Und so
steht in diesem Jahr auf den meisten Plakaten einfach nur „Wasser-Emotionen-Circus“,
ohne Nennung des eigentlichen Unternehmensnamens. Eine
ausgeklügelte Wasser-Show, so wie aktuell bei Charles Knie oder
zu den Glanzzeiten des Circus Fliegenpilz, wird hier freilich
nicht geboten. Die Manege ist ausgefüllt mit einem Bassin, das
rundherum einen breiten, erhöhten Umgang bietet. Das Becken ist
nur sehr flach mit Wasser befüllt. Der Bereich zwischen der
kleinen Mittelinsel und dem einfachen Artisteneingang aus rotem
Stoff bildet eine Art Bühne, eine größere Spielfläche also.
Ihren Holzplatten im Baumarkt-Stil täte eine Abdeckung aus einem
ansprechenden Teppich gut. Um die kleine Mittelinsel herum ist
ein Metallring angebracht, aus dem eine einzige Reihe Fontänen
emporsteigt. Variiert werden können die Höhe des Strahls und die
Taktung. Diese Art von einfachem Wasserspiel begleitet jede
einzelne Darbietung der Show. Auf raffinierte
Beleuchtungseffekte, die das Wasser in Szene setzen, wartet man
vergeblich. So werden letztlich durchaus Wasser und Circus, aber
nur eingeschränkt Emotionen offeriert.
 
Chapiteau, Opening mit Wasserbühne
Das
Unternehmen von Davide Trentini spielt in dem neuen, rot-gelben
Chapiteau, das vor einem Jahr angeschafft wurde, ebenso wie das
Gradin mit blauen Schalensitzen, auch im Logenbereich. Bei
unserem Besuch in Wald, wenige Kilometer von Rapperswil
entfernt, wird auf das Vorzelt verzichtet. So stehen der
Restaurationswagen, die von einem Kirmes-Fahrgeschäft stammende
Kasse sowie Tische und Stühle zum Verweilen direkt im Freien.
Dort versammelt sich auch das Publikum, denn der Einlass beginnt
erst zur angegebenen Vorstellungszeit. An der Kasse treffen wir
Leyla Mak-Frank, an der Restauration ihren Mann Gino Frank.
Nachdem die Familie derzeit nicht mit ihrem eigenen Circus reist
(2024 in Kooperation mit Filip Geier-Busch als Busch-Roland,
zuvor lange als Moskauer Circus), hat Gino Frank bei Medrano die
Aufgabe des Zeltmeisters übernommen. Die jüngere Generation mit
Oleksandr und Latoya Mak-Frank ist im Programm vertreten, ebenso
wie die Familie Tonitos, die viele Jahre lang bei den Franks
engagiert war.
  
Oleksandr Mak-Frank, Alan Rossi, Erik Medina
Zum Beginn
der Vorstellung paradiert das achtköpfige Ensemble über den
Umgang der Wasserbühne, dabei in die Hände klatschend. Auf der
Spielfläche entspinnt sich ein Charivari mit Keulen- und
Teppichjonglage, sich drehenden Hula-Hoop-Reifen,
Hand-auf-Hand-Akrobatik und einem ersten Kennenlernen von Clown
Alan Rossi. Oleksandr Mak-Frank mimt mit einem Mikrofon in der
Hand einen Sänger. Mit einer weiteren Runde der gesamten
Compagnie um das Wasserbassin findet das Opening seinen
Abschluss. Nun heißt es Manege frei für Oleksandr Mak-Frank. Mit
violetter Hose und freiem Oberkörper zelebriert der junge Mann
kraftvolle Posen und gewagte Abfaller an den Strapaten, wickelt
sich betont langsam auf und ab. Einmal mehr gefällt uns, wie er
stets mit dem Herzen bei der Sache ist und das Publikum
mitzureißen versucht, auch wenn es einmal nur wenige
Zuschauerinnen und Zuschauer sind – so wie an diesem Nachmittag,
als etwa 60 Kinder und Erwachsene die Vorstellung verfolgen. Das
ist auch keine ganz einfache Situation für Clown Alan Rossi, der
sich daran macht, das Publikum mit bestens bekannten Szenen zu
unterhalten. Mit weißem Hemd und karierter Weste, schwarzer Hose
und roten Socken, Hut und dicker Brille verkörpert der
sympathische Italiener einen traditionellen Typ Spaßmacher.
Zunächst spielt er die Golfball-Reprise. Ein Gast aus den
Tribünenreihen soll den imaginären Ball letztlich in einer
hochgehaltenen Papiertüte fangen. Klassische Jonglagen
präsentiert Erik Medina aus Mexiko. Bis zu sechs Bälle schickt
er sicher auf verschiedenste Touren, danach hält er sieben und
im dritten Anlauf kurz auch acht Ringe in der Luft. Bei der
Jonglage mit drei Keulen dreht er Pirouetten oder lässt
gleichzeitig einen Ball auf seinem Kopf springen. Mit der
Schwerkraft zu kämpfen hat er an diesem Tag bei der Arbeit mit
fünf Keulen, und den Abschluss bildet der effektvolle Wechsel zu
fünf Fackeln.
  
Latoya
Mak-Frank, Duo Madison, Alan Rossi
Echte
Tiere gibt es in diesem Programm nicht, aber immerhin animiert
Alan Rossi einen Spielzeug-Hund zum Reifensprung. Zuvor macht
das "Tier" einen Überschlag, und als weiterer „Special Effect“
kippt überraschend das Podest weg, auf dem das "Tier" agiert. Es
ist heute fast schon eine Rarität, wieder einmal eine
traditionelle Vertikalseilnummer zu erleben. Hier hat sich
Latoya Mak-Frank für dieses Genre entschieden. Begleitet von
treibender Musik wagt sie verschiedene rasante Wirbel an
Schlaufen, dies auch kopfüber. Geschicklichkeit beweist Alan
Rossi, wenn er einen geworfenen Hut oder eine nach oben
gepustete Straußenfeder jeweils mit dem Kopf fängt. Zu den
stärksten Nummern im Programm gehören die Antipodenspiele von
Marisa Tonito und ihrer Tochter Madison als Duo Madison. Dabei
werden von Marisa Tonito fünf große Bälle mit den Füßen
jongliert und von Madison Tonito vier Teppiche kreisen gelassen.
Marisa Tonito bugsiert einen Ball über fünf Plattformen an einer
Metallstange in den Korb am oberen Ende. Die Stange ist an ihren
Füßen befestigt. Gemeinsame Sache machen Mutter und Tochter beim
Schlusstrick. Madison steht im Schulterstand auf den Füßen von
Marisa Tonito. So lassen beide gemeinsam fünf Teppiche auf
Händen und Füßen fliegen. Eigentlich erwarten wir nun bereits
die Pause, doch zuvor hat noch Alan Rossi seinen ausführlichsten
Auftritt. Er lädt eine Dame und einen Herrn aus dem Publikum zu
einer Fahrt auf dem imaginären Motorrad ein. Ob eine solche
Szene mit deutlichem Körperkontakt zwischen Komiker und Gast
noch in diese „hypersensible“ Zeit passt, lassen wir
dahingestellt.
 
Erik
Medini und Alan Rossi, Oleksandr Mak-Frank
Auch in
Hälfte zwei steuert Oleksandr Mak-Frank die erste Darbietung
bei, nunmehr mit Handstandakrobatik. Zunächst arbeitet er
stilvoll im blauen Anzug und mit Hut, dann legt er Sakko, Weste
und Kopfbedeckung ab und präsentiert – wie schon an den
Strapaten – den freien Oberkörper. Im letzten Teil seiner Nummer
drückt er seine Handstände auf einer hohen Stange. Auch beim
zweiten Auftritt wirkt er jederzeit voll motiviert. Für eine
gemeinsame Jonglagenummer haben sich Erik Medini und Alan Rossi
zusammengetan. Sie lassen drei Keulen hin und her fliegen und
schaffen es, dabei ihre Kleider zu tauschen. Auch ein kurzes
Passing mit sechs Keulen gehört zu diesem kurzfristig
zusammengestellten Joint Venture, das natürlich nicht so
ausgefeilt sein kann wie eine etablierte Nummer dieser Art à la
Strahlemann und Söhne.
 
Chan Brothers,
Oleksandr Mak-Frank
Eine
attraktive Darbietung tragen noch die beiden Chan Brothers zur
Vorstellung bei. Die Marokkaner in weißen Hosen zeigen eine
anspruchsvolle Partnerakrobatik, beweisen dabei Kraft, Balance
und Gleichgewichtssinn – dies etwa bei der einarmigen
Handstandwaage auf dem Kopf des Untermannes. Als letzte Reprise
bringt Alan Rossi sein Wasserspucken, das bei Kindern und
Erwachsenen großes Vergnügen auslöst. So stürmen einige Kinder
nach vorne und filmen ihren mitwirkenden Freund mit dem
Smartphone. Zum Abschluss der Vorstellung gibt es eine neue
Version der Magic Show der Familie Tonitos. Oleksandr Mak-Frank
schlüpft nun in die Rolle des Magiers, seine Schwester Latoya
sowie Marisa und Madison Tonitos fungieren als Assistentinnen.
Zum Beginn entsteigen die Damen einem scheinbar leeren Käfig,
dann wird Madison Tonitos dem Anschein nach von spitzen,
brennenden Speeren in einer Kiste durchbohrt, entsteigt dieser
aber unversehrt – gefolgt von den beiden anderen Damen. Von
Jidinis kennen wir die ungewöhnliche Illusion mit
geheimnisvollen Platzwechseln unter Tüchern. Letztendlich
verschwindet Marisa Tonito vor den Augen des gesamten Publikums
aus einer schwebenden Box. Im Finale stellt sich das Ensemble
nochmal gemeinsam vor. |