Artistik am Boden gibt es in dieser
außergewöhnlich zusammengestellten Show nicht mehr, nachdem
Jongleur Ty Tojo ausgeschieden ist. Zu den Tier- und
Luftnummern kommen die Auftritte von Don Christian. Ein
fabelhafter Clown, dessen Ausstrahlung und dessen engagiertes
Spiel das gesamte Zelt ausfüllen und bis in die hinterste
Tribünenreihe reichen. Wie alljährlich im Sommer spielt der
Ungarische Nationalcircus fast zwei Monate lang in Balatonlelle,
einem lang gezogenen Familien-Badeort am Ufer des Plattensees.
Dort besitzt die Familie Richter ein großes Wiesengrundstück
direkt an der Hauptverkehrsstraße 7, zwischen den stark
frequentierten Discountern Lidl und Aldi sowie einem
Kirmes-Vergnügungspark gelegen. Besser sichtbar könnte das
Unternehmen hier kaum aufgebaut sein. Zeltanlagen und Fuhrpark
sind in den Landesfarben grün, weiß und rot gehalten. Gespielt
wird täglich um 20 Uhr, wenn ungarischen und internationalen
Touristen nach Strand und Abendessen der Sinn nach Unterhaltung
steht. Nur sonntags ist spielfrei.
 
Bruno Raffo, Rene Casselly junior
Die Vorstellung beginnt mit der Ouvertüre
des siebenköpfigen Orchesters. Zu den funkigen Klängen singt die
afrikanische Sängerin Lady Masallah „Play that Sax!“. Sie
umrundet dabei den Gang zwischen Loge und Tribüne, denn in der
Manege ist der Raubtierkäfig schon aufgebaut. Während die acht
Löwen ihre Plätze auf der Pyramide einnehmen, überquert ein
Hochseilläufer das Geschehen. Bruno Raffo leitet die Tiere in
souveräner Weise zu weiteren Tricks an. Hochsitzer, Sprünge am
Zentralkäfig entlang zur Löwenbar oder ein Fächerlauf gehören
dazu. Die Raubkatzen kommen aus dem Bestand von Martin Lacey
jun. Trompetenspiel von Don Christian und Gesang von Lady
Masallah leiten über zur nächsten großen Dressurnummer. Rene
Casselly junior stellt die einzigartige Kombination mit jeweils
vier Pferden und Elefanten vor. Alle Tiere tragen Bereiterinnen
in herrlichen, rot-schwarzen Kostümen. Die Elefanten drehen sich
auf Podesten und werden dabei jeweils von einem Schimmel
umrundet. Der große Fächer oder das Abliegen und Aufsitzen
werden ebenso mit allen Tieren gezeigt. Für Heiterkeit ist
gesorgt, wenn ein kleines Pony unterm Dickhäuter hindurchläuft.
 
Don Christian, The Gerlings
Don Christian hat in dieser Show eine
besondere Herausforderung zu meistern. Und damit ist nicht das
Glockenspiel gemeint, mit dem der Österreicher uns in Lederhosen
bestens unterhält. Ein Junge aus dem Publikum sorgt dabei für
besondere Akzente. Mit einer großen Kelle bedient er den Gong an
Christians Gesäß. Nein, neu ist für Don Christian sein Einsatz
als Vorführer einer Tiernummer. Jozsef Richter jun. bringt vier
gescheckte Esel in die Manege. Mit einem Augenzwinkern übergibt
er diese an Christian. Und dieser soll nun beweisen, dass auch
er das tierische Metier beherrscht. Er schlägt sich wacker,
selbst als sich Schwein und Ziege dazu gesellen. Schlussendlich
springt erst ein Guanako über die Esel und dann Don Christian
beherzt auf deren Rücken. Experiment geglückt! Mitten in Programmteil
eins ist die erste große artistische Sensation platziert. Eine
Formation der Truppe Gerlings zeigt ihr facettenreiches Können
auf dem Hochseil.
Aufgang übers Schrägseil, fünffaches Liegen auf dem Seil,
Seilspringen zu dritt oder Bocksprünge gehören dazu.
Gleichzeitig mit der Dreierpyramide einschließlich freiem Stand
auf dem Stuhl gibt es noch zwei parallel ausgeführte Kopfstände.
Die Dame im Ensemble wagt einen Spagat auf dem Seil, und die
Herren die legendäre Siebener-Pyramide. Ungesichert.

