CHPITEAU.DE

Mannheimer Weihnachtscircus 2024/25
www.mannheimer-weihnachtscircus.de ; 142 Showfotos

Mannheim, 28. Dezember 2024: „Geld allein schießt keine Tore“, lautet eine Weisheit aus dem Fußball. Was so viel heißt wie, dass es nicht reicht, sich ein Starensemble einzukaufen. Es braucht auch einen Trainer, der daraus ein funktionierendes Team formt. Diese Erkenntnis lässt sich bestens auf die zweite Ausgabe des Mannheimer Weihnachtscircus übertragen. Hier erleben wir starke Darbietungen, welche in einer wunderbaren Show präsentiert werden. Für den Besucher bedeutet das ein traumhaftes Gesamterlebnis. Die ausdauernden Standing Ovations im vollbesetzten Chapiteau sind mehr als verdient. Vollbracht haben diese Leistung Thomas Schütte und Stefan Huber mit Unterstützung des weiteren Teams.

Thomas Schütte ist mit seiner Frohes Fest GmbH der Produzent. Dies in Kooperation mit Palazzo. Für die Regie zeichnet Stefan Huber verantwortlich. Neben den engagierten Artisten stehen ihm für die Inszenierung ein hinreißendes fünfköpfiges Ballett und eine Sängerin zur Verfügung. An diesem Abend hören wir, statt der auf der Homepage angekündigten Katja Friedenberg, Lena Belgart. Sie hat eine fantastische Stimme und dazu eine angenehme Präsenz. Perfekt eingesetzt werden auch die Vertreter des Genres Komik. Die Clowns Without Socks und der Rhönrad-Akrobat Konstantin Mouraviev sind ebenfalls außerhalb ihrer eigentlichen Nummern zu sehen. Dies in höchst unterhaltsamen Sequenzen. Ein starkes Lichtdesign rundet die bestens in Szene gesetzte Show ab. Auf den DJ aus dem letzen Jahr wird dankenswerterweise verzichtet.


Ballett, Lena Belgart, Artem Barbinov (Without Socks) und Konstantin Mouraviev

Vom Feinsten ist auch das Material, welches nicht von der ersten Saison übernommen wurde. Es stammt von Johnboy Roberts. Vor- und Hauptzelt sind in rot sowie weiß gehalten und machen einen fabelhaften Eindruck. In der Restauration gibt es ein abwechslungsreiches Angebot. Da wird aus dem „Eigentlich habe ich schon gegessen.“ schnell ein „Die Wildbratwurst mit Rotkraut im Roggenbrötchen probiere ich dann doch mal.“ Und es hat sich gelohnt. Auf dem Gradin im Chapiteau bieten blaue Klappsitze guten Komfort, genauso wie die Stühle in den Logen. Der Artisteneingang wird aus einer großen roten Gardine gebildet, darüber das Logo der Produktion und Lichtelemente. Rechts und links steht jeweils ein geschmückter Weihnachtsbaum.


Simets, Without Socks

Spacig ist das Intro. Sängerin und Tänzerinnen begrüßen uns in futuristischen Kostümen. Diese passen natürlich perfekt zum Semaphore der Simets. In stilisierten Raumanzügen balancieren darauf Laszlo Simet und seine zwei Partnerinnen sowie der Partner. Im Stil vorn Astronauten bewegen sie sich im Raum über der Manege. Das beeindruckende Requisit ist eine Kombination aus Hochseil und Todesrad. Unter anderem im Zwei-Personen-Hoch und auf einem Fahrrad sind die Simets darauf unterwegs. In der Gunst des Publikums – die Zuschauer dürfen im Sinne eines Circusfestivals ihre Favoriten wählen - kommen sie damit auf den zweiten Platz. „A Sky Full of Stars“ von Coldplay intoniert Lena Belgart passenderweise, während das Semaphore abgebaut wird. Das Ballett ist ebenfalls dabei. Dann haben Without Socks ihren ersten Auftritt. Das gleich mit ihrer für mich stärksten Nummer. Da geht das Trio auf Hasenjagd und will sich dabei mit einer historischen Kamera via Selbstauslöser ablichten. Nachdem das nicht den gewünschten Erfolg bringt, wird ein Zuschauer hinzugezogen. Zunächst als (ebenfalls glückloser) Fotograf, dann als Teil des Bildmotivs. Da sich aus dem ihm umgehängten Gewehr Schüsse lösen, steht er bald alleine da. Konstantin Mouraviev in Gestalt eines Engels haucht den am Boden liegenden Clowns neues Leben ein. Die genial erdachte Szene wird herrlich umgesetzt. Without Socks haben sich vor zehn Jahren am Staatstheater von Jekaterinburg kennengelernt und seitdem ihre ganz eigene Version des klassischen Clowntrios verfeinert. 2019 gab es dafür in Monte Carlo einen Bronzenen Clown. Dem Publikum in Mannheim sind sie gar Gold wert. Sprich, sie holen sich den ersten Platz im Wettbewerb.


Hermanos Reyes, Olga Moreva, Super Silva junior

Der traditionellen Circuskunst verpflichtet fühlen sich offenbar auch die Hermanos Reyes. Denn Francisco und Jonathan stammen aus einer alten südamerikanischen Circusfamilie und präsentieren ihre Partnerjonglage in klassischen Kostümen. In Hose, schicker Weste und Poloshirt sowie mit Fliege lassen sie virtuos Ringe und Keulen durch die Luft fliegen. Die Ringe im Solo, die Keulen auch in rasanten Passings, bei denen nicht nur die Requisiten in Bewegung sind. Zum Abschluss balanciert ein Bruder den anderen mithilfe einer Schulterperche in luftiger Höhe. Natürlich wird auch dabei jongliert. Unten mit Keulen, oben mit Ringen. Olga Moreva sichert sich Rang drei in der Gunst der Zuschauer. Bei ihrer Kür an den Tüchern lässt sie uns bei Flügen unter der Kuppel genauso träumen wie mitfiebern. Denn was so leicht aussieht, weist hohe Schwierigkeitsgrade auf und ist nicht ganz ungefährlich. Beim Finaltrick wickelt sie sich nur mit dem Kopf in die Stoffbahnen und fliegt so über der Manege. Fliegend unterwegs sind üblicherweise auch Stechmücken. Doch diese beiden Exemplare bewegen sich auf dem Boden fort. Es sind zwei Mitglieder der Without Socks, die das dritte aussaugen. Auch wieder originell inszeniert und hinreißend gespielt. „Holding Out for a Hero“ bildet die musikalische Ankündigung für Super Silva junior. Gestaltet von Sängerin und Ballett. Kaum sind die letzten Töne des Lieds verklungen, klettert unser Held an einem Seil zum Ort des Geschehens. Das sind zwei Trapeze und darüber eine Stange mit kleinen Schlaufen daran. An diesen geht es von einer Seite zur anderen. Zunächst mit den Händen, dann mit den Füßen in den Schlaufen. Den Rückweg nimmt Super Silva junior auf direktem Weg von Trapez zu Trapez. Gewagt springt er von einem zum anderen, um sich gar nur mit den Füßen zu fangen. Das ohne jegliche Sicherung. Vor der Pause gibt es dank Without Socks noch einmal Entspannung. Eine auf dem Boden liegende Platte hat eine grüne und eine rote Hälfte. Beide sorgen für unterschiedliche Sounds, was einen Battle der Tanzstile provoziert. Am Ende legt das Trio aber eine gemeinsame Performance auf das Parkett.


Konstantin Mouraviev, Selyna Bogino

Wunderbar weihnachtlich startet der zweite Teil. Die edlen Kostüme der Tänzerinnen passen bestens zum Fest, Lena Belgart hat den zugehörigen Song parat. Mit Schmuck versucht Konstantin Mouraviev das Herz der Sängerin zu erobern, doch die bevorzugt Artem Barbinov, das attraktivste Mitglied der Without Socks. Der wiederum zeigt Mouraviev mithilfe des bekannten Posters, wie ein trainierter Mann auszusehen hat. Die weiteren Mitglieder des Clownstrios versorgen ihn mit Springseil und Rhönrad. Dank der damit absolvierten Trainings klappt es tatsächlich mit dem Traumkörper. Natürlich erleben wir dabei fulminante Akrobatik am Rhönrad. Ein kräftiger Schluck aus der Bierflasche macht danach alle Anstrengungen wieder zunichte. In neuen, wiederum auf den weihnachtlichen Anlass angepassten Kostümen leiten Sängerin und Ballett über zu Selyna Bogino. Elegant legt sie Mantel und Hut ab, um auf der Trinka Platz zu nehmen. Virtuos jongliert sie bei ihren Antipodenspielen verschiedene Gegenstände mit den Füßen. Sie lässt Walzen, Teppiche und am Ende fünf Bälle tanzen, als wäre es das Einfachste der Welt. Man kann nur erahnen, wie viel Training notwendig ist, um diese Leistung zu vollbringen und dazu noch so charmant zu präsentieren. Mit Bass, Drums und Akkordeon bilden Without Socks eine äußerst lebhafte Band. Sogar das Schlagzeug wird bei der höchst witzigen Performance durch die Manege gezogen.


Oleg Izossimov, Deep Red, Mitglied der Luftmans

Das Kontrastprogramm dazu erleben wir mit Oleg Izossimov. Zu einer Opernarie zelebriert er anspruchsvollste Tricks der Handstandakrobatik in einer unerreichten Kür. Ein zusätzlicher Reiz ergibt sich dadurch, dass sich die Platte mit den Handstäben darauf langsam dreht. Lange Trickfolgen arbeitet er ohne abzusetzen. Ein wahrer Klassiker der Circus- und Varietékunst. Newcomer, zumindest für hiesige Manegen, sind Anton Markov und Ekaterina Rubtsova, wenngleich sie bereits 2021 beim Festival in Latina Gold gewannen. Da sie unter dem Namen Deep Red auftreten, passt der Song „Kiss from a Rose“ als Einleitung perfekt. Bevor bei einer der letzten Sequenzen tatsächlich Rosenblätter durch die Luft fliegen, erleben wir neuartige, sehr starke Kunststücke. Beispielsweise, wenn Anton in luftiger Höhe beide Enden eines Seils mit den Zähnen hält, an dem Ekaterina mit den Fersen hängt. Die Liebesgeschichte in Rot ist ein einziger Genuss und verblüfft mit noch nie gesehenen Elementen. Um die Motorradkugel hereinzubringen sind noch einmal die Without Socks gefragt. Der stärkste von ihnen zieht das eindrucksvolle Requisit mit den Zähnen herein und wird entsprechend gefeiert. Der Angsthase findet sich auf dessen oberen Teil wieder und springt letztendlich todesmutig in die Arme von Kollegen und Requisiteuren. Und dann gehört der Globe of Death der Fahrerin und den Fahrern aus dem Team von Maximo Luftman. In aberwitzigen Touren fegen sie auf ihren Motorrädern durch die Kugel. Das auch beleuchtet in der Dunkelheit. Neue Kostüme des Balletts, Gesang, Glitzerregen – das Finale wird ganz groß zelebriert. Nach dieser Show kein Wunder. Das gesamte Ensemble verabschiedet sich ausführlich vom enthusiastisch applaudierenden Publikum.

Damit endet ein glanzvoller Abend bester Circuskunst. Starke Nummern werden in einer grandiosen Show präsentiert. Damit setzt der Mannheimer Weihnachtscircus gleich im zweiten Jahr Maßstäbe und sorgt für restlose Begeisterung. Im kommenden Winter wird dann schon das Triple gefeiert. Die Erwartungen sind extrem hoch!

________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch