CHPITEAU.DE

Weltweihnachtscircus 2022/23
www.weltweihnachtscircus.de ; 193 Showfotos

Stuttgart, 17. Dezember 2022: Natürlich sind bei der aktuellen Ausgabe des Weltweihnachtscircus wieder Gewinner der renommierten Festivals in großer Zahl zu erleben. Natürlich werden in Stuttgart wieder Weltrekorde präsentiert. Vor allen Dingen aber wird Circus gespielt. Das wie gewohnt auf höchstem Niveau. Doch auch die vermeintlichen Kleinigkeiten haben ihren Platz. Da gibt es eine schöne Rahmenhandlung, da gibt es Zwischenspiele mit einem prächtigen Weißclown, da improvisieren Ringmaster und Clown herrlich erfrischend, wenn sich eine Umbaupause ungewollt in die Länge zieht.

Wie gewohnt ist die Liste der Mitwirkenden schier endlos. So wurde nach einigen Vorstellungen entschieden, je Show zwei Nummern pausieren zu lassen. An diesem Abend müssen wir auf Jongleur Victor Krachynov und das Strapaten-Duo A & J verzichten. Das ist einerseits schade, andererseits passt nun die Dauer perfekt. 


Finale

Aus dem letzten Winter, in dem dann Pandemie-bedingt letztendlich doch nicht gespielt wurde, geblieben ist der große Achtmaster mit veränderter Sitzeinrichtung. Diese macht die Orientierung unter dem riesigen Chapiteau zu einer echten Herausforderung. Glücklicherweise helfen die Mitarbeiter während des Einlasses bei der Suche nach dem gebuchten Platz.


Yann Rossi, Bello Nock, Björn Gehrmann

Pünktlich um 19:30 Uhr spielt das Orchester unter der Leitung von Marcus Jaichner die Ouvertüre. Dann erfreut Weißclown Yann Rossi im prächtigen Gewand mit einem Saxophonsolo. Merrylu Casselly kommt auf einem Pferd mit riesigen Flügel hereingeritten. Vom Vierbeiner geht es an die Tücher und damit unter die Kuppel. Untermalt wird diese Sequenz von den Klängen des Saxophons. Es übernimmt ihr Bruder Rene Casselly junior, der dank des Gewinns der TV-Formate Ninja Warrior Germany und Let's Dance inzwischen nationale Prominenz erlangt hat. Gemeinsam mit Kathrin Menzinger, seiner Partnerin aus dem RTL-Tanzwettbewerb, legt er eine erste Choreographie aufs Parkett. Rene Casselly junior ist auch auf den Plakaten zum Weltweihnachtscircus abgebildet. Den Platz dort teilt er sich mit Bello Nock. Selbstverständlich will auch der Clown und Stuntman aus den USA die Zuschauer begrüßen. Dies tut er mit seiner Version des aufblasbaren XXL-Clowns, der einem bunten Würfel entsteigt. Das verbale Willkommen übernimmt Björn Gehrmann. Der souveräne Ringmaster im stilvollen roten Frack gehört inzwischen fest zu diesem großen Circusereignis. Mit sympathischer Stimme sagt er die jeweils folgende Darbietung an. 


