CHPITEAU.DE

Ravensburger Weihnachtscircus 24/25
www.winter-circus.de ; 184 Showfotos

Ravensburg, 3. Januar 2025: Wieder einmal hat Elmar Kretz an wichtigen Stellschrauben seines Konzeptes gedreht. Für die Spielzeit 2024/25 des Ravensburger Weihnachtscircus entschied er sich, im kleineren und neueren seiner beiden Chapiteaus zu spielen, so wie vor zwei Jahren. Damit kommt er nach eigenen Worten dem Wunsch des Publikums entgegen, näher am Geschehen zu sitzen, nicht weit von der Manege entfernt. Diese Veränderung wirke sich positiv auf den Ticketabsatz aus. Mit zwei verschiedenen Maßnahmen wird ein Ausgleich für den kleineren Zeltdurchmesser geschaffen.

Zum einen wurden zwei neue Tribünenblöcke mit zusätzlichen Sitzplätzen links und rechts des nun schmaleren Artisteneingangs beschafft, zum anderen hat der Direktor mehrere Zusatzvorstellungen an Vormittagen angesetzt. Der neue Artisteneingang verfügt über einen Rahmen in Form einer LED-Wand, auf der während der Vorstellung – passend zur Atmosphäre der jeweiligen Nummer – unterschiedliche Motive und Lichtstimmungen geschaffen werden. Das wirkt frisch, modern, hochwertig, abwechslungsreich. Obwohl Elmar Kretz qualitätvolle Livemusik stets ein Anliegen war, wird in diesem Winter auf ein Orchester verzichtet und stattdessen eine sechsköpfige Compagnie aus dem Hause Louis Knie präsentiert, die hier unter dem Namen „The Modern Dance Ballett“ auftritt. Sie umrahmt das Programm mit tänzerisch-akrobatischen Auftritten im Stil der Truppe Bingo.


Elmar und Milena Kretz im Mittelpunkt des Finales

Apropos „Rahmen“ – der ist insgesamt schöner geworden. Erstmals sind rund um das Chapiteau Strahler installiert, welche die Außenhaut in verschiedenen Farben beleuchten. Schön wäre es, wenn auch noch das dreimastige Vorzelt entsprechend in Szene gesetzt würde. Für einen Circus außergewöhnlich, aber sicherlich sinnvoll erscheinen die Taschenkontrollen, die am Einlass zum Circusgelände stattfinden. Eine wunderbare Idee ist die geschwungene Wand am Eingang des Vorzeltes: Die Vorderseite heißt uns „Herzlich Willkommen“, die Rückseite steht als Hintergrund für schöne Selfies der Besucher zur Verfügung. Auch Zugluft wird so minimiert. Nachdem die allermeisten Tickets im Vorverkauf abgesetzt werden, gibt es vor dem Circus erstmals keine Kasse mehr. Spontanbesucher können am Eingang ins Vorzelt Karten erwerben. Dieses präsentiert sich stimmungsvoll eingerichtet, mit Verkaufsbuden ringsherum, mit roten Stoffbahnen, Sternen und Kronleuchtern an der Decke sowie mit geschmückten Weihnachtsbäumen. Die Toilettencontainer und auch den Imbisswagen finden wir im Freien.


Modern Dance Ballett, Andrei Bocancea, César Dias

Zum Beginn der Vorstellung ist das Chapiteau voll besetzt. Die sechs jungen Frauen des Modern Dance Ballett sorgen mit ihrem Tanz für eine schwungvolle Eröffnung auf zeitgemäße Weise. Eine von ihnen demonstriert Kraft und Beweglichkeit am Luftring, eine andere lässt die Hula-Hoop-Reifen kreisen. Die charmante Begrüßung des hochverehrten Publikums übernimmt die 17-jährige Milena, Tochter von Elmar Kretz. Sie ist ebenso alt wie der Ravensburger Weihnachtscircus, das Publikum hat sie seit ihrem Manegendebüt im Dezember 2013 aufwachsen sehen. Inzwischen ist sie – neben ihrem Vater – das zweite prägende Gesicht des Unternehmens. Nach dem Opening bleibt die Show temporeich und wird zugleich tierisch, denn Andrei Bocancea führt seine Hundenummer vor. Dabei zeigen nicht nur die Tiere Kunststücke, sondern auch der Tierlehrer demonstriert sein akrobatisches Können – und dies sozusagen interaktiv, wenn Andrei am Boden Rollen schlägt und eines der Tiere dabei auf ihm klettert oder wenn er auf Händen geht und ein Hund zwischen seinen Armen Slalom läuft. Beherzt springt Andrei Bocancea zudem durch einen schmalen Reifen, der von einem Requisiteur gehalten wird. Nach sieben Jahren ist Starclown César Dias in die Manege des Ravensburger Weihnachtscircus zurückgekehrt. Wiederum setzt er sich auf amüsante Weise mit allerlei Widrigkeiten auseinander, zunächst beim Spiel auf der Mundharmonika und der „singenden Säge“. Schon jetzt wird deutlich, dass er nicht nur ein hervorragender Komiker ist, sondern auch über eine tolle Musikalität verfügt. Er ist im Ensemble dieser Saison – neben Elmar und Milena Kretz natürlich – der einzige Künstler, der schon einmal hier aufgetreten ist.


