Dafür nimmt die Zahl der
Weihnachtsproduktionen weiter zu. Und es wachsen einige
Familienunternehmen. Sie versuchen, in die Lücke zu stoßen, die
von den früheren Platzhirschen hinterlassen wurde. Ein besonders
markantes Beispiel ist dieser Moskauer Circus der Familie von
Nando Frank. Er ist 2018 mit neuem, spektakulären Material und
einem beeindruckend großen Ensemble mit engagierten
Artisten unterwegs. Und dies nicht nur für zwei, drei
Gastspiele. Vielmehr wurde das Programm eine achtmonatige
Reisesaison lang gezeigt und zwischendurch auch noch
verstärkt. Man kann nur staunen, wie das alles funktioniert –
gegen den Trend in Circus-Deutschland.
  
Nando Frank, Boleg (Sandro
Frank), Thalia Tonito
Der Name des Unternehmens, die
Gestaltung der Plakate, der Kassenwagen mit kyrillischer Schrift
– geschickt wird hier auf die große Tradition der Circuskunst im
Gebiet der ehemaligen Sowjetunion Bezug genommen, werden
Assoziationen an den Staatscircus geweckt. Auf dem schwierigen
Wiesengelände an der Durchfahrtsstraße hat die Familie Frank
nicht ihren neuen, rot-weißen Zeltpalast, sondern den älteren,
etwas kleineren Vorgänger aufgebaut. Dennoch gibt der Circus ein
eindrucksvolles Bild ab. Vier Masten und acht Quaderpole stützen
das rote Chapiteau; im Inneren sind zwei Reihen Logenstühle und
ein fünfreihiges Schalensitzgradin aufgebaut. „So etwas hat
Tauberbischofsheim noch nicht gesehen!“, verspricht Direktor
Nando Frank in seiner Begrüßung. Und weckt bei mir damit
wehmütige Erinnerungen an die 1980er Jahre, als noch Barum und
Busch-Roland zu ihren Glanzzeiten in Tauberbischofsheim
spielten, damals auf dem Wörtplatz inmitten der Stadt. Thalia
und Kevin Tonito eröffnen die Spielfolge mit Artistik auf dem
doppelten Drahtseil. Zu Rockmusik springt sie durch einen Feuer-
und er durch einen mit Messern gespickten Reifen. Schlusstrick
ist Thalia Tonitos Rückwärtssalto. Andernorts wurde die
Darbietung sogar mit drei Drahtseilen und Akteuren gezeigt. Die
wenigsten Darbietungen in diesem Programm werden von der
Direktionsfamilie selbst übernommen. Eine Ausnahme bildet Sandro
Frank alias Clown Boleg. Er spielt klassisch „Popcorn“, holt
einen Zuschauer für seine Golfball-Reprise in die Manege und
lässt den gleichen „Freiwilligen“ später – wie bei den „Alten
Kameraden“ – sein Glück auf dem Schleuderbrett versuchen.
  
Oleksandr (Sascha Mak-Frank),
Robano Kübler, Veronica Navas
Mit Veronica Navas geht es das
erste Mal hoch in die Luft. Im Kopfstand auf dem
Washingtontrapez lässt sie jeweils einen Ring um beide Arme
kreisen. Danach sehen wir – nun mit Longensicherung – Kopfstände
erst am schwingenden, dann am sich drehenden Trapez. Für die
beiden Tiernummern im Programm wurde Robano Kübler engagiert.
Zunächst präsentiert er zu flotter Musik seine acht Hunde. Diese
beherrschen verschiedene Sprünge, sitzen zu viert hoch und
verabschieden sich mit einer Polonaise. Vorher schlägt einer der
Vierbeiner einen Rückwärtssalto; ein anderer reitet hochsitzend
auf einem Pony. In der zweiten Luftdarbietung des Programms
demonstriert Oleksandr (alias Sascha Mak-Frank) an den Strapaten kraftvolle Posen
und gewagte Abfaller, und dies begleitet von dramatischen
Klängen.
  
Magic Souza, Spiderman (Victorio
de Souza), Truppe Tonito
Eigentlich ist im Programm des
Moskauer Circus auch die Flugtrapez-Nummer der „Flying Souza“
vorgesehen, doch diese kommt im älteren, etwas kleineren
Chapiteau nicht zur Aufführung. Jedoch unterhalten uns die
Souzas mit ihren Großillusionen, in der „Räuber und Gendarm“
auf wundersame Weise die Plätze tauschen und die Rollen
wechseln. Auch ohne das Flugtrapez liegt ein deutlicher
Schwerpunkt der Vorstellung auf Akrobatik in luftiger Höhe. Der
nächste Vertreter dieser Sparte ist „Spiderman“ alias Victorio
de Souza. In der Kostümierung des Comichelden kreist der Artist
an Bungee-Strapaten und überschlägt sich. Acht Personen stark –
vier Herren und vier Damen – ist die Truppe Tonito. Sie
kombinieren ihr Trampolin mit einem Fangstuhl, was zusätzliche
Tricks möglich macht. Höhepunkte der attraktiven Pausennummer
sind das Drei-Personen-Hoch oder der dreifache Salto, ausgeführt
von Marisa Tonito.
 
Leo Navas, Robano Kübler
Als wir Robano Kübler im Jahr
2016 zum ersten Mal im Circus Voyage erlebten, war seine
Raubtiernummer eher noch eine Dressurschule. Inzwischen hat sich
die Darbietung mit zwei weißen und zwei normalfarbenen Tigern stark
weiterentwickelt, ist deutlich sicherer geworden. Zum Repertoire
gehören unter anderem die Pyramide, Sprünge von Podest zu Podest
und über zwei Artgenossen, Hochsitzer und Steiger. Direkt unter
der Kuppel des Chapiteaus wagt Leo Navas seinen Deckenlauf. Zwei
Mal legt er den Weg mit den Füßen durch die Seilschlaufen
zurück, beim zweiten Mal gar mit verbundenen Augen. Daran
schließt sich jeweils ein spektakulärer, ungesicherter Sprung
von Trapez zu Trapez an.
  
Thalya de Souza, Oleksandr
(Sascha Mak-Frank), Duo Madison
Das Quintett der Luft-Acts
komplettiert Thalya de Souza mit viel Charme, Kraft und
Beweglichkeit am Ring. Mit klassischen Handständen überzeugt im
Anschluss noch einmal Sascha Mak-Frank alias Oleksandr. Die
Schlussnummer übernehmen Marisa Tonito und ihre Tochter Madison als
Duo Madison. Bei ihren Antipodenspielen werden von
Marisa Tonito fünf große Bälle mit den Füßen jongliert
und von Madison Tonito vier Teppiche kreisen gelassen. Marisa
Tonito bugsiert einen Ball über fünf
Plattformen an einer Metallstange in den Korb am oberen Ende. Die Stange ist an
ihren Füßen befestigt.
Gemeinsame Sache machen Mutter und Tochter beim
Schlusstrick. Madison steht im Schulterstand auf den
Füßen von Marisa Tonito. So lassen beide gemeinsam fünf Teppiche auf
Händen und Füßen fliegen. Beim großen Finale stehen 19
Mitwirkende in der Manege. Dieses wirklich sehr attraktive Programm hätte
weitaus mehr Besucher verdient gehabt als in der schwach
besuchten Familienvorstellung in Tauberbischofsheim. Schade. |