Aus sechs Gastspielen im ersten Sommer
sind inzwischen über dreißig Termine geworden. Eine weitere
Aufstockung schließt Riedeman nicht aus. Meist spielt man auf
Parkplätzen von Spielbauernhöfen, Pfannkuchenhäusern und anderer
Erlebnisgastronomie. Hinzu kommen einige wenige Campingplätze.
Von diesen Partnerschaften profitieren beide Seiten, indem man
sich gegenseitig Gäste beschert. Dies sind zumeist Familien mit
kleinen Kindern. Daran angepasst ist das Konzept: die
Vorstellungen finden meist bereits am Vormittag statt, vorher
lädt ein kleiner Jahrmarkt ein.

Außenansicht
So tummeln sich bereits weit vor
Programmbeginn viele kleine und große Zuschauer auf dem von
einem nostalgischen Zaun umgebenen Gelände, das man durch ein
Eingangsportal betritt. Hier und an vielen weiteren Stellen
findet man das Logo mit dem namensgebenden Schnurrbart. In
kleinen Zelten und unter freiem Himmel werden die
Jahrmarktspiele angeboten: Enten angeln, Büchsenwerfen,
Zerrspiegel, heißer Draht… Fünfzig Cent kosten die Spiele, zehn
Euro der Eintritt zur Vorstellung. Karten für beides gibt es an
einem Oberlichtwagen, an dem auch Getränke verkauft werden. In
einem weiteren Anhänger werden Popcorn und Zuckerwatte
angeboten. Ein alter Feuerwehrwagen dient als Werbefahrzeug.
Cirque Moustache spielt bewusst mit dem Bild des romantischen
Circus-Abenteuers; aber man lebt es hier auch. Die Helfer, die
allesamt aus Riedemans Circusschule stammen, schlafen wie auch
einige der Artisten in Zelten. Der Küchenwagen dient vielmehr
als gemütlicher Gemeinschaftsort; in Zukunft soll hier auch eine
Dusche eingebaut werden.
  
Ambiente, Dame mit vier Beinen
Pünktlich zur Vorstellung rekommandiert
der Direktor selbst im roten Frack und lässt die Blicke der
Zuschauer zunächst auf eine Dame mit vier Beinen wandern. Nach
kurzer Zeit ist dieses „Spektakel“ bereits wieder vorüber, und
es geht vorbei an der Fassade mit alten Circus-Motiven ins
kleine Spielzelt. Das rote Chapiteau misst sechszehn Meter im
Durchmesser. Die vier Masten ragen nicht heraus, sondern tragen
die Kuppelkonstruktion von innen. Beim Besuch sind die
Besucherreihen rund um die Sechs-Meter-Manege bestens gefüllt;
heißt. Freie Plätze sucht man auf zwei ebenerdigen, speziell für
die Kinder gedachten Bänken sowie dahinter auf der dreistufigen
Tribüne vergebens. Insgesamt stehen rund 250 Sitzmöglichkeiten
zur Verfügung. Das Gradin ist nagelneu und die diesjährige
Hauptinvestition in den Circus. In den nächsten Jahren sollen
weitere Neuanschaffungen, etwa bei Licht und Ton, folgen.
  
Jasper Riedeman, Coco Peraglie,
Berl Both
Während das Ambiente bewusst als aus der
Zeit gefallen anmutet, ist die Vorstellung hingegen modern
gestaltet. Das liegt nicht zuletzt an den Artisten selbst, die
allesamt eine artistische Ausbildung an entsprechenden
Hochschulen anstreben oder sie auch schon abgeschlossen haben.
Einige der Künstler waren bereits in den vergangenen Jahren
dabei, andere sind neu. Heuer kommen sie aus den Niederlanden
selbst sowie aus Deutschland. „Bravoure“ ist der Titel der
diesjährigen Produktion, die etwas unvermittelt beginnt. Der
Requisiteur, der beim Einlass noch die Manege fegt, entpuppt
sich als komisches Vertreter seiner Gattung – allerdings in
heutiger Mode mit kurze Hose und Basecap. In diese Rolle
schlüpft Berl Both, der sich an der Circusschule in Leeuwarden
eigentlich auf Seiltanz spezialisiert hat. Damit war er bereits
beim Cirque Moustache. In diesem Jahr zeigt er hingegen mehr
sein komisches Talent. So entsteht aus der Szene zunehmend eine
witzige Kaskadeur-Arbeit, zusammen mit Jasper Riedeman. Nach
einem musikalischen Intermezzo und der eigentlichen Begrüßung
des Publikums übernimmt Coco Peraglie. Die Deutsche im
auffälligen Rockabilly-Kostüm mit Kirschen-Bluse lässt bis zu
vier Hula Hoop-Reifen um Arme, Beine, Hüfte und sogar ihren
Haarschweif kreisen.
  
Maskottchen Brutus, Ida Cramer,
Sabine Lustig
Wie ein modernes Clown-Trio muten Jasper
Riedeman, Berl Both sowie Daniel Simu an. Letzterer hat bei
Codarts gelernt und gehört zur Stammbesetzung des Cirque
Moustache. Meist schlüpft auch er in die Rolle eines Komikers.
Wie hier, wenn er sich mit Both um die Aufgabe des Stuntman
streitet, der am Schluss der Vorstellung seinen großen Auftritt
haben soll. Riedeman gibt den seriösen Part. Eine moderne
Variante der Arbeit am Vertikalseil präsentiert Sabine Lustig.
Dazu gehören zumeist verschiedene Figuren am Requisit, aber auch
Abfaller. Besondere Betonung bekommt die Darbietung durch die
musikalische Live-Begleitung. Lebende Tiere gibt es keine,
dennoch bildet der Stofflöwe Brutus das Maskottchen des Circus.
Wenn im Kostüm allerdings die beiden Komiker Berl Both und
Daniel Simu stecken, können Kopf und Hinterteil schon mal ein
jeweiliges Eigenleben entwickeln. Davon ablenkend, beweist Simu
sein Talent als Jongleur, hier veritabel mit drei Bällen.
Wenngleich Berl Both im Wettstreit um den finalen Auftritt
unterlegen war, spielt auch er sich bewusst ironisch als
Stuntman auf und zelebriert seine nun folgende Nummer. So lässt
er Laserstrahlen im abgedunkelten Zelt wandern, Feuereffekte
entstehen und Blitze durch seine Körper leiten. Durchaus
spektakulär im kleinen Zelt. Wenn dabei nicht scheinbar auch die
Stromversorgung leidet. Abhilfe schafft da Ida Cramer als toughe
Feuerwehrfrau. In diese eigenwillige, aber passende Inszenierung
hat die Tilburg-Absolventin ihre Darbietung am chinesischen Mast
verpackt. Denn mittels ihres Requisits schafft sie es, die
Mängel zu beheben. Ihre eigentlichen Tricks zeigt sie dabei
quasi en passant. Der Mast ist, wenn möglich, vor dem Zelt
errichtet. Das ermöglicht einen schnelleren Ablauf ohne Auf- und
Abbauten; zudem befinden sich die Zuschauer damit bereits wieder
auf dem Jahrmarktgelände für die folgende Pause.
  
Sequoia van Ekeren, Ensemble,
Daniel Simu
Tolle Bilder entstehen zu Beginn des
zweiten Teils, wenn Daniel Simu mittelgroße LED-Reifen jongliert
und manipuliert. Assistenz bekommt er auch hier von Berl Both.
Höhepunkt des Programms ist Sequoia van Ekeren, die sich am
Tanztrapez zunächst selbst mit toller Stimme musikalisch
begleitet. Auch ihre kontorsionistischen Figuren am Luftrequisit
sind so gut, dass man ihr neben ihrer aktuellen
Gesangsausbildung in Den Haag unbedingt auch einen akrobatischen
Werdegang nahelegen möchte. Verblüffend ist die gemeinsame
Illusion von Sabine Lustig und Daniel Simu. Während sie in einem
einfachen Umzugskarten entschwindet, durchbohrt ihr Partner das
Pappstück mit unzähligen Stäben. Schlussendlich folgt der finale
Auftritt von Daniel Simu als Stuntman, der sich als lebende
Kanonenkugel durchs Zelt schießen lässt. Wie genau, das sei an
dieser Stelle mal verschwiegen… Im Finale jedenfalls wirkt er
putzmunter mit und baut mit seinen Mitstreitern sogar einige
menschliche Pyramiden. |