„Kuuuhl...“
lautet das aktuelle Programm-Motto. Dieses kann man gleich mehrfach
deuten. Harlekin reist viel in ländlichen Gebieten, die dortige
Bevölkerung gehört zu den treuen Fans. Zwei Kühe sind Teil der
Dressurnummer mit Bauernhoftieren. Und natürlich ist der Circus
Harlekin auch „cool“ mit Doppel-O. Wobei „cool“ hier sehr weit
gefächert ist.
Pedro (Peter Pichler), Madama Nica (Monika Aergerter), Lügg (Lukas Böss)
Das
fängt bereits bei der lässigen, originellen Begrüßung an. Die
Direktoren Peter Pichler und Monika Aegerter, alias Pedro und Madame
Nica, stehen in der Manege und rufen ihre Artisten an. Die melden sich
aus dem Zuschauerraum und teilen mit, dass sie gerade im Circus
Harlekin seien und es ihnen dort gefalle. Zu einem Song über Handys
kommen sie in die Manege, wo es eine ausgelassene
Begrüßungs-Choreographie gibt. Die beiden Direktoren erleben wir zudem
im großen Clownsentree, denn Humor ist bei Harlekin Chefsache.
Gemeinsam mit Lukas Böss, alias Clown Lügg, spielen Les Nicas eine
herrliche Restaurantszene. Die Dame will einen netten Abend erleben.
Kellner und Koch geben sich zwar redlich Mühe, aber es will einfach
nicht so gelingen, wie sie sich das vorstellen. Natürlich ist eine
Schwingtür im Einsatz, fliegen die Spaghetti, und es wird reichlich mit
Wasser gespritzt. Ein wunderbarer Spaß nach bekanntem Muster, aber
eigenständig umgesetzt. Sogar eine Großillusion ist integriert. Hinzu
kommt die ein oder andere durchaus deftige Note. Noch einmal erleben
wir das Trio. Dann in einer Szene um die kleptomanisch veranlagte
Schlafwandlerin. Madame Nica und Lügg lassen zudem auf dem Gradin ein
Taschentuch von einem zum anderen wandern.
Frank Bogino, Tito Medina
Damit
nicht genug an Manegenkomik. Im zweiten Jahr dabei ist Frank Bogino.
Zunächst nimmt er den Kampf mit einem recht labilen Fahrrad auf, dass
immer wieder Teile verliert. Beim erneuten Zusammenbauen verletzt er
sich an den unterschiedlichsten Körperteilen. Eine Dame aus dem
Publikum darf den Italiener mit Las Vegas-Erfahrung beim
Heilungsprozess unterstützen. Er verabschiedet sich mit einem Lied, das
er auf zwei Trompeten gleichzeitig spielt. Seinen großen Auftritt hat
Bogino nach der Pause, wenn wir ihn als Bauchredner erleben dürfen.
Zunächst leiht er Tina Turner und Elvis Presley seine Stimme. Neu für
mich ist die Technik, wie er einen Zuschauer zum Sprechen bringt. Der
Gast bekommt eine zweite untere Gesichtshälfte aus Gummi. Darüber kann Bogino die Lippen seines Partners mit einer Mechanik quasi
fernbedienen. Das ist sicher sehr effektiv und lustig, erinnert aber
zumindest mich ein wenig an Frankensteins Gruselkabinett. In jedem Fall
aber beweist Frank Bogino seine unbestrittenen Fähigkeiten als
Bauchredner. Tito Medina ist es zu verdanken, dass Harlekin den wohl
einzigen Circuselefanten der Schweiz im Programm hat. Folgerichtig
bildet er die Pausennummer. Wenngleich dieser Dickhäuter eine eher
dünne Haut hat, erwächst er nach dem Aufblasen zu stattlicher Größe. Um
Luftballons geht es ebenfalls in Medinas nächstem Auftritt. Zunächst
verschenkt er diese an eine Zuschauerin, dann kämpft er selber mit
einem überlebensgroßen Exemplar. Letztendlich steckt sein ganzer Körper
darin, nur noch der Kopf schaut heraus. Ein lebhaftes Spiel, zu dem
Jodelmusik läuft. Für die eigene musikalische Begleitung sorgt Tito
Medina, wenn er Kopfstand auf einer Puppe macht. Denn dann spielt er
kopfüber Trompete.
