Einziger Unterschied: Die
gesamte Infrastruktur wird – wie ausführlich berichtet – vorab
bereits für Gregory Knie erotisches Circusprogramm
„Ohlala“
genutzt, so dass erhebliche Synergien entstehen.
Selbstverständlich ist die sündige Gestaltung des Vorzelts
pünktlich zu den ersten Vorstellungen einer festlichen
Weihnachtsatmosphäre gewichen.
  
Geniri Mercedes Mena Holguin,
Szenen aus dem Opening
Und weihnachtlich ist auch
das Motto der Show. Sie steht unter dem Titel „X-Mas Utopia“ und
verspricht „eine zauberhafte Reise durch die Weihnachtsfabrik“.
Im Opening kämpft sich Pantomime Julien Cotterau zunächst durch
einen imaginären Schneesturm auf die runde Bühne. Dort findet
er eine zum Weihnachtsthema passende Welt vor – ein Junge
schläft in einem Bett, über ihm dreht sich ein riesiges Mobile,
an dem fünf Damen in Luftringen schweben. In herrlichen Kostümen
bevölkern Figuren wie ein großes Geschenk, ein Tannenbaum und
ein Nussknacker die Spielfläche. Geniri Mercedes Mena Holguin
singt in der Gestalt eines Engels, Musikerin Olivia Momoyo Resch
spielt inmitten des Publikums auf der Violine. In einem ersten,
überraschenden Effekt verschwindet der Junge blitzschnell unter
seiner Bettdecke, an seiner Stelle erscheint eine Frau – ein
Vorgeschmack auf die später folgenden, weiteren Großillusionen
des Duos „Magus Utopia“. Und die Damen und Herren des
achtköpfigen Balletts tanzen zum Abschluss dieses großen Bildes
mit auf der Bühne, begleitet von der mit fünf Personen besetzten
Band. Das Geschehen wird jederzeit durch formidables Licht
unterstützt.
  
Kathy Donnert, Janine Eggenberger und Fabien Ropraz, Julien Cotterau mit Zuschauer
Dies alles weckt die Erwartung
auf eine passend zum Showmotto "X-Mas Utopia" durchgestylte
Show. Doch weit gefehlt. „Salto“ bietet im Folgenden ein
Nummernprogramm mit fließenden Übergängen, aber ohne
weihnachtliche Bezüge. Während noch vor einigen Jahren stets
ungewöhnlich große Ensembles mit mehreren Truppen die Shows von
„Salto Natale“ prägten, sind es nun vorwiegend Duos und
Solisten. Den Auftakt macht die bekannte Antipodistin Kathy
Donnert. Sie jongliert auf Händen und Füßen eine Walze und
später fünf Fußbälle. Einen Fußball lässt sie auf einem Gestell,
das sie an ihren Füßen befestigt, vier Plattformen hinaufdopsen.
Und befördert ihn dann gekonnt in einen Korb am oberen Ende des
Requisits. Eine Szene mit dem Ballett in nostalgischen Kostümen
im Dandy-Look und Sängerin leitet über zum Höhepunkt des ersten
Programmteils. Ein Höhepunkt im Wortsinn, denn Janine
Eggenberger und ihr Partner Fabien Ropraz zeigen eine riskante
Arbeit an den Tüchern. Mehrfach brandet Beifall auf offener
Szene auf, auch der Schlussapplaus spricht eine klare Sprache.
Das Publikum ist beeindruckt von den gewagten Haltetricks und
Positionswechseln in der Luft. Sie alternieren mit
anspruchsvollen tänzerischen Passagen des attraktiven Duos am
Boden. Die Soleil-erfahrene Luftakrobatin aus dem nahen
Dübendorf und der frühere Rock’n’Roll-Sportler kombinieren ihre
Stärken in wunderbarer Weise miteinander. Eher überraschend ist
für uns das Re-Engagement des Pantomimen Julien Cotterau.
Zumindest die Handlung seiner ersten großen Spielszene ist nur
schwer nachzuvollziehen. Mit einem Mitspieler aus dem Publikum
interagiert er mit imaginären Tieren und gerät dann in eine
Unterwasserwelt. Dennoch haben die Besucher sicht- und hörbar
ihren Spaß, zumal der Gast auf der Bühne motiviert bei der Sache
ist.
  
Ballett, Kathy
Donnert und Marcello Giurintano,
Valeria Davydenko
Noch im ersten Programmteil hat
Kathy Donnert ihren zweiten Auftritt, nun in einer klassischen
Rollschuhnummer gemeinsam mit Ehemann Marcello Giurintano und
genreüblichen Tricks bis hin zum Genickhangwirbel. Zu Michael
Jackson „Liberian Girl“ zelebriert ein männlich-weibliches Duo
aus dem Ballettensemble einen intensiven Tanz. Danach
demonstriert Valeria Davydenko ihre hervorragenden Fähigkeiten
im Handstand – die ganze Nummer hindurch setzt sie nicht ab,
wechselt allenfalls die Hand. Eindrucksvolle Pirouette-Drehungen
bilden den Schlusspunkt. Alle vier akrobatischen Nummern des
ersten Programmteils werden von Geniri Mercedes Mena Holguin mit
Songs in ähnlicher Grundstimmung begleitet, was letztendlich
leider ein wenig monoton wirkt. Die Überleitung in die Pause
übernimmt Julien Cotterau, der aus einer Klappe im Bühnenboden
erscheint.
  
Joao Miguel Ferreira
Godinho, Magus Utopia, Konstantin Korostylenko
Teil zwei beginnt mit einer
Tanzszene des Balletts, das gemeinsam mit der Sängerin sinnliche
Nachtclub-Atmosphäre auf die Bühne zaubert – und so versprüht
auch „Salto“ einen Hauch seiner Show-Schwester „Ohlala“, die
sicher als Gregory Knies besonderes Herzensprojekt bezeichnet
werden darf. Besonders eindrucksvoll in dieser Szene der
Auftritt eines Solisten mit Flamenco-Elementen, ausdrucksstark
und spannungsgeladen. Joao Miguel Ferreira Godinho beweist uns
am Tanztrapez Kraft, Beweglichkeit und Wagemut, letzteres
beispielsweise beim Kreisen im Genickhang. Makellos ist sein
freier, durchtrainierter Oberkörper, groß sind die gezeigten
Gefühle in dieser tänzerischen Kür. Spektakulär aufgezogen, mit
dem Ballett und weiteren Mitgliedern des Ensembles, werden die
Illusionen des Duos Magus Utopia. Dabei erscheint der Maitre in
Gestalt des Weihnachten hassenden Grinch. Wie er selbst, seine
Partnerin und die Statisterie nach Belieben verschwinden, wieder
erscheinen und sich aus den scheinbar ausweglosesten Situationen
mühelos befreien, ist einfach sehenswert – beispielsweise, wenn
einer von brennenden Stäben durchstoßenen Kiste drei charmant
lächelnde Damen entsteigen. Jongleur Konstantin Korostylenko
setzt in seiner getanzten Choreographie auf eine
außergewöhnliche Technik, die eine besonders hohe Zahl von
Requisiten ermöglicht. Dabei schickt er bis zu zehn Bälle
jeweils zu mehreren gebündelt in die Luft und fängt diese nach
kurzen Touren wieder auf. Anders als noch vor kurzer Zeit im
Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté arbeitet er hier nicht in
einem recht androgynen Netz-Outfit, sondern im klassischen
Circuskostüm.

Ballett
Julien Cotteraus zweite große
pantomimische Szene ist leicht zu verstehen und bereitet damit
auch mehr Freude. Mit einer Dame aus dem Publikum erklimmt er
zunächst scheinbar eine Strickleiter und wagt sich dann mit ihr
auf ein imaginäres Hochseil. Es wird in Form von Lichtstrahlen
auf den Bühnenboden geworfen. Nach ihren „waghalsigen Kapriolen“
springen sie „in die Tiefe“ und flattern vogelgleich zurück zum
Ausgangspunkt. Die Mitspielerin ist motiviert und gut gelaunt
dabei, und so haben die Zuschauer ihre helle Freude. Noch einmal
gehört die Bühne dem Ballett, nun in weißen Pumphosen, was einen
fremdländisch-exotischen Touch bringt. Die Choreographie ist
hoch anspruchsvoll, präzise umgesetzt und ein beeindruckender
Ausdruck moderner Tanzkultur – so wie wir es von allen
Produktionen mit Gregory Knies Handschrift kennen. Stets werden
professionelle Tänzerinnen und Tänzer sorgfältig gecasted.
Interessanterweise wurde die Compagnie gegenüber der nur wenige
Tage vorher beendeten Show „Ohlala“ auf allen Positionen
erneuert, obwohl es hier ebenfalls acht Tänzerinnen und Tänzer
gab, die man in neuen Tänzen hätte prolongieren können.
 
Angela Cristina
Bongiovonni, Magus Uopia
Nahtlos geht es weiter zu den
letzten beiden Nummern, die wiederum von der Sängerin begleitet
werden. Zunächst dreht Angela Cristina Bongiovonni ihre Runden
im Cyrrad, auch dicht an der Bühnenkante entlang. Die Touren der
hübsch-charmanten jungen Artistin im blauen Kleid kommen gut an.
Dann hat die einzige Truppe im Programm ihren Auftritt. Die
Catwall Acrobats, vier Herren und eine Dame, kombinieren zwei
Trampoline mit einem dazwischen liegenden Plexiglasturm mit
verschiedenen „Türöffnungen“ in der „ersten Etage“. Vom
Trampolin gehen die Sprünge der Akrobaten durch diese „Türen“
auf das gegenüber liegende Trampolin oder auf das Turmdach, sie
laufen die Wände hoch, springen einzeln und synchron. Dieses
publikumswirksame Genre sahen wir erstmals vor zwölf Jahren in
der damaligen Ausgabe von „Salto Natale“, seitdem hat es einen
wahren Siegeszug durch die Circuswelt angetreten. Auch 2022
erleben wir hier eine temporeiche, leistungsstarke Arbeit. Zum
Beginn des Finales wird es doch noch einmal weihnachtlich, wenn
Geniri Mercedes Mena Holguin den Maria-Carey-Hit „All I want for
Christmas“ anstimmt und das Publikum zum Eintauchen ins
„Winterwunderland“ aufgefordert wird. Oder wenn sich ein in eine
Wasserschale eingelegter Wunschzettel in Schneeflocken
verwandelt und das Bett aus der Eingangsszene mitsamt dem Jungen
darin magisch im
Artisteneingang schwebt. |