Zwischen
hohen Bäumen, dem 103 Jahre alten Gemeindehaus mit seinem
Uhrentürmchen und der Mauer um den Hof gibt der Circus ein
romantisches Bild ab und wirkt wie maßgeschneidert für diesen
Ort. Blau und rot sind die Farben des Zweimast-Chapiteaus, das
vor wenigen Jahren neu gekauft wurde. Ein kleines Vorzelt mit
dem kombinierten Kassen- und Restaurationswagen, große
Transparente mit dem aktuellen Programm-Motto „Poésie“ und ein
blauer Ford-Traktor ergänzen das Bild. Im Zelt selbst überrascht
der Cirque Helvetia mit einem neu angeschafften, ungewöhnlich
steil ansteigenden Gradin, das überall beste Sicht garantiert. Es ist
ausschließlich mit nummerierten und gepolsterten Klappsitzen
bestückt. Die Manege ist als leicht erhöhte Rundbühne gestaltet,
und dahinter schließt die rote Gardine die Szenerie ab.
Romantisches Bild im Rathaushof
1975 von
Daniel Maillard gegründet, feiert der Cirque Helvetia in dieser
Saison sein 40-jähriges Bestehen. Inzwischen hat der ältere der
beiden erwachsenen Maillard-Söhne, Julien, mit seiner Ehefrau Anaϊs
die Direktion übernommen. Der jüngere Sohn David hat dagegen den
Circus verlassen. Seine Lebensgefährtin Helene und er sind in
dieser Saison mit Partnerakrobatik und einer Strapatennummer
beim dänischen Cirkus Krone engagiert. 2009 haben wir den Cirque
Helvetia bereits einmal besucht. In den vergangenen sechs Jahren
hat sich der Circus stets weiterentwickelt und beeindruckt
diesmal besonders mit seinem Material. Zudem gibt es eine
professionelle Website, ein hochwertiges Programmheft, und es wird
jede Saison ein neues Programm mit einem bestimmen Motto
kreiert. Das ist gewiss nicht selbstverständlich für ein solch
kleines Unternehmen. Dagegen ist es sehr bedauerlich, dass die
artistischen Darbietungen von Julien und David Maillard im
Programm fehlen. 2009 hatten die beiden hervorragenden Artisten noch an den Strapaten,
am Chinesischen Mast und mit zwei verschiedenen Jonglagenummern,
solo und im Duo, überzeugt.
Julius und Adrien, Daniel Maillard
Stattdessen hat Julien Maillard nun eine neue Rolle als Komiker
gefunden. Im Opening verwandelt er sich vom Zuschauer in Clown
Julius, wird vom übrigen Ensemble mit seinem Kostüm ausgestattet
und schminkt sich an einem kleinen Tischchen. An seiner Seite
agiert der stilvolle Weißclown Adrien. Gemeinsam gestalten die
beiden einen großen Teil des Programms. Da gibt es
beispielsweise komische Zauberei mit einem Tuch und später auch
noch mit einem Ei. Es wird eine Bogenschützen-Szene gezeigt oder
auf gekonnte Weise das klassische Spiegel-Entree gespielt.
Adrien musiziert zudem auf einer originellen Kombination aus
Violine und Trompete, wobei Julius ihn an den Glocken begleitet. Ebenfalls ins heitere Fach gehören die
Illusionen von Seniorchef Daniel Maillard, der zum Beispiel
Tücher in Bonbons verwandeln kann. Insgesamt sind in dieser
Saison Komik und Clownerie für unseren Geschmack jedoch
überrepräsentiert. Trotz der liebevollen Gestaltung der
Vorstellung, die das Motto „Poésie“ treffend umsetzt, wird so
das Tempo arg herausgenommen.
Brigitte Maillard, Duo Flamme & Co, Henri Wagneur
Auch die
erste artistische Nummer hat eine humorvolle Note zu bieten. Der
sympathische Artist Jean Secher le Bellec vom Duo Flamme & Co. stürzt bei seiner Rola
Rola-Darbietung mehrfach zum Schein. Auch eine Leiter, die seine
Partnerin Morgane Maillard reicht, hilft da beim Erklimmen des hohen Piedestals
nicht recht weiter. Natürlich gelingen ihm letztendlich doch
noch beeindruckende Tricks. Für ruhige Momente sorgt wenig
später wieder Michele Pagnotta. Bei seiner Kontaktjonglage lässt
er eine Glaskugel über Hände und Arme rollen. Am Ende trägt er die Kugel im Nacken, während er einen Einarmer drückt.
Henri Wagneur, den man vor einigen Jahren als Tierlehrer
bei Arlette Gruss sehen konnte, reist nun schon einige Saisons
mit Helvetia. Heuer präsentiert er hier ein Solo-Pony, zu dem
sich bald ein zweites zu einer Doppelfreiheit gesellt.
Verzichtbar wäre die Plastikpuppe gewesen, die auf einem der
Ponys „reitet“. Mehr als beeindruckend ist die
artistische Arbeit der Seniorchefin und „Mittfünfzigerin“ (!)
Brigitte Maillard. Die äußerst vielseitige Artistin zeigt heuer
eine wirkungsvolle Kontorsionsnummer in einer beleuchteten
Plexiglaskugel. Hoch unter der Circuskuppel demonstriert sie
ihre erstaunliche Beweglichkeit. Kniehang,
Spagat zwischen den Kugelhälften und Genickhangwirbel gehören
ebenso zum Repertoire der Darbietung.
Duo Flamme & Co. , Michele
Pagnotte, Brigitte Maillard
Die zweite
Hälfte des Programms eröffnet Michele Pagnotta am Chinesischen
Mast. Daran zeigt er zum Beispiel eine „Flagge“ und saust
kopfüber das Requisit hinunter. Brigitte Maillard demonstriert
in der zweiten Tiernummer des Programms das vertraute
Zusammenspiel mit einem kleinen Hund. Ihre Schwiegertochter
Anaϊs weiß mit einer klassischen Tüchernummer zu ruhiger und
sphärischer Musik zu gefallen. Glücklicherweise bringt die
Schlussnummer noch einmal Tempo ins Programm. Beim Duo „Flamme
und Co.“ ist der Name Programm, denn der männliche Partner Jean
Secher le Bellec
jongliert gleich zu Beginn mit brennenden Diabolos. Originell
sind auch die Passagen, in denen er Artist seine Partnerin
Morgane Maillard in
seinen Armen hält und die Diabolos um sie herum sausen lässt. |