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Salto 2022 - "X-Mas Utopia"
www.saltoshow.ch ; 160 Showfotos

Kloten, 26. November 2022: Generationswechsel bei diesem Familienzweig der Familie Knie: Rolf Knie hat sich als Produzent seiner Weihnachtsshow „Salto Natale“ verabschiedet, erstmals zeichnet sein 45-jähriger Sohn Gregory allein für die gut eingeführte Veranstaltung beim Flughafen Zürich verantwortlich. Zunächst hat er den Namen des Circusses auf „Salto“ verkürzt. Ansonsten bleibt es im Wesentlichen beim bewährten Konzept. Die große Zeltstadt mit ihrer aufwendigen Einrichtung im Foyer und dem innen mastenfreien Chapiteau ist aus den Vorjahren bestens bekannt.

Einziger Unterschied: Die gesamte Infrastruktur wird – wie ausführlich berichtet – vorab bereits für Gregory Knie erotisches Circusprogramm „Ohlala“ genutzt, so dass erhebliche Synergien entstehen. Selbstverständlich ist die sündige Gestaltung des Vorzelts pünktlich zu den ersten Vorstellungen einer festlichen Weihnachtsatmosphäre gewichen.


Geniri Mercedes Mena Holguin, Szenen aus dem Opening

Und weihnachtlich ist auch das Motto der Show. Sie steht unter dem Titel „X-Mas Utopia“ und verspricht „eine zauberhafte Reise durch die Weihnachtsfabrik“. Im Opening kämpft sich Pantomime Julien Cotterau zunächst durch einen imaginären Schneesturm auf die runde Bühne. Dort findet er eine zum Weihnachtsthema passende Welt vor – ein Junge schläft in einem Bett, über ihm dreht sich ein riesiges Mobile, an dem fünf Damen in Luftringen schweben. In herrlichen Kostümen bevölkern Figuren wie ein großes Geschenk, ein Tannenbaum und ein Nussknacker die Spielfläche. Geniri Mercedes Mena Holguin singt in der Gestalt eines Engels, Musikerin Olivia Momoyo Resch spielt inmitten des Publikums auf der Violine. In einem ersten, überraschenden Effekt verschwindet der Junge blitzschnell unter seiner Bettdecke, an seiner Stelle erscheint eine Frau – ein Vorgeschmack auf die später folgenden, weiteren Großillusionen des Duos „Magus Utopia“. Und die Damen und Herren des achtköpfigen Balletts tanzen zum Abschluss dieses großen Bildes mit auf der Bühne, begleitet von der mit fünf Personen besetzten Band. Das Geschehen wird jederzeit durch formidables Licht unterstützt.


Kathy Donnert, Janine Eggenberger und Fabien Ropraz, Julien Cotterau mit Zuschauer

Dies alles weckt die Erwartung auf eine passend zum Showmotto "X-Mas Utopia" durchgestylte Show. Doch weit gefehlt. „Salto“ bietet im Folgenden ein Nummernprogramm mit fließenden Übergängen, aber ohne weihnachtliche Bezüge. Während noch vor einigen Jahren stets ungewöhnlich große Ensembles mit mehreren Truppen die Shows von „Salto Natale“ prägten, sind es nun vorwiegend Duos und Solisten. Den Auftakt macht die bekannte Antipodistin Kathy Donnert. Sie jongliert auf Händen und Füßen eine Walze und später fünf Fußbälle. Einen Fußball lässt sie auf einem Gestell, das sie an ihren Füßen befestigt, vier Plattformen hinaufdopsen. Und befördert ihn dann gekonnt in einen Korb am oberen Ende des Requisits. Eine Szene mit dem Ballett in nostalgischen Kostümen im Dandy-Look und Sängerin leitet über zum Höhepunkt des ersten Programmteils. Ein Höhepunkt im Wortsinn, denn Janine Eggenberger und ihr Partner Fabien Ropraz zeigen eine riskante Arbeit an den Tüchern. Mehrfach brandet Beifall auf offener Szene auf, auch der Schlussapplaus spricht eine klare Sprache. Das Publikum ist beeindruckt von den gewagten Haltetricks und Positionswechseln in der Luft. Sie alternieren mit anspruchsvollen tänzerischen Passagen des attraktiven Duos am Boden. Die Soleil-erfahrene Luftakrobatin aus dem nahen Dübendorf und der frühere Rock’n’Roll-Sportler kombinieren ihre Stärken in wunderbarer Weise miteinander. Eher überraschend ist für uns das Re-Engagement des Pantomimen Julien Cotterau. Zumindest die Handlung seiner ersten großen Spielszene ist nur schwer nachzuvollziehen. Mit einem Mitspieler aus dem Publikum interagiert er mit imaginären Tieren und gerät dann in eine Unterwasserwelt. Dennoch haben die Besucher sicht- und hörbar ihren Spaß, zumal der Gast auf der Bühne motiviert bei der Sache ist.


Ballett, Kathy Donnert und Marcello Giurintano, Valeria Davydenko

Noch im ersten Programmteil hat Kathy Donnert ihren zweiten Auftritt, nun in einer klassischen Rollschuhnummer gemeinsam mit Ehemann Marcello Giurintano und genreüblichen Tricks bis hin zum Genickhangwirbel. Zu Michael Jackson „Liberian Girl“ zelebriert ein männlich-weibliches Duo aus dem Ballettensemble einen intensiven Tanz. Danach demonstriert Valeria Davydenko ihre hervorragenden Fähigkeiten im Handstand – die ganze Nummer hindurch setzt sie nicht ab, wechselt allenfalls die Hand. Eindrucksvolle Pirouette-Drehungen bilden den Schlusspunkt. Alle vier akrobatischen Nummern des ersten Programmteils werden von Geniri Mercedes Mena Holguin mit Songs in ähnlicher Grundstimmung begleitet, was letztendlich leider ein wenig monoton wirkt. Die Überleitung in die Pause übernimmt Julien Cotterau, der aus einer Klappe im Bühnenboden erscheint.


Joao Miguel Ferreira Godinho, Magus Utopia, Konstantin Korostylenko

Teil zwei beginnt mit einer Tanzszene des Balletts, das gemeinsam mit der Sängerin sinnliche Nachtclub-Atmosphäre auf die Bühne zaubert – und so versprüht auch „Salto“ einen Hauch seiner Show-Schwester „Ohlala“, die sicher als Gregory Knies besonderes Herzensprojekt bezeichnet werden darf. Besonders eindrucksvoll in dieser Szene der Auftritt eines Solisten mit Flamenco-Elementen, ausdrucksstark und spannungsgeladen. Joao Miguel Ferreira Godinho beweist uns am Tanztrapez Kraft, Beweglichkeit und Wagemut, letzteres beispielsweise beim Kreisen im Genickhang. Makellos ist sein freier, durchtrainierter Oberkörper, groß sind die gezeigten Gefühle in dieser tänzerischen Kür. Spektakulär aufgezogen, mit dem Ballett und weiteren Mitgliedern des Ensembles, werden die Illusionen des Duos Magus Utopia. Dabei erscheint der Maitre in Gestalt des Weihnachten hassenden Grinch. Wie er selbst, seine Partnerin und die Statisterie nach Belieben verschwinden, wieder erscheinen und sich aus den scheinbar ausweglosesten Situationen mühelos befreien, ist einfach sehenswert – beispielsweise, wenn einer von brennenden Stäben durchstoßenen Kiste drei charmant lächelnde Damen entsteigen. Jongleur Konstantin Korostylenko setzt in seiner getanzten Choreographie auf eine außergewöhnliche Technik, die eine besonders hohe Zahl von Requisiten ermöglicht. Dabei schickt er bis zu zehn Bälle jeweils zu mehreren gebündelt in die Luft und fängt diese nach kurzen Touren wieder auf. Anders als noch vor kurzer Zeit im Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté arbeitet er hier nicht in einem recht androgynen Netz-Outfit, sondern im klassischen Circuskostüm.


