Dies wird dadurch
möglich, dass die jeweils zwei Tribünenblöcke auf den beiden
Seiten der langen Straße mit einem größeren Abstand angeordnet
sind, so dass sich ein querender Weg ergibt. Auszubildende zu
Straßenbauern haben die gesamte "Bühne" asphaltiert und mit
gelben Fahrbahnmarkierungen versehen. Das Publikum sitzt hinter
einer Baustellenabtrennung aus Beton. Wer aus dem weihnachtlich
dekorierten Vorzelt zu seinem Sitzplatz gehen möchte, muss
entweder den Weg links gehen über die „Michael-Tönnies-Straße“
oder nach rechts über die „Bernhard-Dietz-Sraße“, eine
Reminiszenz an zwei große Duisburger Fußballer. Wir kommen
vorbei an Verkehrsschildern und Fahrzeugen wie einem
nostalgischen Feuerwehrauto. So ist das Motto der Show treffend
umgesetzt. „Roadtrip“ lautet es.
 
Revolution Girls,
Patrick Peschel
Und auch wenn das
Programm noch konsequenter an dieses Thema hätte angepasst
werden können, eine durchgehende Story möglich gewesen wäre:
Mehrere Elemente der Show greifen den Titel auf. Und so erleben
wir gleich zu Beginn Patrick Peschel auf seinem Motorrad. Er ist
in der Lage, es nur auf dem Hinterreifen zu fahren. Dies auch in
stehender Position, die Hände am Lenker, ein Fuß auf einer
zusätzlichen Trittstange und den anderen auf dem hinteren Teil
des Sattels. Wenn das Bike wieder herkömmlich auf zwei Reifen
rollt, ist die Position des Artisten umso gefährlicher: im
freien Stand auf der Maschine, zwischen Lenker und Sattel! Kurz
nach der Premiere waren die Publikumsreaktionen auf das Programm
offenbar noch nicht so wie erwartet. So wurde die Vorstellung
um Darbietungen auf dem Hochseil und an den Strapaten
erweitert und die Dramaturgie optimiert: die Revolution Girls
mit ihren Bola-Spielen rückten an den Beginn, das
Criss-Cross-Flugtrapez der Flying Royals ganz ans Ende, auch dem
Geschmack des sensationshungrigen Flic-Flac-Publikums folgend.
Die Variante der Produktion bei unserem Besuch kurz vor dem
Jahreswechsel überzeugt dann vollauf. Hier macht die Flic-Flac-Regie auch bei der Folklore-Nummer der argentinischen
Damen nicht davor Halt, diese an den typischen Stil des Hauses
anzupassen. Und so werden die rasant kreisenden Bola-Seile, der
ausdruckstarke Tanz und das martialische Trommeln der Revolution
Girls von moderner Musik begleitet.

Benno und
Max
Was bei einem
Roadtrip natürlich nicht fehlen darf, ist die strenge
Verkehrspolizei. In dieser Rolle agieren Benno Jacob und Max
Fröhlich, die wir bisher vorwiegend mit ihrer hervorragenden
Diabolo-Nummer kannten. Hier zeigen sie weitere Facetten ihres
artistischen Könnens und decken zugleich das Comedy-Fach ab. In
ihrem ersten Auftritt kombinieren sie beides, bei einer
Passing-Jonglage von einem Manitou-Gabelstapler zum anderen.
Dies verbinden sie zwar nicht mit einem Kleidertausch, wie dies
beispielsweise Strahlemann und Söhne beherrschen, doch immerhin
beide mit einem Striptease.
 
Dezhou
Troupe, Duo Diamant
Zwei
außergewöhnliche Erscheinungen sind die beiden Damen des Duos
Diamant, bei denen ihre lila colorierten Haare mit den Farben
ihrer Tuchstrapaten korrespondieren. Sie zeigen uns, dass ein
muskulöser, kräftig trainierter Körper und kontorsionistische
Beweglichkeit kein Widerspruch sind. Die Frauen umkreisen
einander kunstvoll und wagen durchaus riskante Tricks,
beispielsweise wenn eine sich nur mit den Beinen am Fuß der
anderen hält oder sie Unterschenkel-an-Unterschenkel hängen. So
wie zuvor bereits die Revolution Girls, lassen sich auch die
Jungs und Mädels der großen Dezhou Troupe aus China als
Straßengangs verstehen, die wir auf dem Roadtrip treffen.
Zunächst staunen wir über ihr Können im Umgang mit Diabolos. Mal
reichen die männlichen Akteure einen der Doppelkegel von Schnur
zu Schnur weiter, mal schlägt eine der jungen Frauen einen
Rückwärtssalto von den Rücken ihrer knienden Partnerinnen,
während sie mit einem Diabolo jongliert. Eindrucksvoll auch,
wenn einer ein Diabolo an der langen Leine bewegt, während ein
anderer Sprünge und Salti über die Schnur schlägt. Quasi im
Sinne einer echten Reprise greifen Benno und Max direkt im
Anschluss das Thema Diabolo mit einem Ausschnitt ihrer Nummer
auf, hier in Kombination mit frechen Sprüchen.
  
Magus
Utopia, Denis Zhygaltsov, Korth-Motorshow
Als durchaus
ungewöhnlich für eine Flic-Flac-Produktion erscheint uns das
Genre der Großillusionen. Mit „Magus Utopia“ steht hier eine der
Top-Formationen zur Verfügung. Wir sind zugleich Zeugen eines
Abschieds, denn Marcel Kalisvaart und Mitbegründer Aquila
Allucard sagen der Bühne nach dem Flic-Flac-Engagement Lebewohl.
Noch einmal zelebrieren sie hier ihre Performance „Nightmare“,
in der Kalisvaart aus seinem Bett verschwindet, während an
seiner Statt eine Hexe erscheint. Nur durch einen Lichtblitz
verdeckt, taucht der Magier unter einem Metallbogen in einer
Steampunk-Unterwelt wieder auf, wird dort in einen Käfig
gesperrt und kehrt von diesem auf sensationelle Weise in sein
Bett zurück, aus dem Albtraum erwachend. Nochmals wird von Benno
und Max das Thema der vorangegangenen Darbietung aufgegriffen.
In ihrer Mentalmagie-Nummer geht es darum, mit der bloßen Hand
auf Papiertüten zu schlagen; unter einer von ihnen befindet sich
die gefährliche Spitze eines massiven Nagels. Ein Zuschauer aus
dem Publikum wählt die Tüten bei diesem Roulettespiel. Dank der
„magischen Verbindung“ zwischen Mitspieler und Comedy-Zauberern
bleibt ein Unglück aus. Mit Denis Zhygaltsov geht es wieder in
die Luft. In Jeans und Muskelshirt sowie mit langen, blonden
Haaren zeigt er eine kraftstrotzende, wenn auch kompakte Kür am
Flying Pole. Beeindruckend der Sprung ans Requisit, bei dem er
sich mit den Beinen fängt. Tatsächlich gibt es in dieser Show
auch Auto- und Motorradstunt-Darbietungen, die auf einer
Rundbühne so nicht möglich wären. Und dazu gehört die
Korth-Motorshow. Den Stuntmen gelingt es, mit ihren beiden BMW
auf jeweils nur zwei Reifen über die Spielfläche zu fahren und
sich dabei zu umkreisen. Und es verblüfft, wenn der Beifahrer
während der Fahrt durch das Fenster des schräg gestellten Autos
aussteigt und auf der Dachkante stehend balanciert. Ein
besonderes Vergnügen, weil sonst nicht im Circus zu sehen.
Veranstalter dieser Flic-Flac-Produktion ist Uwe Struck, der in
Circuskreisen als Geschäftsführer des inzwischen ruhenden
Tourneebetriebs bekannt wurde. In Duisburg gehört er unter
anderem als Inhaber eines renommierten Catering-Betriebs, der
zahlreiche große Veranstaltungen bewirtet, zur Prominenz. Und so
wird zum Einstieg in die Pause eine Verkaufsbude für „Uwe’s
Würstchen“ auf die Bühne gerollt. Die Aufforderung, es sich nun
in der Restauration gutgehen zu lassen. Dieser kommen wir gerne
nach.
  
Truppe
Gerlings, Dezhou Troupe, Jonathan Heidel
Hälfte zwei
beginnt mit einer Formation der Gerlings auf dem Hochseil. Der
Sprung über zwei auf dem Seil kauernde Partner, eine
Drei-Personen-Pyramide mit Kopfstand des Obermannes, ein
Zwei-Personen-Hoch mit Dame an der Spitze sowie die
Sechs-Personen-Pyramide werden präsentiert – die
Siebener-Pyramide kann leider nicht gezeigt werden, da sonst der
oberste Artist an Lautsprecherboxen zu stoßen drohte. Nicht
ideal ist auch die Platzierung des Hochseils am Ende einer
Längsseite anstatt mittig über der Spielfläche. Dies ist dem
dort installierten Flugtrapez geschuldet. Mit einer
„Finger-Akrobatik“ zum Mitmachen für alle Besucher und den „vier
Stühlen“ für ausgewählte Gäste bestreiten Benno und Max das
weitere "Warmup" zum zweiten Teil. Höchstleistungen im Wortsinne
beherrschen die Herren der Dezhou Troupe, denn bei ihren
Reifensprüngen erreichen sie unglaubliche Höhen, dies auch mit
Pirouetten und Salti. Ein Beleg dafür, wie das Programm in der
zweiten Hälfte nochmals deutlich anzieht. Wer nach den
Auto-Stunts vor der Pause denkt, er habe nun alles gesehen, der
hat die Rechnung ohne Jonathan Heidel gemacht. Denn dieser junge
Motorrad-Künstler überquert mit seinem Bike nicht nur das Dach
eines Autos, sondern auch das eines Wohnwagens. So überraschend
kann ein „Roadtrip“ auf einer langen Straße sein!
 
Alexander junior,
The Flying Royals
Nochmals rätseln
wir über die Fähigkeiten von „Magus Utopia“. Nun droht einer der
Akteure, beim Liegen in einem gewaltigen Requisit von
herunterstürzenden Speeren durchbohrt zu werden. Stattdessen jedoch
kehrt er, nachdem das Gestell verdeckt wurde, nach kurzer Zeit
unversehrt von einem der Treppenaufgänge wieder. Bei einem
amüsanten Fragespiel beziehen Benno und Max das gesamte Publikum
ein. Alle sollen aufstehen; wer eine ihrer provokanten Fragen
mit „Ja“ beantwortet, soll sich wieder hinsetzen - bis keiner
mehr übrig ist. Mich erwischt es bei der Frage, ob man schon
einmal nur so getan habe, als würde man sich über ein
Weihnachtsgeschenk freuen. Wie ich mich ohne Zögern auf den
Stuhl fallen lasse, muss mein mir unbekannter Nebensitzer
herzlich lachen und klopft mir auf den Schenkel – so haben alle
Spaß. Längere Zeit nicht mehr gesehen hatten wir Alexander
junior mit seiner sehr starken Handstandarbeit. Dabei baut er
nicht nur zwei Türme aus Klötzchen auf und wieder ab, während er
darauf Handstände drückt. Nein, zum Abschluss gibt es auch noch
einen Klötzchen-Abfaller mit einer großen Zahl dieser
„Bausteine“ und einarmige Handstände auf einer weit noch oben
ausfahrenden Stange. Für den spektakulären Abschluss der Show
sorgen „The Flying Royals“ mit insgesamt neun Damen und Herren.
Ihr Flugtrapez umfasst zwei über Kreuz angeordnete Flugbahnen,
so dass die Form der „Straßenkreuzung“ direkt unter ihnen
aufgegriffen wird. Auf der Hauptbahn sehen wir die klassische
Abfolge von Plattform, Schaukel und Fänger, auf der kreuzenden
Bahn befinden sich auf beiden Seiten jeweils eine Plattform und
dazwischen zwei Schaukeln. Das erlaubt außergewöhnliche
Flugkombinationen – etwa nach einem Salto auf der Längsbahn und
dem Catchen durch den Fänger auf der seitlichen Plattform zu
landen. Bei der Passage wird der Thrill durch einen kreuzenden
Flieger erhöht. Und auch hält sich ein Flieger als menschliche
Hürde zwischen den zwei Trapezen auf der seitlichen Bahn in der
Luft, während ihn eine Fliegerin per Salto überquert! Leider
werden nicht alle der schwierigen Salti und Pirouetten in der
besuchten Vorstellung gefangen. |