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Remscheider Weihnachtscircus 2022/23
https://weihnachtscircus-remscheid.de ; 86 Showfotos

Remscheid, 28. Dezember 2022: Zu Beginn des Finales gibt es von den Zuschauern direkt spontane Standing Ovations. Die Remscheider scheinen ihren Weihnachtscircus bereits nach recht kurzer Zeit in ihre Herzen geschlossen zu haben. Mit der fünften Ausgabe wird das erste kleine Jubiläum dieser noch vergleichsweise jungen Produktion gefeiert. „Celebrations“ lautet denn auch der Titel des Programms. Veranstalter ist die Winterzauber Event UG, die derzeit durch Stefan Ballack und Thomas Sebastian Merz vertreten wird. Seit letzten Jahr betreiben die beiden Direktoren außerdem den Weihnachtscircus in Düsseldorf, in diesem Winter ist der in Wuppertal hinzugekommen. Der Start wurde somit in Remscheid gemacht.

Stefan Ballack war hier zu Beginn alleiniger Veranstalter. Kennengelernt haben wir ihn zuvor beim Offenburger Weihnachtscircus, wo er mehrere Jahre in der Administration tätig war.


Entree

Gespielt wird in einem Vier-Masten-Chapiteau des Circus Busch aus Berlin der Familie Scholl. Darin gibt es neben den zwei Stuhlreihen in den Logen ein sechsreihiges Gradin mit Klappsitzen. Das Vorzelt ist gemütlich gestaltet und die Gastronomie bietet alles, was man vor, während und nach einem Circusbesuch braucht. Der Service ist freundlich und die Qualität stimmt.


Formation „Inspire“

Das Programm ohne Tierdarbietungen ist abwechslungsreich zusammengestellt und enthält einige echte Highlights. Leider wird zur Untermalung gefühlt zu viel Diskomusik eingesetzt. Auch das Licht ist vor allen Dingen eins, bunt. Dazu gibt es oftmals Kunstnebel. Es wird versäumt, mit der akustischen und visuellen Begleitung Akzente zu setzen. So habe ich letztendlich das Gefühl, rund zwei Stunden - Pause abgezogen - in einer Großraumdisko verbracht zu haben. Das ist ein wenig schade, denn es gibt eben ein wirklich schönes Programm zu sehen.


Alexandra Rizaeva, Poronto und Nicole

Dieses startet mit der Formation „Inspire“. Die mehrköpfige Formation, die Website spricht von neun Frauen und Männern, sorgt mit ihrem Tanz in fantasievollen Kostümen gleich für eine volle Manege und ordentlich Stimmung. Eigentlich war an dieser Stelle ein Team von „Jump'n'Roll“ vorgesehen, dessen Engagement aber dann kurzfristig doch nicht zustande kam. Ganz in schwarz gekleidet, nimmt uns Alexandra Rizaeva mit auf einen Flug unter der Kuppel. Dafür hat sie sich den Flying Pole ausgesucht. Sie verwöhnt uns mit wunderschönen, aber durchaus riskanten Figuren. Bereits zum dritten Mal in Remscheid sind Poroto und Nicole. Sie sind Clowns modernen Zuschnitts. Er gibt den Schuljungen mit Flickenhose, Shirt, Wollmütze, Kopfhörern und Rucksack. Sie spielt den eher serösen, vernünftigen Part. Zunächst tritt Poroto im Solo mit Bouncing-Jonglagen auf. Wann immer er sich verletzt, lässt er sich von einer Zuschauerin „verarzten“. Gemeinsam musizieren sie mit Trompete und Klarinette. Natürlich läuft dieses Konzert nicht ohne Störungen ab. Danach zeichnet Poroto eine Zuschauerin. Zwar gerät das Bild recht einfach, dafür kann das darauf abgebildete Gesicht „auf Befehl“ lachen. Die beiden sind sympathische Zeitgenossen mit durchaus neuartigen, eigenständigen Ideen.


Oleskandr, Anastasia Rogall, Duo Costache

Kubus-Jonglagen sind das Metier von Oleksandr. Große Würfel aus Metallstangen wirbelt er mit Leichtigkeit durch die Luft. So ergeben sich reizvolle Effekte. In ihrem nächsten Act erleben wir „Inspire“ als Seilspringer. In flippigen Outfits geht es mit flotten Sprüngen über das schwingende Tau. Weiter geht es mit Akrobatik am Cyr Wheel. Der junge Artist versteht es geschickt, sich in dem großen rotierenden Rad im Gleichgewicht zu halten und es in einer gekonnten Kür durch die Manege zu steuern. Anastasia Rogall ist mit zwei Luftnummern nach Remscheid gekommen. In der ersten arbeitet sie sehr gewinnend am Netz. Mit einem charmanten Lächeln hält sie stets Kontakt zum Publikum unter ihr. Auch dann, wenn sie sich kopfüber im Spagat an ihrem Requisit festhält. Gleich zwei Modellflugzeuge gleichzeitig schicken Gaetan und Godefroy Chaix auf die Reise. Sicher steuern die Brüder in Pilotenoutfits ihre Flieger durch zwei Reifen unter dem Zeltdach. Schön anzusehen ist auch der Flug der beleuchteten Flugzeuge im Dunkeln. In die Pause geht es nach einem weiteren Tanz von „Inspire“ mit dem Duo Costache. Was Vita und Leo an der Perche präsentieren, ist nicht nur leistungsstark, sondern auch sehr abwechslungsreich. Leo balanciert seine Partnerin am oberen Ende der langen Stangen mit den Zähnen, auf den Schultern und auf dem Kopf. Vita zeigt in luftiger Höhe etwa den Handstand und den Zahnhang. Furioser Schlusspunkt sind die Überschläge mit einem beleuchteten Fahrrad von Vita. Getragen wird die ganze Konstruktion von Leo auf seinen Schultern.


Thu Hien, Duo Costache, Duo Warriors

Nach der Unterbrechung empfangen uns „Inspire“ mit einer lebendigen Choreographie zurück im Chapiteau. In den Tanz integrieren die Akteure akrobatische Elemente. Für ihren zweiten Auftritt hat sich Anastasia Rogall die Luftspirale ausgesucht. Dieses originelle Requisit ermöglicht neuartige Bilder. Zusätzlich kommen zwei an der Konstruktion befestigte Schlaufen zum Einsatz. Antipodenspiele mit Walzen und Bällen sind die Disziplin, der sich Ludwig Navratil verschrieben hat. Das Publikum fiebert mit, wenn er einen Ball mit den Füßen über mehrere Stufen in einen Korb am Ende einer Stange bugsiert. Als das Kunststück im zweiten Anlauf gelingt, gibt es einen extra großen Applaus. Thu Hien war mit ihrer Akrobatik auf dem Schlappseil schon in vielen großen Häusern, etwa im Pariser Cirque d'Hiver, zu erleben. Souverän hält sich die sympathische Artistin auf dem schwankenden Draht im Gleichgewicht. Nicht nur auf den Füßen, sondern ebenfalls auf den Händen und auf dem Kopf. Noch einmal steht das Duo Costache im Scheinwerferlicht. Diesmal geht es an das Trapez, wo Vita und Leo die Fähigkeiten ihrer Zähne unter Beweis stellen. Die Tricks sind teilweise einzigartig und von den beiden selbst entwickelt. Man kann nur staunen, was für eine Kraft das menschliche Gebiss aufbringen kann. Mit der insgesamt fünften Luftnummer endet das Programm. Dabei fegt das Duo Warriors über das Todesrad. Es werden waghalsige Sprünge mit und ohne Seil gearbeitet. Der Lauf über das Außenrad mit verbundenen Augen sorgt für den ganz besonderen Nervenkitzel.

Zum Finale gibt es ein Feuerwerk und bunte Papierbänder, die aus der Kuppel herunterkommen. Alle Mitwirkenden feiern ausgelassen, Stefan Ballack spricht die Abschiedsworte, dankt dem treuen Publikum. Danach geht es für das Ensemble ins Vorzelt, wo die Artisten ein Spalier bilden, durch das sich die Gäste auf den Heimweg begeben. So wird Nähe geschaffen, manches kurze Gespräch ergibt sich dabei. Das Publikum wird ganz bestimmt auch im kommenden Winter wieder in seinen Remscheider Weihnachtscircus kommen. Ganz sicher wieder mit einem ansprechenden Programm und, zumindest wenn es nach mir geht, mit einem größeren Augenmerk auf Lichtdesign sowie Musikbegleitung.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch