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Flic Flac Duisburg - Roadtrip 2024/25
www.flicflac.de ; 145 Showfotos

Duisburg, 28. Dezember 2024: Mitten in der Stadt hat Flic Flac seine Zelte in Duisburg aufgeschlagen, auf einer Brache beim Hauptbahnhof. Damit ist das schwarz-gelbe Chapiteau bestens sichtbar. 65 Meter lang und von vier außen liegenden Rundbögen getragen, ersetzt es im Zelt-Portfolio des Flic-Flac-Imperiums den zuvor genutzten Achtmaster. Im Inneren sitzt das Publikum nicht um eine runde Bühne. Stattdessen gibt es vier Tribünenblöcke links und rechts einer rechteckigen Spielfläche. Diese ist als Straßenkreuzung gestaltet.

Dies wird dadurch möglich, dass die jeweils zwei Tribünenblöcke auf den beiden Seiten der langen Straße mit einem größeren Abstand angeordnet sind, so dass sich ein querender Weg ergibt. Auszubildende zu Straßenbauern haben die gesamte "Bühne" asphaltiert und mit gelben Fahrbahnmarkierungen versehen. Das Publikum sitzt hinter einer Baustellenabtrennung aus Beton. Wer aus dem weihnachtlich dekorierten Vorzelt zu seinem Sitzplatz gehen möchte, muss entweder den Weg links gehen über die „Michael-Tönnies-Straße“ oder nach rechts über die „Bernhard-Dietz-Sraße“, eine Reminiszenz an zwei große Duisburger Fußballer. Wir kommen vorbei an Verkehrsschildern und Fahrzeugen wie einem nostalgischen Feuerwehrauto. So ist das Motto der Show treffend umgesetzt. „Roadtrip“ lautet es.


Revolution Girls, Patrick Peschel

Und auch wenn das Programm noch konsequenter an dieses Thema hätte angepasst werden können, eine durchgehende Story möglich gewesen wäre: Mehrere Elemente der Show greifen den Titel auf. Und so erleben wir gleich zu Beginn Patrick Peschel auf seinem Motorrad. Er ist in der Lage, es nur auf dem Hinterreifen zu fahren. Dies auch in stehender Position, die Hände am Lenker, ein Fuß auf einer zusätzlichen Trittstange und den anderen auf dem hinteren Teil des Sattels. Wenn das Bike wieder herkömmlich auf zwei Reifen rollt, ist die Position des Artisten umso gefährlicher: im freien Stand auf der Maschine, zwischen Lenker und Sattel! Kurz nach der Premiere waren die Publikumsreaktionen auf das Programm offenbar noch nicht so wie erwartet. So wurde die Vorstellung um Darbietungen auf dem Hochseil und an den Strapaten erweitert und die Dramaturgie optimiert: die Revolution Girls mit ihren Bola-Spielen rückten an den Beginn, das Criss-Cross-Flugtrapez der Flying Royals ganz ans Ende, auch dem Geschmack des sensationshungrigen Flic-Flac-Publikums folgend. Die Variante der Produktion bei unserem Besuch kurz vor dem Jahreswechsel überzeugt dann vollauf. Hier macht die Flic-Flac-Regie auch bei der Folklore-Nummer der argentinischen Damen nicht davor Halt, diese an den typischen Stil des Hauses anzupassen. Und so werden die rasant kreisenden Bola-Seile, der ausdruckstarke Tanz und das martialische Trommeln der Revolution Girls von moderner Musik begleitet.


Benno und Max

Was bei einem Roadtrip natürlich nicht fehlen darf, ist die strenge Verkehrspolizei. In dieser Rolle agieren Benno Jacob und Max Fröhlich, die wir bisher vorwiegend mit ihrer hervorragenden Diabolo-Nummer kannten. Hier zeigen sie weitere Facetten ihres artistischen Könnens und decken zugleich das Comedy-Fach ab. In ihrem ersten Auftritt kombinieren sie beides, bei einer Passing-Jonglage von einem Manitou-Gabelstapler zum anderen. Dies verbinden sie zwar nicht mit einem Kleidertausch, wie dies beispielsweise Strahlemann und Söhne beherrschen, doch immerhin beide mit einem Striptease.


Dezhou Troupe, Duo Diamant

Zwei außergewöhnliche Erscheinungen sind die beiden Damen des Duos Diamant, bei denen ihre lila colorierten Haare mit den Farben ihrer Tuchstrapaten korrespondieren. Sie zeigen uns, dass ein muskulöser, kräftig trainierter Körper und kontorsionistische Beweglichkeit kein Widerspruch sind. Die Frauen umkreisen einander kunstvoll und wagen durchaus riskante Tricks, beispielsweise wenn eine sich nur mit den Beinen am Fuß der anderen hält oder sie Unterschenkel-an-Unterschenkel hängen. So wie zuvor bereits die Revolution Girls, lassen sich auch die Jungs und Mädels der großen Dezhou Troupe aus China als Straßengangs verstehen, die wir auf dem Roadtrip treffen. Zunächst staunen wir über ihr Können im Umgang mit Diabolos. Mal reichen die männlichen Akteure einen der Doppelkegel von Schnur zu Schnur weiter, mal schlägt eine der jungen Frauen einen Rückwärtssalto von den Rücken ihrer knienden Partnerinnen, während sie mit einem Diabolo jongliert. Eindrucksvoll auch, wenn einer ein Diabolo an der langen Leine bewegt, während ein anderer Sprünge und Salti über die Schnur schlägt. Quasi im Sinne einer echten Reprise greifen Benno und Max direkt im Anschluss das Thema Diabolo mit einem Ausschnitt ihrer Nummer auf, hier in Kombination mit frechen Sprüchen.


Magus Utopia, Denis Zhygaltsov, Korth-Motorshow

Als durchaus ungewöhnlich für eine Flic-Flac-Produktion erscheint uns das Genre der Großillusionen. Mit „Magus Utopia“ steht hier eine der Top-Formationen zur Verfügung. Wir sind zugleich Zeugen eines Abschieds, denn Marcel Kalisvaart und Mitbegründer Aquila Allucard sagen der Bühne nach dem Flic-Flac-Engagement Lebewohl. Noch einmal zelebrieren sie hier ihre Performance „Nightmare“, in der Kalisvaart aus seinem Bett verschwindet, während an seiner Statt eine Hexe erscheint. Nur durch einen Lichtblitz verdeckt, taucht der Magier unter einem Metallbogen in einer Steampunk-Unterwelt wieder auf, wird dort in einen Käfig gesperrt und kehrt von diesem auf sensationelle Weise in sein Bett zurück, aus dem Albtraum erwachend. Nochmals wird von Benno und Max das Thema der vorangegangenen Darbietung aufgegriffen. In ihrer Mentalmagie-Nummer geht es darum, mit der bloßen Hand auf Papiertüten zu schlagen; unter einer von ihnen befindet sich die gefährliche Spitze eines massiven Nagels. Ein Zuschauer aus dem Publikum wählt die Tüten bei diesem Roulettespiel. Dank der „magischen Verbindung“ zwischen Mitspieler und Comedy-Zauberern bleibt ein Unglück aus. Mit Denis Zhygaltsov geht es wieder in die Luft. In Jeans und Muskelshirt sowie mit langen, blonden Haaren zeigt er eine kraftstrotzende, wenn auch kompakte Kür am Flying Pole. Beeindruckend der Sprung ans Requisit, bei dem er sich mit den Beinen fängt. Tatsächlich gibt es in dieser Show auch Auto- und Motorradstunt-Darbietungen, die auf einer Rundbühne so nicht möglich wären. Und dazu gehört die Korth-Motorshow. Den Stuntmen gelingt es, mit ihren beiden BMW auf jeweils nur zwei Reifen über die Spielfläche zu fahren und sich dabei zu umkreisen. Und es verblüfft, wenn der Beifahrer während der Fahrt durch das Fenster des schräg gestellten Autos aussteigt und auf der Dachkante stehend balanciert. Ein besonderes Vergnügen, weil sonst nicht im Circus zu sehen. Veranstalter dieser Flic-Flac-Produktion ist Uwe Struck, der in Circuskreisen als Geschäftsführer des inzwischen ruhenden Tourneebetriebs bekannt wurde. In Duisburg gehört er unter anderem als Inhaber eines renommierten Catering-Betriebs, der zahlreiche große Veranstaltungen bewirtet, zur Prominenz. Und so wird zum Einstieg in die Pause eine Verkaufsbude für „Uwe’s Würstchen“ auf die Bühne gerollt. Die Aufforderung, es sich nun in der Restauration gutgehen zu lassen. Dieser kommen wir gerne nach.


Truppe Gerlings, Dezhou Troupe, Jonathan Heidel

Hälfte zwei beginnt mit einer Formation der Gerlings auf dem Hochseil. Der Sprung über zwei auf dem Seil kauernde Partner, eine Drei-Personen-Pyramide mit Kopfstand des Obermannes, ein Zwei-Personen-Hoch mit Dame an der Spitze sowie die Sechs-Personen-Pyramide werden präsentiert – die Siebener-Pyramide kann leider nicht gezeigt werden, da sonst der oberste Artist an Lautsprecherboxen zu stoßen drohte. Nicht ideal ist auch die Platzierung des Hochseils am Ende einer Längsseite anstatt mittig über der Spielfläche. Dies ist dem dort installierten Flugtrapez geschuldet. Mit einer „Finger-Akrobatik“ zum Mitmachen für alle Besucher und den „vier Stühlen“ für ausgewählte Gäste bestreiten Benno und Max das weitere "Warmup" zum zweiten Teil. Höchstleistungen im Wortsinne beherrschen die Herren der Dezhou Troupe, denn bei ihren Reifensprüngen erreichen sie unglaubliche Höhen, dies auch mit Pirouetten und Salti. Ein Beleg dafür, wie das Programm in der zweiten Hälfte nochmals deutlich anzieht. Wer nach den Auto-Stunts vor der Pause denkt, er habe nun alles gesehen, der hat die Rechnung ohne Jonathan Heidel gemacht. Denn dieser junge Motorrad-Künstler überquert mit seinem Bike nicht nur das Dach eines Autos, sondern auch das eines Wohnwagens. So überraschend kann ein „Roadtrip“ auf einer langen Straße sein!


Alexander junior, The Flying Royals

Nochmals rätseln wir über die Fähigkeiten von „Magus Utopia“. Nun droht einer der Akteure, beim Liegen in einem gewaltigen Requisit von herunterstürzenden Speeren durchbohrt zu werden. Stattdessen jedoch kehrt er, nachdem das Gestell verdeckt wurde, nach kurzer Zeit unversehrt von einem der Treppenaufgänge wieder. Bei einem amüsanten Fragespiel beziehen Benno und Max das gesamte Publikum ein. Alle sollen aufstehen; wer eine ihrer provokanten Fragen mit „Ja“ beantwortet, soll sich wieder hinsetzen - bis keiner mehr übrig ist. Mich erwischt es bei der Frage, ob man schon einmal nur so getan habe, als würde man sich über ein Weihnachtsgeschenk freuen. Wie ich mich ohne Zögern auf den Stuhl fallen lasse, muss mein mir unbekannter Nebensitzer herzlich lachen und klopft mir auf den Schenkel – so haben alle Spaß. Längere Zeit nicht mehr gesehen hatten wir Alexander junior mit seiner sehr starken Handstandarbeit. Dabei baut er nicht nur zwei Türme aus Klötzchen auf und wieder ab, während er darauf Handstände drückt. Nein, zum Abschluss gibt es auch noch einen Klötzchen-Abfaller mit einer großen Zahl dieser „Bausteine“ und einarmige Handstände auf einer weit noch oben ausfahrenden Stange. Für den spektakulären Abschluss der Show sorgen „The Flying Royals“ mit insgesamt neun Damen und Herren. Ihr Flugtrapez umfasst zwei über Kreuz angeordnete Flugbahnen, so dass die Form der „Straßenkreuzung“ direkt unter ihnen aufgegriffen wird. Auf der Hauptbahn sehen wir die klassische Abfolge von Plattform, Schaukel und Fänger, auf der kreuzenden Bahn befinden sich auf beiden Seiten jeweils eine Plattform und dazwischen zwei Schaukeln. Das erlaubt außergewöhnliche Flugkombinationen – etwa nach einem Salto auf der Längsbahn und dem Catchen durch den Fänger auf der seitlichen Plattform zu landen. Bei der Passage wird der Thrill durch einen kreuzenden Flieger erhöht. Und auch hält sich ein Flieger als menschliche Hürde zwischen den zwei Trapezen auf der seitlichen Bahn in der Luft, während ihn eine Fliegerin per Salto überquert! Leider werden nicht alle der schwierigen Salti und Pirouetten in der besuchten Vorstellung gefangen.

Hinter einem Gabelstapler her, an dessen Gabeln ein brennendes Herz hängt, marschiert das große Ensemble zum Finale auf. Das Publikum spendet Standing Ovations. Für uns erweist sich diese Show, vor allem auch dank ihrer ungewöhnlichen Thematisierung und der originellen Motorrad- und Autostunts, als eines der großen Highlights dieser starken Wintersaison. Leider wohl zum vorletzten Mal inmitten der City, denn das Gelände soll nach dem Flic-Flac-Gastspiel 2025/2026 bebaut werden. Dann wird Uwe Struck auf einen „Roadtrip“ durch sein Duisburg gehen müssen, um einen neuen Standort zu finden.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll