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Ungarischer Nationalcircus - Tour 2015
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Budapest, 15. März 2015: Im vergangenen Jahr konnte die Familie Richter das 20-jährige Bestehen ihres Ungarischen Nationalcircus feiern. Diesem Anlass würdig, wurden die Cassellys mit ihren preisgekrönten Tierdarbietungen als Höhepunkt des Programms engagiert. In diesem Jahr ist die deutsche Circus-Familie zurück, denn aus der geschäftlichen Verbindung ist inzwischen eine private geworden: Im letzten September verlobten sich Joszef Richter jr. und Merrylu Casselly in der Manege. Beide stehen denn auch im Mittelpunkt des neuen Programms. Gerade vor der Pause sind sie die zentralen Akteure.

Gleich drei Darbietungen präsentiert das junge Paar hier gemeinsam. Der erste Programmteil wurde in diesem Jahr erstmals durchgehend thematisch gestaltet. „Afrika Afrika“ lautet das Motiv. Alle Nummern sind dazu passend ausgewählt bzw. inszeniert worden. Dies zeigt sich natürlich vor allem in der Wahl der Kostüme und der Musik. Artisteneingang und Orchesterbühne sind mit Pflanzen dekoriert, zwei Flammenwerfer sorgen für Effekte, und die Requisiteure tragen Ranger-Outfits. Die Lichtanlage taucht die Manege in stimmungsvolle Farbspiele.

 
Sängerin, Kenia Troupe, Joszef Richter jr. und Merrylu Casselly 

Die Musik rundet den Gesamteindruck ab. Neun Instrumentalisten, darunter eine Geigerin und zwei Perkussionisten, sowie eine gute Sängerin musizieren druckvoll und durchgehend live. Melodien aus „Tarzan“ oder „Dschungelbuch“, aber auch moderne Stücke wie „Waka Waka“ oder „Danza Kuduro“ sind zu hören. Mit einem musikalischen Auftakt beginnt denn auch das Programm, bevor fünf Tänzerinnen – die weiblichen Ensemblemitglieder – den Weg für die Kenia Troupe bereiten. In ihrem ersten Auftritt bauen die fünf Männer und zwei Frauen verschiedene Menschen-Pyramiden und demonstrieren ihre Limbo-Fähigkeiten. Clown Jason Caveagna dressiert daraufhin einen Stofflöwen, ehe sich die erste gemeinsame Darbietung von Merrylu Casselly und Joszef Richter jr. ankündigt. Zu Phil Collins’ „You'll be in my heart“ demonstrieren beide ihre Vertrautheit in einem wunderbaren Pas de Deux zu Pferd. Es gibt kontorsionistische Figuren von Merrylu Casselly, vor allem aber begeistern die Sequenzen, in denen Joszef Richter jr. seine Partnerin in Rock’n’Roll-Tanz-Manier um den eigenen Körper wirbelt. Zum Schluss steht Merrylu Casselly im Zwei-Personen-Hoch auf seinem Kopf. Diese Darbietung wird beim kommenden Weltweihnachtscircus in Stuttgart zu sehen sein.

 
Jason Caveagna, Merrylu Casselly, Familie Casselly 

Mit der „Gorilla-Jagd“ des sympathisch auftretenden Clown Jason Caveagna geht es weiter. Die Elefanten-Darbietung der Familie Casselly sieht in diesem Jahr Rene jr. alleine im Vordergrund. Die bekannte „Mowgli“-Inszenierung passt natürlich hervorragend zum Programm-Motiv. Auch die Schleuderbrett-Sprünge fehlen nicht. Im Anschluss übernimmt Schwester Merrylu, natürlich zusammen mit Joszef Richter jr. Während er unten in der Manege zu Kerzenlicht und in funkelnder Weste einen Friesen zu den unterschiedlichen Elementen der Hohen Schule anleitet, schwebt sie über ihm an Tüchern durch die Luft. Effektvolle Abfaller sorgen für den Schuss an Nervenkitzel. Jason Caveagna entert mit einem kleinen Auto die Manege; ihm entsteigen die Mitglieder der Kenia Troupe. Eine nette Variante einer alten Idee. Mit Reifen- und Seilsprüngen zeigen die stets gut gelaunten Afrikaner ihre akrobatische Vielseitigkeit. 


Rene und Merrylu Casselly, Joszef Richter jr. 

Es folgt, worauf man seit einer verheißungsvollen Anzeige in der vergangenen Dezember-Ausgabe der Circus-Zeitung mit Spannung gewartet hat: die „exotische Post“. Unterstützt von Rene Casselly in der Manegenmitte, reitet zunächst Merrylu Casselly auf einem Andalusier in die Manege, ihr folgt Joszef Richter jr. auf dem Rücken zweier Elefanten stehend. Reiterin und Pferd drehen variantenreich einige Runden zwischen den Dickhäutern hindurch, dann gibt es einen ersten „fliegenden“ Wechsel. Merrylu Casselly übernimmt die Post, Joszef Richter jr. dirigiert nun vom Pferd aus jene Tiere, welche die Vorhut bilden: zunächst zwei Kamele, dann zwei Andalusier und nochmals zwei Kamele. Wieder ein „fliegender Wechsel“: Merrylu Casselly ist wieder im Sattel, zeigt den Gegenlauf zur Post und klettert anschließend zurück auf die Elefanten, um mit ihrem Partner ein Zwei-Personen-Hoch zu bilden. Dann ändern die Tiere ihre Formationen. Kamele, Pferde und Elefanten bilden je einen Fächer, um sich abschließend in der Manege zu versammeln. Nun wird die Post zwischenzeitlich zum Tableau. In der Manege verbleiben zwei Kamele, die abliegen und von drei Lamas übersprungen werden. Vier ganz junge Zebras drehen ihre ersten Runde, beherrschen aber ebenfalls schon den Fächer und nehmen Futter aus der Hand auf. Dann betreten zwei Giraffen die Manege: „Zambesi“ hat mit „Bobo“ einen Artgenossen hinzubekommen. Hinter den Kulissen steht den beiden ein 15 Meter langer und sechs Meter hoher, komplett neuer Wagen zur Verfügung. In der Manege bewegen sich die beiden Langhälse völlig unaufgeregt zusammen mit Pony „Pluto“, nehmen Futter von Joszef Richter jr. und Merrylu Casselly entgegen. Dann der spannendste Moment: Joszef Richter jr. kommt auf dem Rücken zweier Elefanten in die Manege, bereitet die Post vor… und tatsächlich, man mag den Augen kaum trauen: die Giraffen laufen ohne Zögern unter ihrem menschlichen Vertrauten und zwischen den beiden Elefanten hindurch. Das ganze wiederholt sich mehrmals. „Zambesi“ würde auch schon durchgehen, wenn auch die Elefanten in Bewegung sind, doch Neuzugang „Bobo“ müsse dies noch lernen, schildert Joszef Richter jr. im Gespräch den nächsten Schritt. Doch auch die jetzige Version ist schon so spektakulär, so einzigartig in der Circusgeschichte, dass es schwer fällt, die richtigen Worte zu finden. Mit dieser „Jahrhundert-Darbietung“ haben sich die Cassellys, nunmehr gemeinsam mit Joszef Richter jr., einmal mehr übertroffen! Danke, dass ich das erleben durfte!


Giordano Caveagna, Lenke Morton und Vanessa Molina Navas, Rene Casselly jun. 

Mit einem kleinen Final-Umzug endet der erste Teil. Nach der Pause gibt es dann ein klassisches, flott ablaufendes Nummern-Programm. Den Anfang macht der italienische Tierlehrer Giordano Caveagna mit seinen acht Tigern. Er ist der Gentleman im Frack und animiert seine Tiere die meiste Zeit nur mit Stimme und Handbewegungen. Pyramide, diverse Sprünge, ein auf den Hinterbeinen laufender Tiger und die hautnahe Fütterung sind beispielsweise zu sehen. Lenke Morton und Vanessa Molina Navas demonstrieren an einer Gitterkugel unter der Kuppel kontorsionistische Fähigkeiten. Mit der Präsentation von Ponys verbindet man nicht wirklich die Erwartung einer Sensation. Ganz anders das, was die Familie Casselly hier präsentiert. Ihre Interpretation dieser Darbietungen ist ohne Frage eine der kreativsten und trickstärksten ihrer Art. „Gipsy Fantasy“ ist der Auftritt überschrieben. Rene Casselly jr. steuert einen Zigeunerwagen durch die Manege, aus dem die sechs Ponys entsteigen. Diese beherrschen ein umfangreiches Repertoire, laufen im Fächer, springen durch Reifen und agieren auf der Wippe. Es gibt einen Hochsitzer, natürlich Steiger, gar eine Kapriole und zum Schluss ein reitendes Ponys, das seine Runde auf dem Rücken zweier Artgenossen dreht. Unglaublich, die Cassellys schaffen es sogar aus einer Pony-Präsentation ein Highlight zu machen!


Merrylu Casselly, Richter-Reitertruppe

In eine kleine Geschichte als Notfall-Elektriker, der die Birne einer Straßenlaterne wechseln muss, ist die Leiterbalance von Clown Jason Caveagna eingebettet. Natürlich landet er dabei zunächst mehrmals auf der Nase, bis ihm schlussendlich doch die Balance und auch der Salto von der Leiter zurück auf den Manegen-Boden gelingen. Die Schlussnummer gebührt in diesem Jahr der neu zusammengestellten Richter-Reitertruppe. Zwei bisherige Partner sind ausgeschieden, dafür mischt jetzt neu auch die Familie Casselly kräftig mit. Rene Casselly leitet aus der Manegenmitte die Pferde an, seine Kinder sind Teil der Truppe. Insgesamt reiten sechs Personen. Neben der Jockey-Reiterei sind nun auch Tricks der Dshigiten-Reiterei zu sehen. So klettert Rene Casselly jr. unter dem Bauch eines Pferdes hindurch, springen er und Joszef Richter jr. Salti auf nachfolgende Pferde, gibt es das Zwei-Personen-Hoch und Radkaskaden auf vier Pferden parallel. Zum Schluss reiten alle gemeinsam auf einem Pferd, und auch Rene Casselly springt noch dazu. Eine tolle Szene, an die sich direkt ein spritziges Finale mit Pyramide und Zugaben anschließt. Am Ende stehen Joszef Richter jr. und Merrylu Casselly Arm in Arm vor dem Artisteneingang und verabschieden das Publikum, das den letzten Klängen der Sängerin lauscht.

Klar, objektiv gesehen fehlen dem Programm eindeutig stärkere artistische Darbietungen. Dafür wird einem aber die komplette Bandbreite an Tierdarbietungen – vom Pferd über Raubtier bis Elefant – geboten; noch dazu in einer Qualität, dass es einen selig werden lässt. Deshalb wiederhole ich mich gerne: Danke, dass ich das erleben durfte!

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Text: Benedikt Ricken; Fotos:
PHOTOGROUP 15 (Kata Kőműves, Brigitta Tóth, János Eifert, Károly Józsa, János Rostás)
sowie Magyar Nemzeti Cirkusz