Ballett

Julien Cotteraus zweite große pantomimische Szene ist leicht zu verstehen und bereitet damit auch mehr Freude. Mit einer Dame aus dem Publikum erklimmt er zunächst scheinbar eine Strickleiter und wagt sich dann mit ihr auf ein imaginäres Hochseil. Es wird in Form von Lichtstrahlen auf den Bühnenboden geworfen. Nach ihren „waghalsigen Kapriolen“ springen sie „in die Tiefe“ und flattern vogelgleich zurück zum Ausgangspunkt. Die Mitspielerin ist motiviert und gut gelaunt dabei, und so haben die Zuschauer ihre helle Freude. Noch einmal gehört die Bühne dem Ballett, nun in weißen Pumphosen, was einen fremdländisch-exotischen Touch bringt. Die Choreographie ist hoch anspruchsvoll, präzise umgesetzt und ein beeindruckender Ausdruck moderner Tanzkultur – so wie wir es von allen Produktionen mit Gregory Knies Handschrift kennen. Stets werden professionelle Tänzerinnen und Tänzer sorgfältig gecasted. Interessanterweise wurde die Compagnie gegenüber der nur wenige Tage vorher beendeten Show „Ohlala“ auf allen Positionen erneuert, obwohl es hier ebenfalls acht Tänzerinnen und Tänzer gab, die man in neuen Tänzen hätte prolongieren können.


Angela Cristina Bongiovonni, Magus Uopia

Nahtlos geht es weiter zu den letzten beiden Nummern, die wiederum von der Sängerin begleitet werden. Zunächst dreht Angela Cristina Bongiovonni ihre Runden im Cyrrad, auch dicht an der Bühnenkante entlang. Die Touren der hübsch-charmanten jungen Artistin im blauen Kleid kommen gut an. Dann hat die einzige Truppe im Programm ihren Auftritt. Die Catwall Acrobats, vier Herren und eine Dame, kombinieren zwei Trampoline mit einem dazwischen liegenden Plexiglasturm mit verschiedenen „Türöffnungen“ in der „ersten Etage“. Vom Trampolin gehen die Sprünge der Akrobaten durch diese „Türen“ auf das gegenüber liegende Trampolin oder auf das Turmdach, sie laufen die Wände hoch, springen einzeln und synchron. Dieses publikumswirksame Genre sahen wir erstmals vor zwölf Jahren in der damaligen Ausgabe von „Salto Natale“, seitdem hat es einen wahren Siegeszug durch die Circuswelt angetreten. Auch 2022 erleben wir hier eine temporeiche, leistungsstarke Arbeit. Zum Beginn des Finales wird es doch noch einmal weihnachtlich, wenn Geniri Mercedes Mena Holguin den Maria-Carey-Hit „All I want for Christmas“ anstimmt und das Publikum zum Eintauchen ins „Winterwunderland“ aufgefordert wird. Oder wenn sich ein in eine Wasserschale eingelegter Wunschzettel in Schneeflocken verwandelt und das Bett aus der Eingangsszene mitsamt dem Jungen darin magisch im Artisteneingang schwebt.

Wenn wir auch einige zurückhaltendere Einschätzungen zu dieser Produktion formuliert haben, sind die Reaktionen des Publikums im bestens besuchten Chapiteau eindeutig: Beim Finalsong „Simply the Best“ springt alles von den Sitzen und applaudiert im Stehen, von den Rängen ertönt lautstarker Jubel. Und der Geschmack des breiten Publikums ist das, was zählt. So bleibt nichts anderes, als zur ersten „Salto“-Ausgabe in der alleinigen Verantwortung von Gregory Knie herzlich zu gratulieren.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll