Und mitten
in diesem perfekten Postkartenidyll, zwischen Seepromenade und
Hügel, strahlt zwischen Bäumen, Palmen und Fahnenmasten das blaue Zelt
des Circus Harlekin hindurch. Der schmucke Wagenpark gruppiert
sich drum herum – es hat schon seine Berechtigung, dass der
„Harlekin“ an der Bucht, dem Heiligtum der Gemeinde Spiez,
gastieren darf.
Das perfekte
Idyll
Am
Samstagabend haben wir hier die Vorstellung gesehen, bald geht
die Reise weiter Richtung Norden, zum National-Circus nach
Winterthur. So unterschiedlich der große „Knie“ und der kleine
„Harlekin“ auch sein mögen: Beide sind sie unverzichtbarer
Bestandteil einer Circustour durch die Schweiz. Ehe wir
aufbrechen, lassen wir den Abend zuvor noch mal Revue passieren.
Selam und
Tiblet, Nicole Pichler
Gleich mit
der ersten Nummer nach dem Charivari beweisen die Direktoren
Monika Aegerter und Pedro Pichler einmal mehr ihr Gespür für
artistische Neuentdeckungen: Heuer sind die Äthiopierinnen Selam
und Tiblet mit auf Tournee. Es ist die erste richtige
Sommersaison in Europa für die beiden jungen Frauen, die zuvor
bereits im Wintercircus Martin Hanson in Holland zu erleben
waren. Zum Auftakt zeigen Selam und Tiblet ihre Hula Hoop-Show.
Im Zwei-Mädels-Hoch lassen sie schwungvoll die Reifen kreisen.
Beide verfügen über eine enorme Ausstrahlung und suchen offensiv
den Kontakt zum Publikum. An vorletzter Stelle in der
Programmfolge kehren sie später noch einmal mit ihrer
Antipodennummer wieder. Auf zwei Trinkas nebeneinander wirbeln
sie zunächst blaue Teppiche mit Händen und Füßen und werfen sich
diese gegenseitig zu. Später genügt eine Trinka: Eine Artistin
liegt hier auf dem Rücken, die andere steht im Schulterstand auf
dem ausgestreckten Bein der Partnerin. So jongliert die Oberfrau
drei Teppiche mit Hand und Füßen, die Unterfrau vier Stück auf
den Händen, dem freien Fuß und einem Mundstab – eine wirklich
starke Leistung. Nicole Pichler, die hübsche Tochter des
Direktors, ist dagegen mit ihren Tiernummern fester Bestandteil
der Harlekin-Programme. Schon traditionell kommen die Tiere vom
schwedischen Cirkus Olympia der Familie Bengtson. Heuer stellt
Nicole Pichler vier Kamele, zwei Ochsen und zwei Lamas vor. Zu
schöner orientalischer Musik dreht das exotisch-einheimische
Oktett seine Runden, ein imposantes Bild im intimen Chapiteau.
Das Besondere: Zwei der Kamele („Nikol“ und „Moni“) wurden vor
drei Jahren im Circus Harlekin geboren.
Duo Slobi, Les
Nicas mit Lügg
Der Humor
liegt in den gleichen Händen wie im Vorjahr. Nach ihrem
„Rücktritt vom Rücktritt“ vor Jahresfrist stehen Monika Aegerter und Pedro
Pichler alias „Les Nicas“ glücklicherweise immer noch in der
Manege, wenn auch in verringertem Umfang. Seit dem Vorjahr haben
sie in dem jungen Lukas Böss alias „Lügg“, zugleich Platzchef
des Unternehmens, einen neuen Mangenpartner gefunden. Und so
zerbrechen in einem heiteren Entree zahlreiche Teller, gerät
Monika beim Kehren unter den Manegenteppich, gehen Monika und
Pedro gesanglich auf die Spuren der Schweizer DSDS-Gewinnerin
Beatrice Egli oder versucht sich das Trio an der Zauberei.
Prolongiert wurde das Duo Slobi alias Vladimir Slobodeniuk und
Ehefrau Olga. In den fantasievollen Geschichten ohne Worte, aber
mit großartigem Mienenspiel gibt Olga die lebende Spieluhr, die
sich in einen Herrn aus dem Publikum verliebt, wird die aus dem
Vorjahr bekannte Dressurnummer mit Katze und Ratte nun in eine
Küche verlegt oder sammelt Slobi mit einem Sektkühler auf
wundersame Weise im ganzen Zelt klimpernde Münzen ein.
Truppe Alexandros
Und auch
im artistischen Bereich gibt es aus dem Vorjahr bekannte
Gesichter zu sehen. Nachdem Pedro Pichler und Monika Aegerter
mit der sechsköpfigen Truppe Alexandros vom rumänischen Circul
Globus im letzten Jahr – artistisch, aber vor allem auch
menschlich – so außerordentlich zufrieden waren, wurde erstmals
eine ganze Truppe prolongiert. Deren Darbietungen präsentieren
sich nun „neu inszeniert fürs Berner Oberland“. Die
Gruppenjonglage mit Reifen und Keulen wurde in ein buntes Gewand
im Stile der Commedia dell’ Arte gekleidet. Dabei wird – mit
zwei Häusern im Hintergrund – die Geschichte von Romeo und Julia
als Motiv genutzt. Das Schleuderbrett ist, nach der
Motorradkugel im Vorjahr, zur Schlussnummer aufgerückt.
Musikalisch wurde hier der Rock’n’Roll durch Charleston ersetzt
– natürlich ebenso famos gespielt vom sechsköpfigen
Harlekin-Orchester. Das artistische Repertoire reicht vom
Rückwärtssalto in den Sessel bis hin zum Doppelsalto zum
Partner, der auf einer Perchestange steht. Für die Luftnummer
haben Maria und Marius aus der Truppe Alexandros das Requisit
gewechselt: Anstelle des Trapezes im Vorjahr werden nun zwei
Strapatengurte genutzt, die Marius quasi „am Gürtel“ befestigt.
So hat er beide Hände frei, um seine Partnerin in verschiedenen
interessanten Haltepositionen zu tragen.
Waldek und Pavel,
Susanne Mani
Neuzugänge
im Programm sind dagegen Valdemar Solek und sein deutlich
jüngerer Manegenpartner Pawel Dziki alias „Waldek und Pavel“.
Mit ihren beiden heiteren Darbietungen umrahmen sie die Pause –
zunächst sind sie mit Salti und Pirouetten auf dem Trampolin zu
erleben, später als muntere Kaskadeure. Fester Bestandteil aller
Harlekin-Programme ist dagegen Susanne Mani mit immer neuen
Tierdarbietungen. In dieser Saison zeigt sie im stilvollen
Reiteroutfit ein gekonntes Groß und Klein mit einem
Freiberger-Wallach und einem Zwergmuli. Das Finale wird wiederum
ausgiebig zelebriert, unter anderem mit einem Linedance zu „Higher
and Higher“ und später mit dem Gassehauer „Joanna – geboren um
Liebe zu geben…“.
Ein wenig schade
ist es dann schon, dass das Programm 2014 sich nicht stärker von
der Vorjahresshow unterscheidet. Das ist aber Jammern auf hohem
Niveau; in Deutschland wäre man über so viel Neues von Jahr zu
Jahr mitunter froh.
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