Er vermittelt seinem Publikum
authentisch das Gefühl, einer von ihnen, einer aus ihrer Heimat
zu sein. Einer, der den großen Circus nach Oberschwaben bringt.
Damit hat er offenkundig Erfolg. Wieder einmal sehen wir eine
restlos ausverkaufte Vorstellung. Und erleben, wie viele
Besucher anschließend auf ihn zukommen und sich für die
gelungene Show bedanken. Auch Autogramm- und Selfie-Wünschen
sind keine Seltenheit. Und so scheint genau diese Fokussierung
auf den Direktor mit seiner charismatischen Persönlichkeit einer
der Erfolgsfaktoren des Ravensburger Weihnachtscircus zu sein.
Dass er in diesem Jahr leider sowohl auf Wildtiere als auch auf
eine Truppe verzichtet, tut der Sache anscheinend keinen
Abbruch.

Elmar Kretz und Jimmy
Folco
Das famose siebenköpfige
Orchester unter der Leitung von Alexander Bozic eröffnet die
Vorstellung mit dem Marsch "Vive la piste", und Clown Jimmy
Folco „erweckt“ einige Artisten, die scheinbar in der Manege
„schlafen“. Sharon Berousek zeigt nun erste Kostproben ihres
Könnens als Jongleurin; Josy Caselly präsentiert Ausschnitte
ihrer Tücher-Arbeit. Mit der Begrüßung durch Elmar Kretz wird
das ansprechend gestaltete Opening abgerundet. Nachdem der
bisherige Sprechstallmeister David Paschke in dieser Saison
nicht zur Verfügung steht, moderiert Elmar Kretz die Show nach
fünf Jahren erstmals wieder selbst. Er verspricht sein bisher
schönstes Programm und „Circus mit Kultur“.
  
Jimmy Enoch, Sebastian und
Kristina Richter, Sharon Berousek
Und dass es wirklich ein schönes
Programm werden soll, das macht gleich Jimmy Enoch mit seiner
wunderbar klassischen Fahrrad-Nummer deutlich. Dank seiner
tollen Ausstrahlung kommt sofort hervorragende Stimmung auf.
Starke Tricks beherrscht er natürlich auch, beispielsweise wenn
er auf Sattel und Lenker stehend durch die Manege rollt. Eine
solche Nummer macht glücklich und ist mehr als unterhaltsam. Und
so sorgt das Orchester mit „Happy“ und „Let me entertain you“
für den passenden Soundtrack. Gleich zweimal steht Elmar Kretz
in diesem Winter mit Freiheitsdressuren in der Manege. In der
ersten Programmhälfte zeigt er seine fünf Araber in einer
besonders einfühlsamen Dressur, in der die Tiere nur mit einer
Gerte oder mit bloßen Händen und Stimme dirigiert. Und auch der
Auftritt seiner Tochter Milena darf nicht fehlen. Sie leitet ein
Palomino-Pony an, das durch stehende und liegende Reifen springt
oder Slalom läuft. Sharon Berousek präsentiert ihre Jonglagen
mit bis zu fünf bzw. ganz kurz auch sechs Keulen. Die 21-Jährige
ist noch einmal versierter und sicherer geworden, seit wir sie
zuletzt gesehen haben. In der sehr schön gestalteten
Kostümillusion von Kristina und Sebastian Richter wechseln die
Kleider passend zu den Musikstilen und den dazu präsentierten
Tänzen, von Walzer über Latin und Tango bis hin zu Burlesque.
Schade nur, dass für eine so stark auf die Musik abgestimmte
Darbietung offenbar kein Tonband in entsprechender Qualität zur
Verfügung steht. Das fällt leider besonders auf, weil zuvor alle
Künstler zu erstklassiger Livemusik arbeiten.
  
Vanessa und Emanuel Medini,
Jimmy Folco, Josy Caselly
Im Circus muss häufig
improvisiert werden. Eigentlich sollte Milena Kretz in diesem
Winter die Bauernhoftiere von Flavio Togni präsentieren. Doch
weil in Italien eine Rinderkrankheit und am Bodensee die
Vogelgrippe grassiert, durften die Tiere nicht nach Deutschland
gebracht werden. Mit vier Kamelen konnte die Familie Togni
immerhin einen ansprechenden Ersatz anbieten. Die Wüstenschiffe
werden von der vielseitigen Josy Caselly gekonnt zu Lauffiguren
angeleitet und liegen bereitwillig ab. Das schöne Kostüm der
Vorführerin trägt zum orientalischen Flair bei. Unser Begleiter
durchs Programm bleibt Jimmy Folco. Im ersten Programmteil zeigt
er das Wasserspucken mit einem Kind aus dem Publikum und sorgt
als lebender Weihnachtsbaum für Heiterkeit. Engagiertes Spiel
und stets wechselnde, zur jeweiligen Reprise passende Kostüme
zeichnen ihn aus. Seinen ersten ganz großen Auftritt hat er dann
mit dem viel belachten Tellerwerfen. Wohl nicht mehr viel sagen
muss man zur bestens bekannten Rollschuhnummer von Vanessa und
Emanuel Medini: Sie vereint Tempo, Leistung, Ausstrahlung und
Unterhaltungswert. Hier stimmt einfach alles. Damit sorgen die
Geschwister für einen idealen Abschluss der ersten
Programmteils.
  
Desire of Flight,
Christine Thevissen, Duo Serjo
Hälfte zwei eröffnet Christine
Thevissen. In ihrer außergewöhnlichen Darbietung arbeitet die
Artistin mit fröhlich-freundlichem Wesen in einem großen
transparenten Ballon. Darin lässt sie zwischen rotem Flitter
zwei Hula-Hoop-Reifen nicht nur um ihren Körper, sondern auch um
die Innenwände des Ballons kreisen. So ergibt sich ein wenig das
Bild einer „lebendigen Christbaumkugel“. Auf Jimmy Folcos
Amor-Reprise folgen nun die zwei großen artistischen
Ausrufezeichen dieses Programms im Doppelpack: Mit seiner
Hand-auf-Hand-Akrobatik hat das Duo Serjo in den vergangenen
Jahren in zahlreichen renommierten Unternehmen gearbeitet, unter
anderem bei Knie, Arlette Gruss und Nock. Auch in Ravensburg
sorgen die beiden Artisten für riesige Begeisterung. Und die
setzt sich fort beim schwerelosen Luft-Akt von „Desire of Flight“,
gold-prämiert in Monte Carlo. Malvina Abakarova und Valeriy
Sychev kombinieren an den Strapaten eine dramatische
Liebesgeschichte mit gefahrvollen Tricks, welche die Besucher
die Hände vors Gesicht schlagen lassen. Tosender Applaus.

Elmar Kretz
Es folgt der große Auftritt des
Direktors. In zwei Monaten Trainingsarbeit hat Elmar Kretz seine
fünf eigenen Araber und sechs Falben von Flavio Togni zu einem
formidablen Elferzug zusammengeführt. Zunächst stellt Kretz die
Falben vor. Das gleichzeitige Flechten aller sechs Tiere,
Drehungen in Dreierformation und ein Gegenlauf, bei dem die
Tiere vorne an der Manege stoppen und dann walzen, sind nur
einige der anspruchsvollen Tricks. Schließlich kommen die Araber
hinzu, und die vielseitigen Lauffiguren gipfeln in einem
gemeinsamen Steiger aller Tiere. Dieses Highlight der Show
gipfelt in verschiedenen Da Capi, unter anderem einem fünffachen
Vorwärts-Steiger, der ebenfalls Togni- und Kretz-Pferde vereint.
Die Schlussnummer übernehmen der Clown aus Italien und seine
Mitspieler aus dem Publikum: Das klingt wie aus einer
Programmbesprechung zum Circus Knie 2016, meint aber tatsächlich
den 9. Ravensburger Weihnachtscircus. Mit seiner „Rockband“
sorgt Jimmy Folco nochmal für überschäumende Stimmung. |