Flavio Togni, Olga Boyko, Vardanyan Brothers

Als erste Attraktion darf er Flavio Togni ankündigen. Die Circus-Legende aus Italien dirigiert einen Sechserzug mit jeweils drei weißen und schwarzen Arabern zu schönen Lauffiguren. Für ein Karussell auf zwei Bahnen kommen weitere Pferde hinzu. Als da capo gibt es zahlreiche Steiger, die der Tierlehrer im edlen Frack mit einer ordentlichen Prise Showmanship anleitet. Nach einem Zwischenspiel auf dem Xylophon von Yann Rossi entführt uns Olga Boyko unter das Dach des Chapiteaus. Voller Dynamik präsentiert die Ukrainerin eine traumhafte Kür am Luftring. Durchaus riskante Tricks sehen hier ganz einfach aus. Marionette's Dream lautet der Titel der groß aufgemachten Seilspring-Darbietung aus der Mongolei. Die weibliche Marionette zerreißt die Fäden, an der sie hängt und entzieht sich somit der Kontrolle ihres überdimensionalen Puppenspielers. Mit ihren sieben männlichen Kollegen erleben wir sie nun in märchenhaften Kostümen beim Seilspringen in immer wieder neuen Variationen. Sogar im Drei-Personen-Hoch gelingen die Sätze über das Tau. Ein Schwert-auf-Schwert ist der Schlusstrick der Vardanyan Brothers. Beide haben ein Schwert im Mund, welches auf der Spitze des jeweils anderen ruht. Der eine steht, der andere balanciert kopfüber in der Luft. Vor dieser Sensation verwöhnen uns Andranik und Gevorg aus Armenien mit starker Partner-Equilibristik.


Ambra & Yves, Gerlings, Pas de Trois
 

Bei seinen Eskapaden auf dem Trampolin beweist Bello Nock, dass er eben nicht nur ein fantastischer Clown, sondern ebenfalls ein gestandener Artist ist. Und das Improvisieren beherrscht er genauso. Als kurz Verwirrung herrscht, ob die folgende Nummer startklar ist, rennt er zu Björn Gehrmann und verwickelt den Ringmaster in ein spontanes Gespräch. Wenn dann alles bereit ist, erleben wir Golden Dreams. Ganz in Gold gehüllt zelebrieren Ambra & Yves Nicols ihre Akrobatik an den Tüchern im Stil römischer Gladiatoren. Zum Gastspiel in Stuttgart sind sie aus Las Vegas angereist, wo sie zuletzt aufgetreten sind. Auch nach dem Weihnachtsgastspiel geht es für das Duo wieder in die US-amerikanische Metropole des Entertainments. Größtes Vertrauen ist gefragt, wenn Ambra kopfüber mit den Füßen an einem Schild hängt, welches Yves mit den Zähnen festhält. Während Yann Rossi in einem wiederum neuen Weißclown-Kostüm ein Trompetensolo spielt, wird das Hochseil gespannt. Sogleich zeigen darauf neun Mitglieder einer Gerling-Formation ihre waghalsigen Kunststücke. So etwa die Fahrt mit zwei Fahrrädern und einem Kollegen dazwischen in der oberen Etage. Natürlich gehört auch die Pyramide mit sieben Personen zu ihrem Repertoire. Vor der Pause dann das Pas de Trois zu Pferd mit Quincy Azzario, Merrylu und Rene Casselly junior, welches zumindest für uns den Höhepunkt des Programms bildet. Drei blendend aussehende Akteure in wundervollen Kostümen zeigen Akrobatik zu Pferd vom Feinsten. Da steht Quincy auf den Schultern von Merrylu, zeigt Rene ein Kopf-auf-Kopf mit Quincy und alle zusammen reiten im Drei-Personen-Hoch. Eine Rarität, wenn nicht gar ein Unikum, ist der zweifache Salto zu Pferd von Rene Casselly junior. Der Verkauf ist ebenfalls großartig. Im Januar geht es für das Trio zum Circusfestival nach Monte Carlo.


Kathrin Menzinger und Rene Casselly junior, Elena Jasters, Merrylu Casselly

Nachdem sich das Publikum in der umfangreichen Gastronomie im Vorzelt gestärkt hat, führt uns die Reise weiter nach Argentinien. Äußerst ausdrucksstark repräsentieren die Revolution Gauchos ihre Heimat. Mit Trommeln und Bolas erzeugen sie eine ungeheuer intensive Atmosphäre, der sich kein Zuschauer entziehen kann. Sie spielen sich in einen regelrechten Rausch. Kathrin Menzinger und Rene Casselly erfreuen daraufhin mit einem ihrer 30-Punkte-Tänze aus Let's Dance. Immer wieder ein großer Spaß ist das Bogenschießen mit Luftballons, das Bello Nock gemeinsam mit einer Zuschauerin aufführt. Deutlich treffsicherer zeigt sich da Giacomo Jasters. Zentimetergenau zielt er mit Pfeilen und Messern an seiner Gattin Elena vorbei. Genauso trifft er mit der Armbrust präzise einen Apfel, der auf Elenas Kopf ruht. Beim Messerwerfen auf das rotierende Brett wundert man sich immer wieder, wenn Elena offenbar ohne Schwindelgefühle wieder auf dem Boden steht. Es folgt eine Hommage an die 2022 viel zu früh verstorbene Rosi Hochegger. Merrylu Casselly hat ihr Bettpferd übernommen und führt den höchst eigenwilligen Vierbeiner in der Stuttgarter Manege erstmalig vor großem Publikum vor. Das an den Kleinen Onkel aus Pipi Langstrumpf erinnernde Pferd mag zuerst nicht über ein Hindernis springen und legt sich dann genüsslich schlafen


Wesley Williams, Quincy Azzario, Mystery of Gentlemen
 

Wesley Williams ist ein quirliger junger Mann aus den USA. Mit dem Koffer in der Hand kommt er im historischen Kostüm auf einem Einrad hereingefahren. Damit geht es treppauf und treppab sowie über eine Wippe. Auch ein Trampolin kommt zum Einsatz. Nachdem er mehrfach das Modell gewechselt hat, dreht Wesley Williams seine letzte Runde mit dem laut Programmheft höchsten Fahrrad der Welt. Um den Sattel zu erklimmen, benötigt er eine Strickleiter. Die Fahrt darauf ist wahrhaft waghalsig. Während die Requisiteure in Windeseile umbauen, erfreut uns Yann Rossi mit dem Spiel auf einer Concertina. Als ihm Bello Nock eine zweite reicht, bezieht er diese in sein Musizieren ein. Vor der Pause noch hoch zu Ross, erleben wir Quincy Azzario nun auf zwei Handstäben. Charmant verzaubert sie das Publikum mit ihrer Equilibristik-Kür, hält sich auf einem oder zwei Armen im Gleichgewicht und verbiegt ihren Körper dabei auf schier unmögliche Weise. Den in der Regel nur von Männern gezeigten Klötzchen-Trick beherrscht Quincy Azzario ebenfalls. Mytery of Gentlemen nennt sich jene Darbietung, in der Handvoltigen auf großen Kugeln gearbeitet werden. Sieben Herren im feinen Zwirn lassen eine Dame durch die Luft fliegen und fangen sie sicher wieder auf. Dmitry Chernov hat diese originelle und leistungsstarke Darbietung kreiert. Die mongolischen Artisten stammen aus dem Team von Erdene Nergui. Höhepunkt ist der Sprung zum Drei-Personen-Hoch, gefangen auf einer Kugel. Der als Top-Artist angekündigte Akteur auf dem Todesrad schlägt sich wacker, doch Bello Nock stiehlt ihm – natürlich so gewollt – die Show. Die Eskapaden der beiden bilden an diesem Abend die Schlussnummer. Das Finale wird von Kathrin Menzinger und Rene Casselly junior mit einem weiteren Tanz eingeleitet, Feuerwerk inklusive. Nach dem groß zelebrierten Abschiedsbild treffen sich Merrylu Casselly und Yann Rossi ein letztes Mal vor der großen roten Gardine, um uns endgültig Adieu zu sagen. Regie für diese Szene sowie die gesamte Show hat Florian Richter geführt.

Stardust Circus International beweist einmal mehr, dass Circus auf höchstem Niveau erst dann richtig Spaß macht, wenn er formvollendet in Szene gesetzt wird. Dies ist beim aktuellen Weltweihnachtscircus wieder grandios gelungen. Auch die Herausforderungen, die der Krieg in der Ukraine für die Programmgestaltung mit sich bringt, hat das Team um Henk van der Meijden gemeistert. Einen großen Beitrag zum Gesamtbild leisten auch Licht- und Tonregie sowie das hervorragende Orchester. In Summe ergibt sich daraus ein rauschendes Fest der Circuskunst.

_______________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Gierisch