Nanou, Duo Rapolli, Suellen Sforzi
Mit
von der Partie ist auch Medinas Partnerin Nanou. Die Französin ist eine
hervorragende Equilibristin. Zu wunderbarer Gitarrenbegleitung arbeitet
sie ruhig ihre Kür. Äußerst sympathisch zeigt sie variantenreich
Handstände. Dabei geht es durchaus hoch hinaus. Die dynamischen
Partnerjonglagen des Duo Rapolli konnten wir unter anderem schon beim
Circus Louis Knie junior erleben. Gekonnt werfen sich Helena und
Antonin ihre Keulen zu. Damit jonglieren die beiden sogar noch, wenn
Helena auf dem Kopf ihres Partner steht. Zudem arbeitet Antonin im Solo
rasante Touren mit Fußbällen. In einer weiteren Nummer steckt Helena
ihren Körper in ein pinkes Röhrenkostüm und beweist darin als „Human
Slinky“ ihre Beweglichkeit. Ebenfalls zwei Auftritte haben Nyame Ye.
Die drei Jungs aus Ghana bringen die Lebensfreude des afrikanischen
Kontinents in die Schweiz. Zunächst heizen sie mit ihren Feuerspielen
ordentlich ein. Selbst ein „heißer“ Limbotanz unter einer brennenden
Stange hindurch gehört dazu. Mit Sprüngen und Pyramiden reißen sie das
Publikum direkt vor dem Finale ein zweites Mal mit. Was wie ein
ausgelassenes Spiel aussieht, erfordert natürlich artistisches Können.
Damit beeindruckt einmal mehr Suellen Sforzi. In den letzten beiden
Jahren haben wir die gelenkige Italienerin bei Herman Renz und Pinder
erlebt. Jetzt verbiegt sie ihren Körper in der Schweiz. Das macht sie
so charmant, dass man gar nicht darüber nachdenken mag, welche Knochen
die Übungen eigentlich unmöglich machen sollten. Ihre Kunststücke aus
der Kontorsion kombiniert sie mit Handständen. So etwa beim
Schlusstrick, wenn sie mit Pfeil und Bogen einen Luftballon zerschießt.
Den Bogen bedient sie mit den Füßen, während sie ihren Körper auf den
Händen im Gleichgewicht hält.
Helena Rapolli, Nicole Pichler, Susanne Mani
Damit
sind wir bei den Tierdressuren. Hier erleben wir noch einmal Helena
Rapolli. Mit ihrem Parson Russel Terrier Jaky präsentiert sie eine
vertraute Zusammenarbeit. So beweist sie, dass auch mit nur einem Hund
eine ansprechende Darbietung möglich ist. Erst recht dann, wenn der
Vierbeiner so gelehrig ist. Vom schwedischen Cirkus Olympia kommt der
Sechserzug Friesen. Dieser läuft am Premierenabend noch etwas zu
schnell. Obwohl sie die Tiere gerade erst übernommen hat, hat Nicole
Pichler alles bestens im Griff. Selbst bei hoher Geschwindigkeit zeigen
die Pferde ein trickreiches Programm. Wenn sich Vorführerin und Friesen
noch besser aufeinander abgestimmt haben, wird diese schöne Freiheit
ihre ganze Wirkung entfalten. Ziegen, Kühe und Ponys hören auf das
Kommando von Susanne (Mani). Die Ziegen demonstrieren ihre
Balancierkünste, je zwei Kühe und Ponys erfreuen mit einer
abwechslungsreichen Laufarbeit, Karussell inklusive. Die Rinder
beherrschen sogar das Kompliment. Bemerkenswert, wie Susanne hier jedes
Jahr neue Darbietungen dressiert. Zumal sie noch andere Aufgaben beim
Circus Harlekin wahrnimmt. Begleitet wird das Programm von der
sechsköpfigen Harlekin-Band, die in der Mitte des Artisteneingangs
sitzt. Sie spielt natürlich auch beim Finale, in dem sich alle
Artisten herzlich vom Publikum verabschieden und die beiden Direktoren
noch einmal als Sänger zu hören sind. |