Dies ist der neue Trend bei führenden
Reisebetrieben. Flic Flac, der Schweizer National-Circus Knie
und der Circus Monti nutzen außen liegende Bögen, um dem Publikum eine ungestörte Rundum-Sicht auf das Geschehen zu bieten. Arlette Gruss
verwendet nun - wie Sarrasani seit vielen Jahren - eine
gewaltige Pyramide, in die das Zelt eingehängt wird. Die
Metallkonstruktion ist 22 Meter hoch, das neue Zelt hat
beachtliche 42 Meter Durchmesser. Das verbindet „La Cathédrale“ und „Le Privilège“: Es ist ein Wagnis, mit einem
derart arbeits- und materialintensiven Zeltpalast auf Reisen zu
gehen.

Von "La Cathédrale"
bleibt die Erinnerung auf der Videowand
„Osez le Cirque“ – den Circus wagen – ist
nicht ohne Bezug auf diese Umstellung das Motto des aktuellen
Programms. Und Gilbert Gruss bringt auch weiterhin den Mut auf,
mit einer vollständigen Menagerie zu reisen. Raubtiere,
Elefanten und Pferde sind feste Bestandteile der Show. Wie gut
es den Vierbeinern geht, zeigt ein Video, das in den letzten 15
Minuten vor Vorstellungsbeginn auf eine Leinwand um die Manege
projiziert wird. Es enthält bewegte Bilder aus dem Quartier des
Unternehmens, dem fahrenden Zoo und der Show. Gegenübergestellt
werden Fakten zur Zerstörung der natürlichen Lebensräume und dem
damit verbundenen Rückgang der Tierbestände in der so genannten
Freiheit. Als die Leinwand sich senkt, ist die Manege gefüllt
mit dem Ensemble. In Kostümen von barocker Pracht, leuchtender
Farbigkeit und edler Modernität präsentieren sich die
Akteurinnen und Akteure. Sie laden dazu ein, sich auf dieses
Circus-Wagnis einzulassen. Auf ein Programm, das neben dem
Abschied von der „Cathédrale“ auch einige Premieren zu bieten
hat.
  
Alexis und Eros
Gruss, Ramon Kathriner, Julia Friedrich und Kevin Gruss
Eine davon ist das Manegendebüt zweier Gruss-Sprösslinge. Der zwölfjährige Direktionssohn Eros
und seine achtjährige Schwester Alexis als Fliegerin haben unter
der Anleitung von John Vernuccio-Togni eine wirklich
respektable Ikarier-Nummer einstudiert. Sie ist ebenso Teil des
ausgedehnten Eröffnungsblocks wie die Arbeit von Ramon Kathriner
und Andrii Prymak an den schwankenden Masten. Dabei tauschen sie
in luftiger Höhe sogar die Plätze. Kevin Gruss und seine Ehefrau
Julia Friedrich steuern eine akrobatische Luftnummer am
Kronleuchter zum Opening bei. Sie wird in effektvolles
Laserlicht getaucht. Erst dann begrüßt Kevin Sagau das Publikum
und nimmt Bezug auf die 250-jährige Geschichte des modernen
Circus, die wir 2018 feiern.
 
John
Vernuccio-Togni, Laura-Maria Gruss
Glamourös verkauft wird der Auftritt der
vier asiatischen Elefanten, die wiederum von John Vernuccio-Togni präsentiert werden. Eines der Tiere trägt auf
einem Gestell im Maul zwei Figuranten, hinzu gesellen sich vier
Tänzerinnen. Die Trickfolge wird Jahr für Jahr leicht variiert
und reicht bis zum Big Mount. Längst nicht mit einem Auftritt
zufrieden bei ihrem Debüt gibt sich Alexis Gruss. Zusammen mit
Hausartist Sergiy Baryshnikov hat sie eine Partnerakrobatik
einstudiert. Das ungleiche Duo von Kind und Erwachsenem wird
zunächst von vier coolen Tänzern umringt und durch einen
beweglichen Scheinwerferkranz über ihren Köpfen ins rechte Licht
gerückt. Alexis Gruss ist es auch, die im Dialog mit Kevin Sagau
den Auftritt von Mutter und Schwester ankündigt. Zunächst stellt
Linda Gruss vier Friesen vor. Bald darauf übernimmt Laura-Maria
Gruss und erweitert die Tiergruppe um vier
Schimmel zum großen Achterzug. Ruhig, charmant und reif wird
dieser von der 21-jährigen Tierlehrerin angeleitet. Auch
ein vierfacher Steiger ist Teil der Vorführung. Die kleine
Alexis beschließt die Pferdenummer der Gruss-Damen mit einem
Pony-Steiger.
  
Extreme Light, Carlos Ugalde,
Sarah Houcke
Auf die equestrische Tradition folgt
Innovation, das nächste Wagnis Circus. Die achtköpfige Truppe
„Extreme Light“ zeigt einen Tanz in der Dunkelheit. Dank der
LED-Lichter an ihren schwarzen Kostümen können die Männer und
Frauen aus der Ukraine nach Belieben aus dem Nichts erscheinen,
Bilder aus Licht kreieren und wieder verschwinden. Es handelt
sich mitnichten um eine flugs einstudierte Füllnummer einer
Haustruppe, sondern um ein ausgeklügeltes, modernes Spektakel,
das erstklassige Technik und professionellen Tanz verbindet.
Ganz groß verkauft wird natürlich der Flug der menschlichen
Kanonenkugel vor der Pause. Er endet für Carlos Ugalde planmäßig
in einem Netz über den Köpfen der Logengäste. Die Großkatzen bei
Arlette Gruss kommen auch in dieser Saison aus dem Bestand von
Martin Lacey junior. Sarah Houcke eröffnet damit den zweiten
Programmteil und formt die fünf Tiger zur Pyramide, lässt sie
springen oder drei von ihnen abrollen. Die schöne, elegante Frau
im Raubtierkäfig – ein faszinierendes Bild.
  
Kevin Gruss, Alex Hurtado,
Mathieu
Der Käfig bleibt stehen, wenn Clown
Mathieu darin zwei weitere „Raubtiere“ bändigt. Und zwar in Form
von Drohnen, die er unter anderem durch einen Reifen „springen“
lässt. Wie schon häufiger ist Mathieu für die Komik bei Arlette
Gruss verantwortlich. Wieder hat er neue Reprisen und Entrees im
Gepäck. Unter anderem versucht er sich mit einem kleinen
Zuschauer als Kunstschütze und dreht mit großen einen Film.
Drohnen sahen wir bis Saisonbeginn noch gar nicht im Circus. In
dieser Saison erleben wir sie gleich bei zwei Unternehmen, und
das auf völlig verschiedene Weise: Im Schweizer National-Circus
formieren sich 32 Mikro-Drohnen zu Bildern aus Licht. Das ist die
elegant und edel in Szene gesetzte Variante. Arlette Gruss legt
den Fokus dagegen auf Coolness. Und so gibt Alexandro Hurtado
einen modernen Kämpfer im „Matrix“-Look. Den Herrn der
Flugkörper, der sie mit Gesten zu Drehungen und Wendungen nach
seinem Willen zwingt.
  
Guilaume, Aurelien
Vaillant und Mathieu, Alejandro Vanegas
Ein ästhetisches Glanzlicht der Produktion
ist die neue Luftnummer von Kevin Gruss. An Bungee-Strapaten
zeigt er weite Flüge durch den großen Raum des Chapiteaus. Weiß
sind die Kostüme des Akrobaten und die der Tänzerinnen, die ihn
umringen. Ganz in schwarz gibt Linda Biasini-Gruss die (Playback)-Sängerin,
die ihn zu eindringlicher Musik begleitet. Blau sind die
Laserstrahlen, die den Hightech-Showtempel des Cirque Arlette
Gruss ausfüllen. In diesem Haus weiß man sehr genau, wie Wirkung
und eindrucksvolle Bilder erzeugt werden. Der artistische
Höhepunkt der Vorstellung ist das Todesrad der Vanegas, der
führenden Vertreter dieses beliebten Genres. Hier kommt endlich
richtig Stimmung auf, das Publikum pfeift, jubelt, applaudiert
frenetisch. Angesichts der zwei Salti auf der Außenseite des
rotierenden Rades, federleicht gedreht und hoch hinaus
gesprungen von Alejandro Vanegas, sind die Reaktionen nur zu
verständlich. Das Duo ist eine sichere Bank für jede Show.
Speziell für Arlette Gruss zusammengestellt wurde dagegen die
Schlussnummer. Motorrad-Freefighter gehören hier seit einigen
Jahren zu den Top-Favoriten des Publikums und fehlen auch heuer
nicht. Das neue Wagnis Circus ist diesmal, dass einer der Biker,
Guilaume, auf einem 200 Kilogramm schweren Quad durchs Chapiteau
fliegt und nach halsbrecherischen Manövern wieder landet.
Aurelien Vaillant beweist auf seinem Trial dagegen Können am
Boden. Springt auf dem Bike über Kevin Sagau und umrundet ihn
haarscharf. Und fährt über das Dach eines Autos. Drin sitzen
Sagau und Kevin und versuchen auf witzige Weise, dieser
Situation zu entkommen. Ausgiebig und festlich zelebriert wird
natürlich das Finale, bei dem das gesamte Ensemble in
einheitlichen Kostümen erscheint. |