und gestalten den Epilog nach dem Finale. Auch in der Schweiz beweisen sie ihre große Musikalität. Noch stärker als bei ihren bisherigen Engagements - etwa bei Knie, Krone und Roncalli – dürfen sie ihre komische Seite zeigen. Die meisten ihrer Reprisen sind dann aber letztendlich doch mit Musik verbunden. So entwickelt sich eine Baustellenbegehung zu einem Konzert mit Akkordeon und Alphorn. Letzteres wird aus einem ausziehbaren Rohr und einem Straßenhütchen gebildet. In den großen Auftritt mit Trompete, Posaune, dem musikalischen Jackett und weiteren Instrumenten bauen sie kleine Zaubertricks ein. Sehr berührend ist ihr Spiel auf Akkordeon und singender Säge, nachdem die Artisten die Manege verlassen haben. Das Publikum aber bleibt und genießt diesen letzten Abschied. Erst nachdem Hector und Pierrot durch den Vorhang verschwunden sind, gehen die Zuschauer aus dem Chapiteau. Draußen können sie den Spalier stehenden Mitwirkenden noch einmal persönlich Adieu sagen. Lügg und Pierrot verbünden sich, um Hector einen Streich zu spielen. Beim Trompetenduett von Hector und Lügg sorgt Pierrot mit einer Schnur dafür, dass Hector auf dem Hosenboden landet. Sein Solo gibt Lügg im zweiten Teil. Mit Hilfe von zwei Zuschauern zeigt er seine eigene Variante des Portraitmalers, bei der ein Paar kunstvoll in Pose gebracht wird.


Susanne Mani

Lügg, alias Lukas Böss, ist auch in der Organisation des Circus Harlekin eine wichtige Stütze. Er übernimmt insbesondere die Rolle des Platzchefs. Ein solches „Doppelleben“ führt ebenfalls Susanne Mani. Sie ist für Vorreise und Administration verantwortlich. Zudem erleben wir sind mit einer neuen Dressurkreation in der Show. Diese beginnt mit einer Freiheit von jeweils zwei Kühen und Ponys. Es sind wieder einige Kabinettstückchen dabei wie das Gegenlaufen von Kühen und Ponys. Es folgt eine Ziege, die auf einem Esel voltigiert. Richtig knuffig sind die beiden gescheckten Ferkel, mit denen Susanne Mani ihre Revue mit Tieren vom Bauernhof beendet. Einen Sechserzug Friesen vom schwedischen Cirkus Olympia präsentiert Nicole Pichler. Die variantenreiche Freiheitsdressur läuft flüssig ab. Als Clou tragen die Pferde beleuchtetes Zaumzeug, welches natürlich für einen besonderen Effekt sorgt. Die Tochter von Pedro Pichler organisiert darüber hinaus die Kinderwochen.