Asia Perris, Artists of Dance und Modern Dance Ballett

Dass es diesmal dankenswerterweise fast nur „Neues“ und keine der bisher häufigen Re-Engagements gibt, macht Elmar Kretz auch in der Ansage für die nächste Nummer deutlich. Sie wird aus dem Off eingespielt und wurde, wie alle weiteren Moderationen in diesem Programm, vorab aufgezeichnet. Ein wenig kurios erscheint dabei nur der Umstand, wie Elmar Kretz in der dritten Person über sich selbst spricht. Seine Ansage gilt der jugendlich-sympathischen Asia Perris, die bei ihrer Handstand-Equilibristik immer wieder scheinbar mühelos aus dem Seitspagat direkt in den Stand wechselt. Sie arbeitet durchweg mit gewinnendem Lächeln, bis hin zum Kreiseln auf einer Hand. Einen modernen Akzent geben die vier Breakdancer der Truppe „Artists of Dance“ der Show, der Start mit Tanzbewegungen zu „Jingle Bells“ verleiht dem Ganzen einen jahreszeitlich-ironischen Touch. Durch die Mitwirkung der sechs Ballettgirls wird der Auftritt zur großen Shownummer aufgewertet.


César Dias und Mitspieler, Rubel Medini, Katherina Spyrko

Für sein Comeback in Ravensburg hat César Dias neben Bekanntem auch eine neue, große Nummer mitgebracht. Dabei formiert er zwei Zuschauer und eine Zuschauerin spontan zur „Rockband“ und hat auch damit die Sympathien auf seiner Seite. Im Unterschied zu ähnlichen Nummern singen hier der Clown, die Mitspieler und letztlich das gesamte Publikum, das zugleich mit seinen Handy-Taschenlampen ein Lichtermeer schafft. Auch für uns erfahrene Circusgänger zählt Rubel Medini praktisch noch zu den Neuentdeckungen. Wenn er bei seinen Balancen auf der Rola Rola auf einem Turm von sieben Bänke oder auf einer fragilen Konstruktion aus sieben teils liegenden, teils stehenden Zylindern balanciert, dann ist ihm tosender Applaus gewiss. Das Modern Dance Ballett übernimmt nach der Eröffnung des Programms auch die Pausennummer. Katherina Spyrko überzeugt dabei mit ihrer Arbeit an roten Tüchern, mit Spagat, Abfallern und einem Wirbel, während ihre Kolleginnen am Boden coole Dancemoves beisteuern.


Game of Passion

Während der Unterbrechung werden die beiden parallel angeordneten Reckstangen für das Quartett „Game of Passion“ aufgebaut. Drei Herren und eine Dame zeigen hier ein eindrucksvolles Repertoire mit vielen Flügen von Stange zu Stange. Das „Duell“ zwischen César Dias und einem Mitspieler aus dem Publikum durften wir schon häufig erleben, doch selten war ein Freiwilliger bei dieser Pantomime – die der Komiker durch mit dem Mund erzeugte Geräusche unterstützt – so überaus motiviert bei der Sache. Das Publikum hat hörbar seinen Spaß und spendet rhythmischen Applaus.


