Barrett
erzählt von den Anfängen mit der Vorführung von Pferden. Hoch zu Ross
reitet Tamerlan Khadikov über das Sägemehl. Im Gepäck hat er Keulen,
mit denen Gattin Helena die später hinzukommenden Akrobaten darstellt.
Hausartist Paulo dos Santos illustriert an den Strapaten ein weiteres
Genre der Artistik. Danach wird klassischer Circus im Stil unserer Zeit
gespielt. Die letzten beiden Darbietungen lassen uns dann einen Blick
in die Zukunft werfen. Seine letzte Reprise spielt Totti Alexis
gemeinsam mit seinem sechsjährigen Sohn Charlie. Die Schlussnummer
gehört Antonio und Connor Garcia. Ganz sicher werden die elf und 15
Jahre jungen Artisten mit ihren Handständen die bereits begonnene
Erfolgsserie fortsetzen. Somit folgt letztendlich sogar der
Programmablauf dieser Zeitreise.

Eingangsbereich
Auch
geographisch wandelt Zippos Circus auf den Spuren Astleys. Denn am
Beginn der Tournee stehen mehrere Plätze in verschiedenen Teilen
Londons. Ich besuche das Unternehmen in Gladstone Park. Vom Zentrum aus
ist die Grünfläche gut mit der U-Bahn zu erreichen. Der weiße
Viermaster bildet den Mittelpunkt der Circusstadt. Ein nostalgisch
anmutender Kassenwagen sowie ein Zaun mit beleuchteten Rundbögen bilden
die Front. Über dem Eingang zum Platz prangt in großen Lettern
„Zippos“. Das Stallzelt für die Pferde ist im vorderen Bereich
aufgebaut. Im Vorzelt befindet sich die Restauration. Im Chapiteau stehen den Besuchern ihre Plätze auf Klappsitzen oder in den Logen
zur Verfügung. Über
der roten Gardine strahlen fünf Sterne sowie der Name des Circus. Ein
Orchester gibt es nicht. Die Musikeinspielungen sind aber von guter
Qualität. Gleiches gilt für das sehr ansprechende Lichtdesign.

Norman Barrett, Totti Alexis, Charlotte Alexis
Bereits
vor dem Opening macht Totti Alexis das warm up. Er muss ein Paket
zustellen und wird dabei aufgefordert, den richtigen Code zu nennen.
Den passenden Klatschrhythmus findet er gemeinsam mit dem Publikum.
Zusammen mit Ehefrau Charlotte in der Rolle des Weißclowns spielt er
eine Kunstschützen-Szene. Natürlich sind mehrere Anläufe notwendig, um
den Apfel in Form eines roten Luftballons mit grünem Blatt per Armbrust
zu zerschießen. Mit einer Trompete macht Totti Jagd auf eine Biene, um
schließlich selbst als eine solche durch die Manege zu fliegen. Dass er
auch ein hervorragender Sänger ist, beweist der Spaßmacher im Kampf mit
einem Mikrofonständer. Zwei Trompeten sind wiederum dabei, wenn Totti
den gestrengen Part im Zusammenspiel mit Sohn Charlie gibt. Und
natürlich hat der Junior die Sympathien und Lacher auf seiner Seite. Es
ist wohltuend zu sehen, wie Totti und seine Familie immer wieder neue
Szenen entwickeln und liebevoll umsetzen. Die Familie Alexis ruht sich
nicht aus, sondern ist äußerst kreativ. Hinzu kommen das sympathische
Auftreten und ein hohes Maß an Professionalität. „Totti time“ antwortet
das Publikum, wenn Norman Barrett fragt: „What's the time?“. Der
grauhaarige Brite ist ein Sprechstallmeister wie aus dem Bilderbuch. Er
ist der personifizierte Ringmaster. Im Programmheft wird er gar als
„World's Greatest Ringmaster“ tituliert. Natürlich gehören Frack,
Fliege und Zylinder zu seinem Aufzug. Mit markanter Stimme und
ungeheuer charmant moderiert er die Show von Zippos Circus. Das
übrigens durchgehend seit 2001. Zuvor war er in vielen anderen Manegen
zu erleben. Auch im Frankfurter Tigerpalast ist er ein gern gesehener
Gast. Dort führt er seine quirligen Wellensittiche vor. Natürlich sind
die bestens dressierten Vögel auch hier im Programm zu sehen. Sie
beherrschen vielfältige Kunststücke und können es kaum erwarten, diese
zu zeigen. Natürlich lässt es sich Barrett nicht nehmen, den Auftritt
seiner gefiederten Freunde selbst zu kommentieren.
  
Hermansito Truppe, Melissa Jimenez Perez, Alex Michael
Das
erste Ausrufezeichen im artistischen Bereich setzen vier Mitglieder der
Hermansito Truppe. Die beiden Porteure werfen die Fliegerin und den
Flieger mit Hilfe eines Russischen Barren in die Luft, um sie nach
gewagten Sprungkombinationen sicher wieder aufzufangen. Salti und
Schrauben werden mit viel lateinamerikanischer Lebensfreude dargeboten.
In voller Besetzung erleben wir das achtköpfige Ensemble vom kubanischen
Nationalcircus gegen Ende des zweiten Teils am Schleuderbrett.
Gegenseitig katapultieren sich die jungen Akrobaten in die Luft. Ein
Fünf-Personen-Hoch mit Perchestange und ein dreifacher Salto in einen
Sessel sind die Höhepunkte dieser Darbietung. Auch bei der wunderbar zu
Melodien aus dem Film „The Greatest Showman“ in Szene gesetzten
Produktionsnummer ist ein Quartett der Hermasitos dabei. Zunächst
zelebriert Melissa Jimenez Perez auf einem Podest Handstände, einen
freien Kopfstand und Elemente der Kontorsion. Die Hermansitos sowie
Paulo dos Santos tanzen dazu. Dann nehmen Melissa und Paulo auf der
Piste Platz, um die Künste der Kubaner zu bewundern. Diese erfreuen uns
mit verschiedenen Menschentürmen. Die Riege der Künstler vom
amerikanischen Kontinent wird durch Alex Michael komplettiert. Das
ehemalige Mitglied der Flugtrapez-Formation Flying Michaels sorgt jetzt
mit dem Deckenlauf sowie Sprüngen von Trapez zu Trapez für
Nervenkitzel. Zunächst bewegt er sich mit den Händen von Schlaufe zu
Schlaufe, dann mit den Füßen. Bei seinem zweiten Sprung von einem
Trapez zum anderen fängt er sich nur mit den Füßen auf. Das alles ohne
jegliche Sicherung.
  
Duo Garcia, Garcia Boys, Helena Khadikova
Mit
einer spektakulären Luftnummer beginnt auch der zweite Programmteil.
Vicky und Pablo Garcia zünden ihre Rakete, um damit unter der Kuppel
des Chapiteaus zu rotieren. Kurz nachdem das silber glänzende
Flugobjekt die Umlaufbahn erreicht hat, öffnet sich die obere Luke.
Pablo kommt heraus und zeigt einen Handstand. Weitere
spektakuläre Tricks folgen, wenn das Duo unter der Rakete arbeitet. Am
Ende hängt Pablo kopfüber unter dem Raumschiff und wirbelt Vicky an
einem Seil umher, an dem sie sich mit den Zähnen hält. Wie bei Alex
Michael ist man als Zuschauer auch bei den Garcias erleichtert, wenn
sie wieder festen Boden unter den Füßen haben. Vermutlich sind Vicky
und Pablo Garcia froh, dass sich ihre Söhne – zumindest vorerst – der
Parterre-Akrobatik verschrieben haben. Mit starken Handständen zu
flotten Beats reißen die coolen Jungs die Zuschauer mit. Dabei
verstehen sie es gekonnt, ihren jugendlichen Charme spielen zu lassen.
Es ist schön zu sehen, wie sich Leistung und Verkauf kontinuierlich
weiterentwickeln. Komplettiert wird das Programm durch die Khadikov-Truppe. Ihre Kosakenreiterei bildet die Pausennummer. Darin wagen
Tamerlan Khadikov und Ehefrau Helena gemeinsam mit den Partnern Aman
sowie Kanat tollkühne Kunststücke auf und auch unter ihren Pferden. Das
Tempo ist dabei sehr hoch. Ganz so wie es bei einer schneidigen
Reiterei gestandener Frauen und Männer sein muss. Folkloristische
Kostüme und ein extrovertiertes Auftreten der Akteure runden das Bild
perfekt ab. Tamerlan Khadikov ist zudem als „Kurier von St. Petersburg“
zu erleben. Auf zwei Pferden stehend, lässt er vier weitere unter sich
hindurch laufen. Das allerdings ohne sie an langen Zügeln zu halten.
Wenngleich die Darbietung an diesem Abend nicht ganz rund läuft, ist
sie doch eine wunderbare Reminiszenz an die Tradition des Circus mit
Pferden. Ganz in der Tradition von Philip Astley.
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