Yosvany Pena Rodriguez, Saraina Imholz, Marc Dorffner

Die Artisten hingegen sind allesamt engagiert und - mit Ausnahme von Alina Malko - in diesem Jahr erstmalig bei Harlekin zu sehen. Yosvany Pena Rodriguez bestreitet mit seiner Akrobatik auf dem Sprungseil die Schlussnummer. Der Kubaner mit französischem Pass bringt die Lebensfreude seiner lateinamerikanischen Heimat in die Schweiz. Mit viel Temperament zeigt er die verschiedensten Tricks auf dem federnden Seil. Höhepunkt ist der doppelte Rückwärtssalto. Mit seiner Darbietung an den Strapaten gehört Yosvany Pena Rodriguez auch der artistische Auftakt. Ganz in weiß gekleidet fliegt er durch die Luft und erlaubt dank des geöffneten Hemds neidische Blicke auf seinen bestens trainierten Oberkörper. Dass die Muskeln aber nicht nur der Optik dienen, beweist er bei kraftraubenden Kunststücken, wie den zahlreichen Umschwüngen. Der nächste akrobatische Auftritt findet ebenfalls hoch unter der Kuppel statt. Wieder ist das Kostüm in weiß gehalten. Das war es dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn Seraina Imholz hat sich als Requisit das Trapez ausgesucht. Daran arbeitet sie eine traumhafte Kür, die großes Können beweist. Anspruchsvolle Tricks sehen bei diesem „Engel der Lüfte“ ganz einfach aus. Stellvertretend sei hier der Wirbel im Nackenhang genannt, den sie an einer an der Trapezstange befestigten Schlaufe zelebriert. Ausgebildet wurde die Schweizerin an der Berliner Artistenschule. Dort lernte sie ihren Partner Marc Dorffner kennen. Dieser begleitet sie auf dem Saxophon mit dem Lied „Angel“ von der Kelly Family. Seinen großen Soloauftritt hat Dorffner mit seinen rasanten Jonglagen, die er auf dem Boden startet und auf der freistehenden Leiter fortführt. Der Sonnyboy im Outfit eines Hotelpagen drückt ordentlich aufs Tempo. Das Publikum geht begeistert mit, wenn er zunächst mit bis zu fünf Keulen jongliert. Auf der Leiter sind erst Reifen sein Requisit, dann erneut Keulen. Zum Finale balanciert er eine Diskokugel auf einem Stab auf der Stirn, jongliert mit Reifen und hält sich „nebenbei“ noch auf der Leiter im Gleichgewicht. Nach dieser starken Nummer ist folgerichtig Pause, die von Lügg und den Requisiteuren mit Besen angekündigt wird. Im zweiten Teil erleben wir das schweizer-deutsche Paar im Duo. Ganz neu ist ihre Todesradnummer, die sie im Steam Punk-Stil präsentieren. Das Rad hat nur einen Korb. Was aber nicht heißt, dass die beiden nicht gemeinsam daran arbeiten. So laufen sie etwa gemeinsam im Inneren des Kessels. Die Touren darauf läuft Marc alleine. Dabei muss er aufgrund der Zelthöhe am obersten Punkt den Kopf einziehen.


Skating Lesters, Alina Malko

Mit Trommel und Violine eröffnen die Skating Lesters ihren Auftritt. Danach beginnt ihr, wie es das Programmheft ausdrückt, „Rollkommando im Riverdance-Rhythmus“. Jessica Lester und Sam Pellegrom, beide Anfang 20, haben sich vor drei Jahren in einem niederländischen Circus kennengelernt und sich gemeinsam eine flotte Rollschuhnummer aufgebaut. Viele bekannte Tricks des Genres werden von ihnen sympathisch präsentiert. So etwa die Touren, bei denen Sam seine Partnerin an den Füßen hält und ihr Kopf immer wieder bedrohlich nah an die runde Plattform herankommt. Jessica zeigt zu Beginn des zweiten Teils zudem eine kurze Hula Hoop-Darbietung. Dabei macht die Tochter von Clown Titto Lester im roten Kleid eine gute Figur. Ein an zwei Seilen aufgehängter Metallstuhl ist das außergewöhnliche Requisit für die Luftnummer von Alina Malko. Die Weißrussin nutzt es originell auf verschiedene Weise. Etwa mit einem Handstand auf der Lehne oder einem Zehenhang an einer Strebe zwischen den Stuhlbeinen. Immer serviert mit einem sympathischen Lächeln. Gemeinsam mit Seraina Imholz, Jessica Lester und einer Mitarbeiterin des Circus bildet Alina Malko das Harlekin-Ballett. Sie lockern die Spielfolge auf und sorgen für eine charmante Aufwertung der Show. Das Quartett hat seine Einsätze im Opening und vor der Sprungseil-Darbietung. Den ganzen Abend über präsent ist das prominent im Artisteneingang platzierte Circusorchester. Die sechs Musiker aus der Ukraine begleiten das Geschehen in der Manege schwungvoll und werten es enorm auf. Es macht einfach Spaß, ihnen zuzuhören. Ein besonderer Ohrenschmaus ist das Medley bekannter Circusstücke zu Beginn des zweiten Teils.

Das zweieinhalbstündige Programm ist eine einzige Freude. Einmal mehr funktioniert die Mischung aus familiärem Circus mit internationalen Artisten grandios. Es passt alles wunderbar zusammen. Insbesondere der erste Teil der Show kommt wie aus einem Guss daher. Wir wurden bestens unterhalten. Damit bleibt sich der Circus Harlekin auch im 26. Jahr treu. Und das Stammpublikum seinem Circus Harlekin. Wir können es nur allzu gut nachvollziehen.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch