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Circus Herman Renz - Tour 2008
www.renz.nl

Roermond, 29. März 2008: Menschen in Mönchskutten mit Fackeln in der Hand schreiten in die Manege, wo Nebelschwaden in schummrigem Licht wabern. Die mysteriöse Atmosphäre löst sich auf, als die „Mönche“ ihre Gewänder ablegen und  sich nun als Circusartisten mit einem bunten Opening in sowie über der Manege präsentieren. Der Auftakt zu „Mystery“, der neuen Produktion des Circus Herman Renz, ist gemacht. Das Motiv der Show wird in vielen Nummern aufgegriffen, etwa bei Tamara Weisers stimmungsvollen Wasser-Luft-Kür oder der Magic Show von Kim Kenneth. Wie bei diesem niederländischen Unternehmen üblich, sind Musik, Licht (inkl. aufwendiger Lasershow) und Inszenierung wieder auf sehr hohem Niveau. Die Verpackung stimmt also.

Aber: Die eigentlichen Darbietungen können insgesamt gesehen nicht mit denen der Vorjahre mithalten – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Gerade im artistischen Bereich sieht es 2008 etwas mager aus. Truppen sucht man vergeblich. Eine dreiköpfige Luftnummer ist bereits die zahlenmäßig stärkste Darbietung. Einziges wirkliches Highlight ist das Duo Acrobalance, welches seine kraftvolle Hand-auf-Hand-Akrobatik zu der schon vor Jahren bei Flic Flac verwendeten Musik zeigt und somit natürlich wunderbar das Programmmotto aufgreift.


Duo Stoichev, Kim Kenneth, Tamara

Das Todesrad des Duo Stoichev erfüllt seinen Zweck als Schlussnummer: Das Publikum tobt. Zu sehen sind Tricks wie das Seilspringen, Jonglage von Fackeln und den Lauf mit verbundenen Augen auf dem Außenrad. In punkto Leistung überzeugt ebenfalls die Rola-Rola-Artistik des etwas introvertiert wirkenden Orlando Oprescu. Seit vielen Jahren im Programm dabei, aber immer wieder mit neuen, kreativen Darbietungen, ist Tamara Weiser. In diesem Jahr greift sie die Elemente auf. Mit einer Fackel in der Hand entzündet sie das Feuer an einem Kronleuchter, mit dem sie durch die Luft fliegt um wenig später in ein Bassin einzutauchen. Dort bewegt sie sich ausdrucksstark im Zusammenspiel mit dem Wasser, welches in variantenreichen Fontänen ins Wasser springt, um sich dann wieder in die Luft zu schwingen. Herrlich anzusehen ist dieses Spektakel, bei der die Leistung der Artistin wunderbar mit Musik, Beleuchtung und Gestaltung der Requisiten harmoniert. Tamara Weiser ist ebenfalls Mitglied des rein weiblichen Trios, welches eine Kür an Bungeeseilen und Trapezen zeigt. Meist wird synchron gearbeitet, gemeinsame, interaktive Tricks sehen wir an diesem Abend nicht. Leistungsmäßig leider eher schwach, ist der Schauwert ebenfalls recht gering. In der großen Magic Show vor der Pause wird das Motiv „Mystery“ von Kim Kenneth personifiziert. Die Fluchtkistentricks des Dänen sind konventionell, werden aber durch die Mitwirkung von drei hübschen Damen aufgewertet.


Frenky und Milko

Zaubern kann auch Frenky. Der Clown tut dies im Harry-Potter-Kostüm auf liebevolle Weise mit Hasen und Hühnern. Gemeinsam mit Partner Milko, Mitglied des Direktionsteams, begleitet er uns in verschiedenen Reprisen und einem Entree durch das Programm. Bei letzterem wird, wie schon 2002, auf Anweisung einer strengen Politesse im Minirock Graffiti entfernt und tapeziert. Für die einen (Sven) ist das, was folgt, eine feucht-fröhliche Schaumschlacht zum Wegschmeißen, für die anderen (Stefan) dann doch ein bisschen arg albern. Im Vergleich zum etwas in die Länge gezogenen „Bienchen“ des Vorjahres aber auf jeden Fall eine kurzweilige Angelegenheit, bei der beide Protagonisten am Ende völlig durchnässt durch die Manege toben. Des weiteren zeigen sie u.a. eine poetische Seifenblasen-Reprise, die Fotografie einer Rose und eine witzige Hohe Schule mit Stoffpferden.


Adriana Folco, Yvonne Muderack

In der Version mit lebendigen Rössern wird diese von Adriana Folco und Michael Jarz im spanischen Stil geritten. Adriana Folco präsentiert zudem einen Viererzug Friesen sowie daran anschließend einen Schimmel als Da-Capo-Steiger. Den im wahrsten Sinne des Wortes stärksten Auftritt hat sie aber im zweiten Teil bei der Präsentation ihres Elefanten „Baby“. In der vertrauensvollen Zusammenarbeit der beiden ungleichen Damen sehen wir (nahezu) das gesamte Repertoire einer guten Dickhäuterdressur. Besonders stimmungsvoll wird es, wenn sich „Baby“ schlafen legt und dabei mal eben die zahlreichen Flammen auf einem Kerzenständer ausbläst. Stammgäste bei Herman Renz sind inzwischen Yvonne und Knut Muderack mit ihren Löwen. Eine sympathische, kurzweilige Nummer.

Nach etwas mehr als zwei Stunden (inkl. Pause) versammeln sich alle Mitwirkenden zum Finale in der Manege. Direktor und Sprechstallmeister Robert Ronday verabschiedet das Publikum, nicht ohne das großartige Orchester und die brillanten Lichtdesigner zu erwähnen. Quasi als Epilog zeigt Kim Kenneth, wie schon vor dem Opening, mit Hilfe eines Kindes aus dem Publikum einen Zaubertrick. Eine nette Einlage, die so sympathisch ist, wie sich dieser „niederländische Nationalcircus“ auch insgesamt präsentiert.

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Text: Stefan Gierisch und Sven Rindfleisch; Fotos: Stefan Gierisch