Jozsef und Merrylu Richter
Voller Stolz feiert man im Ungarischen
Nationalcircus den aktuellen Gewinn eines Goldenen Clowns beim
Internationalen Circusfestival von Monte Carlo. Und so
wird die große Exotennummer mit den Titeln „We are the
Champions“, „Simply the Best“ und „The Winner takes it all“
musikalisch begleitet. Dazu tragen die Musiker ebenso wie
Moderator Réz Tamás goldfarbene
Sakkos. Dies alles nicht zu Unrecht, denn dieses Schauspiel ist
wirklich unvergleichlich. Es beginnt mit dem Auftritt der beiden
Giraffen, von denen eine sich im Leuchtgeschirr auf dem
Spiegelpodest dreht. Einige Logenbesucher dürfen beide Tiere aus
der Hand füttern. Vier Kamele und sechs Zebras werden von Jozsef
Richter jun. in Freiheitsdressur präsentiert. Beim Par Deux
reitet seine Ehefrau Merrylu auf einem Pferd feurig zwischen den
anderen Tieren
hindurch. Es folgt das große Karussell auf drei Bahnen. Vier
Elefanten, jeweils sechs Zebras und Kamele, neun Pferde und vier
Lamas ziehen ihre Kreise. Und mittendrin, auf dem fünften
Elefant inmitten der 30 Vierbeiner, präsentiert Jozsef Richter
jun. selbstbewusst seine Trophäe aus Monaco.
 
Don Christian, Super Silva junior
Die Familie Casselly hat mit ihren Tieren
viele außergewöhnliche Dressurkreationen geschaffen. Da ist es
fast schon überraschend, wenn Rene Casselly senior nun wieder
einmal eine reine Pferdefreiheit mit sechs Schecken in die
Manege bringt. Auch diese zeigt seine Meisterschaft und Klasse;
alle Figuren werden mit höchster Präzision gelaufen. So beim
Doppel-Changer, wenn also beim Gegenlauf beide Gruppen
gleichzeitig die Richtung wechseln. Mit sechs Ponys wird die
Nummer zum Zwölferzug erweitert, mit Pferde- und Ponysteiger
findet sie ihren Abschluss. In seiner zweiten längeren Szene
formiert Don Christian große und kleine Zuschauer zum Orchester.
Nach dieser heiteren, viel belachten Entspannung ist wieder
Nervenkitzel angesagt. Super Silva junior, ein Sohn von Super
Silva, zeigt seine
Kombination aus Deckenlauf und ungesicherten Sprüngen zum
Trapez. Selten wurde dieses risikoreiche Genre derart wagemutig
dargeboten. Ein wahrer Hasardeur.
  
Rene Casselly jun., Truppe
Gerlings, Truppe Richter
Die hauseigenen Darbietungen werden von
Saison zu Saison ausgewechselt oder zumindest variiert und
weiterentwickelt. Und so wurde die hervorragende Jockey-Nummer
der Truppe Richter um Elemente der Dshigitenreiterei ergänzt.
Auf gesattelten Arabern werden die Dshigiten-Tricks gearbeitet.
Unter anderem klettert Rene Casselly jun. im vollen Galopp eines
Pferdes um dessen Rumpf. Fürs Jockeyreiten stehen schwerere
Pferde mit Decken auf den Rücken zur Verfügung. Waghalsige
Sprünge und Salti von Pferd zu Pferd, Zwei-Mann-Hoch oder die
Stehendreiterei zu fünft auf einem Ross sind typische
Bestandteile des Genres. Nicht fehlen darf, dass Jozsef Richter
jun. beim Stehendreiten die grün-weiß-rote Fahne über den Köpfen
der Logengäste schwenkt. Auch wenn der ungarisch-folkloristische
Verkauf heuer zugunsten des Dshigiten-Stils aufgegeben wurde.
Nochmal heizen Don Christian und Lady Masallah die Stimmung
kräftig an, singen mit den Zuschauern „I feel good“. Dann kann
das abschließende Highlight folgen, nämlich die Waghalsigkeiten
der Truppe Gerlings auf dem doppelten Todesrad. Ob Blindlauf, Seilspringen
oder hohe Sprünge – alle Tricks werden jeweils simultan auf den
Außenseiten der beiden Räder dargeboten. Tosender Applaus. |