Duo Dominguez, Elmar Kretz

Nach einer Sommersaison im Varietétheater des Hansa-Parks an der Ostsee ist das Duo Dominguez für sein nächstes Engagement ans andere Ende der Republik gereist. Wie König und Königin erscheinen der Kubaner Abel Dominguez und seine Partnerin Yanet González Correa in ihren aufwendigen Kostümen. Mal schwebt er im Zahnhang und hält eine Handschlaufe, an der sie sich wiederum im Zahnhang hält. Mal kreist sie kopfüber an Strapaten, während weitere Bänder an ihrem Zopf befestigt sind – an diesem wiederum rotiert er durch die Luft. Eindrucksvoll ist auch der Part, in der er mit der Kraft seiner Zähne einen Kronleuchter fasst, an dem sie Elemente der Luftakrobatik wagt. Zum Ende der Darbietung trägt er die im Zopfhang fliegende Partnerin wiederum nur mit dem Gebiss. Großer Applaus ist auch dieser Nummer gewiss. Die hauseigenen Pferdedressuren sind Konstante und Fixpunkt in den Programmen des Ravensburger Weihnachtscircus, doch selbstverständlich werden sie Jahr für Jahr neu variiert. Neu wurde eine Stehendreiterei einstudiert, mit Milena Kretz auf den Rücken von zwei Friesenhengsten. Ein drittes Pferd läuft unter ihr hindurch. Nach der Rückkehr zum Boden dirigiert die junge Tierlehrerin einen Sechserzug Schimmel in Freiheitsdressur, lässt die Tiere unter anderem Pirouetten drehen und in Dreiergruppen wenden. Dann übernimmt ihr Vater. Direktor Elmar Kretz leitet die Tiere beispielsweise zu Gegenläufen in verschiedenen Varianten an. Drei der Rösser beherrschen das Flechten, und mit einem Solosteiger findet die Darbietung ihren Abschluss.


Bruno Macaggi, César Dias, Dias Brothers

Als Elmar Kretz im Herbst 2023 beim Internationalen Circusfestival von Latina engagiert war, kehrte er nicht nur mit fünf Preisen für seine Pferdenummern zurück, sondern entdeckte dort auch einen hervorragenden jungen Circuskünstler. Und so verpflichtete er Bruno Macaggi mit seiner Becherjonglage. Der Spanier jongliert mit Bechern in Form von spitzen Kegeln. Die Zahl der genutzten Becher erhöht sich immer weiter, die zusätzlichen Requisiten fallen ihm aus der Zeltkuppel zu. Temperamentvolle Salti zwischen den einzelnen Tricks wirken ebenso effektvoll. Mit gekonnten Schwung sorgt er dafür, dass die Becher nach den einzelnen Touren ineinander gestapelt in seinen Händen landen. So wirft er mit einer Hand sechs Becher in die Höhe und fängt sie ineinander gestapelt, ebenso gilt das Kunststück später beim Schlusstrick mit zwei Händen und zwölf Bechern. Zugaberufe sind der Lohn. Die Stimmung steigt weiter bei César Dias und seiner Interpretation von „My Way“, bei der er auf so grandiose Weise an der Tücke des Objekts scheitert. Auf den gleichen Nachnamen wie der fabelhafte Clown hören auch die beiden Dias Brothers in ihren eleganten Kostümen, die als Schlussnummer ihre ikarischen Spiele der Extraklasse zelebrieren. Der eine Bruder, rücklings auf seiner Trinka liegend, wirbelt den anderen mit den Füßen durch die Luft, bis hin zu Pirouetten, Doppelsalti und einer Serie von zwölf Überschlägen. Im Finale, musikalisch eingeleitet von César Dias und wiederum tänzerisch vom Modern Dance Ballett veredelt, bedankt sich das Publikum mit stürmischem Applaus; unzählige Besucher spenden Standing Ovations.

Insgesamt präsentiert Elmar Kretz in diesem Winter ein sehr gelungenes Programm. Keine Megashow mit riesigem Ensemble, aber gehobenes Kammerspiel mit ausgewählten Circusjuwelen. Für den kommenden Winter hat er offensichtlich die richtigen Schlüsse gezogen, um seinen Weihnachtscircus wiederum sinnvoll weiterzuentwickeln. So ist die Rückkehr des Orchesters fix angekündigt und der Ersatz der vier Hauptmasten durch außen liegende Bögen – für noch bessere Sicht im Chapiteau – als Ziel ausgerufen. Darüber hinaus soll es „100 Prozent neue Künstler“ geben. Das klingt doch viel versprechend. Und so wird unser Weg uns sicher wieder nach Ravensburg führen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll