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Circus Krone - Winter 2023/24
www.circus-krone.de ; 181 Showfotos

München, 3. Februar 2024: Neue Licht-Kreationen, ein farbenprächtiges Opening und ein ebensolches Finale, dazu der LED-Tanz der Truppe "Extreme Lights": Mit dem Winterprogramm 2023/24 im Stammhaus des Circus Krone in München wird das dafür gewählte Motto „Farbenspiel“ gut getroffen. Für heutige Zeiten außergewöhnlich vielfältig sind die Tiernummern mit Martin Laceys größter Raubtiershow der Welt, Seelöwen, Pferden und Hunden. Doch auch in Sachen Akrobatik werden wir verwöhnt. Bei der dritten Säule Clownerie setzt Krone für diese Produktion auf erfahrene „Altstars“.

Einer von ihnen ist der sympathische Francesco Brunaud, der bereits vor Beginn der eigentlichen Vorstellung durch die Tribünenreihen geht. Mal pinselt er hier mit dem Staubwedel über einen Zuschauerkopf, mal stibitzt er dort das Popcorn einer Dame und lässt einen anderen Zuschauer die Maisflocken mit dem Mund fangen. Damit sorgt er für manches Schmunzeln. Nach der Ouvertüre des großen Orchesters unter der Leitung von Oleksandr Krasyun und der Begrüßung durch Sprechstallmeister Nikolai Tovarich geht es richtig los.


Charivari

Und zwar mit einem Charivari, in dem alle Artisten Kostproben ihres Könnens demonstrieren. Hier wirkt die Show geradezu verschwenderisch besetzt, denn zum einen zeigen drei Mitglieder der Truppe Nonstop nur in dieser Sequenz der Show Auszüge ihres bekannten Repertoires auf dem Trampolin, hier nun ohne „Haus“. Für Begeisterung sorgt, wie sich einer der Artisten in bäuchlings „liegender“ Position in immer größere Höhe katapultieren lässt. Zum anderen darf auch die Truppe „Mystery of Gentlemen“ nur Ausschnitte aus ihrer durchaus sehenswerten Seilspring-Nummer präsentieren. Im vorderen Teil der Manege lassen die fünf jungen Frauen der Mongoljngoo-Truppe die Hula-Hoop-Reifen kreisen. So entsteht, gemeinsam mit den Beiträgen des übrigen Ensembles, insgesamt ein wirbelnd buntes „Farbenspiel“.


Francesco Brunaud, Liviu Tudor, Mongoljngoo-Truppe

Sparsam eingesetzt werden die Reprisen von Francesco. Zunächst lässt der sympathische Herr im lila Anzug eine Weltkugel im Luftstrom eines fingerförmigen Gebläses fliegen – seine bekannteste Szene, die untrennbar mit seinem Namen verbunden ist. Sein Humor ist niemals zum Schenkel klopfen. Er setzt auf poetisch-heiteres Spiel anstatt aufs Bloßstellen von Gästen aus dem Publikum. Mancher Lacher garantiert ist beim Tellerdrehen von Liviu Tudor. Er muss nicht nur acht Teller auf langen Stäben zum Rotieren bringen, ohne dass diese zu Boden fallen. Vielmehr hat er sich zwischendurch noch der Störungen durch einen kleinen Hund zu erwehren, der sich beispielsweise in einem gelben Tuch verbeißt und sich so herumwirbeln lässt. „Kooperativer“ gibt sich das Tier, wenn es selbst einen Teller auf einem mit der Schnauze gehaltenen Stäbchen kreisen lässt oder zugeworfene Teller fängt. Am artistischen Markt sind eine ganze Reihe von Kontorsionsnummern zu engagieren, bei denen die Solo-Artistin – oder auch der Solo-Artist – am Ende einen Bogenschuss mit den Füßen auslöst. Etwas noch nie Gesehenes dagegen hat die Mongoljngoo-Truppe kreiert. Die fünf jungen Damen in folkloristischen Kostümen ihrer mongolischen Heimat nutzen dazu ein Podium mit vier darauf angebrachten, erhöhten Plattformen und gegenüber drei Zielscheiben. In immer neue Posen formen sie ihre Körper, um unterschiedliche Bogenschüsse durch Geschicklichkeit der Zehen zielgenau zu platzieren. Mal schießen sie gemeinsam fünf Pfeile gleichzeitig, mal tragen sie zusammen eine der Akteurinnen, die den Schuss auslöst. Dabei werden sie zumeist in gelbes Licht getaucht.


Jana Mandana Lacey-Krone, Toni-Alexis-Trio, Chu Chuan-Ho

Die umfangreiche und virtuos eingesetzte Lichtanlage wurde für „Farbenspiel“ noch deutlich erweitert. So ist die Piste nun von einem Kranz aus Moving Heads umgeben. In die ohnehin beleuchtete Piste selbst wurden weitere der beweglichen Scheinwerfer eingelassen. Zur Hohen Schule von Jana Mandana Lacey-Krone werfen diese rote Strahlen auf den Manegenboden. Im Programmheft angekündigt als Duett mit Hans Suppmeier, erleben wir die Direktorin an diesem Abend im Solo. Auf ihre erlesenen Reitkünste auf einem Schimmel folgten acht lackschwarz glänzende Nonius-Hengste in Freiheitsdressur. Alle Lauffiguren gelingen wunderbar. In einem kurzen Zwischenspiel darf sich ein Schimmel frei in der Manege bewegen. Dann kehren vier der Noniusse zurück, steigen mit den Vorderbeinen auf Postamente und lassen sich so von einem Pony unterqueren. Ein großes Dartmoore-Pony und einer der Noniusse als Steiger bilden den Abschluss dieses schönen Pferdeblocks, der von einem Medley aus Abba-Hits begleitet wird. Ganz selten geworden sind große Clown-Entrees mit zwei Augusten und Weißclown. Doch hier blödeln sich Toni Alexis, Ehefrau Jeannette und Adrien in dieser klassischen Besetzung durch eine lose Abfolge von Gags, natürlich nicht ohne den legendären Schlachtruf „Ahoi“ und das gemeinsame Singen von „Glory Halleluja“ mit dem Publikum. Das bereitet auch heute noch Spaß und Freude. Mitreißend und temporeich, fast unverschämt gut gelaunt und voller Ausstrahlung lässt der Taiwanese Chu Chua-Ho seine bis zu drei Diabolos fliegen. Auf immer neue Weise lässt er die Doppelkegel übers Seil tanzen und schickt sie auf anspruchsvolle Touren. Dazu jagen gelbe Blitze aus den Moving Heads in der Piste.


Erwin Frankello, Extreme Lights

Einen echten Höhepunkt des ersten Programmteils bildet Erwin Frankellos amüsante und trickstarke Vorführung seiner beiden Seelöwen Itchy und Scratchy. Beim Ringe und Bälle fangen erfreuen wir uns am Geschick der Flossentiere, und auch ihr „Sprachtalent“ stellen die beiden unter Beweis. Perfekt zum Motto „Farbenspiel“ passt natürlich der Auftritt der Trupppe „Extreme Lights“ vor der Pause. In der abgedunkelten Manege performen die Männer und Frauen ihre moderne Tanzchoreographie, während die mehrfarbigen LED-Lichter an ihren Kostümen raffiniert darauf abgestimmt zu leuchten beginnen und wieder erlöschen, alles im Sekundentakt. So erscheinen die Akteure in immer neuen Formationen scheinbar aus dem Nichts und verschwinden ebenso wieder, nur um kurz darauf überraschend an anderer Stelle wieder „aufzutauchen“.


Martin Lacey junior

Das edel gestaltete Programmheft stellt Direktor Martin Lacey junior als Superstar des Unternehmens heraus. Das ist gewiss nicht übertrieben, denn schon seine Ankündigung löst großen Jubel der zahlreichen Fans in den Zuschauerreihen aus. Mit 15 Löwen und drei Tigern in unterschiedlichen Fellfärbungen steht er an diesem Abend in der Manege. Zunächst folgen große Bilder beim Hochsitzen, bei wilden Sprüngen und beim Abliegen auf dem Boden, wobei eines der Tiere sich aus der Gruppe löst, auf den am Boden knienden Tierlehrer zugeht und sich von diesem umarmen lässt. Dann ist Zeit für eindrucksvolle Tricks mit einzelnen Tieren, darunter ein Scheinangriff des Mähnenlöwen „Harlekin“ und Schmuseeinheiten. Wenn Martin Lacey den weißen Löwen „Kassanga“ von der Spitze des Pyramidenpodiums abholt und vor ihm die Stufen hinuntergeht, sich auf das Tier legt und dann gemeinsam mit ihm die Manege durch den Artisteneingang verlässt, wird er von Nikolai Tovarich singend mit „My Way“ begleitet. Tosender Beifall und die ersten Standing Ovations des Abends sind der Lohn.


Thomas Lacey, Julot Cousins, Duo Disar

Und auch Julot Cousins wird am Ende seiner Darbietung mit Beifall im Stehen gefeiert. Das wundert nicht, denn nicht nur das hohe Alter des 65-jährigen Artisten lässt staunen, sondern auch sein extrem hohes Requisit und sein akrobatisches Können, das auch erheblich jüngere Kollegen neidisch werden lassen kann. Scheinbar mühelos erklimmt er den schwankenden Masten, um an die dort oben hängenden Hula-Hoop-Reifen zu gelangen und lässt sie kurzerhand kreisen, unter anderem ein Exemplar um einen Fuß, während er einen Handstand drückt. Wie überhaupt jede Aktion auf dem sich bedrohlich nach allen Seiten neigenden Masten einfach spektakulär wirkt. Francescos Musik auf unterschiedlich großen Gläsern leitet über zu Thomas Laceys Hundenummer. Ein ganzes Dutzend Vierbeiner unterschiedlicher Rassen dirigiert er durch eine umfangreiche und temporeiche Trickfolge. Dabei springen sie durch Reifen und eine Röhre, über ein Seil und über Hürden. Mit der Polonaise aller Tiere, die Vorderpfoten jeweils auf dem Rücken des vorangehenden Tieres, findet die Nummer ihren Abschluss. Das völlig euphorisierte Publikum applaudiert stürmisch. Einen Kontrast zur bis dahin fröhlichen Stimmung setzt das usbekische Duo Disar. Zu dramatischen musikalischen Klängen wird die düstere Geschichte erzählt, wie ein Verstorbener letztmals zu seiner trauernden Partnerin zurückkehrt, ehe er für immer ins Reich der Toten entschwindet. Und der Todeskitzel schwingt leise mit bei so noch nie gesehenen Schwierigkeitsgraden in großer Höhe, bei waghalsigen Abfallern und Haltefiguren an den Strapaten, bei hochriskanten Zahn- und Zopfhängen in Kombination mit unterschiedlichen Wirbeln. Besonders in Erinnerung bleibt ein Trick, bei dem die Partnerin in einer liegenden Position schwebt und sich dabei zum einen mit der Kraft ihrer Zähne an einer vom Mann gehaltenen Handschlaufe, zum anderen mit dem rechten Fuß gegen seinen linken gedrückt hält. Gänsehautmomente in einem Kranz aus Lichterstrahlen, den die Moving Heads um die Piste gegen die Kuppelspitze richten.


Mystery of Gentlemen, Finale

Die Stimmung bleibt kunstvoll, wenn als Schlussnummer die mongolische Truppe „Mystery of Gentlemen“ in eleganten Outfits mit Krawatten auftritt. Die Kombination zweier Genres wird als echte Rarität bezeichnet werden dürfen. Denn die männlichen Akteure balancieren auf großen Kugeln. Von dort aus katapultieren sie ihre Partnerin zu Handvoltigen in die Luft und fangen sie wieder auf, dies auch von Kugel zu Kugel und bis hin zum Drei-Personen-Hoch, und dies jeweils auf den Köpfen statt den Schultern der Untermänner stehend. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Kugeln immer wieder mit dezenten Hilfestellungen vor dem Wegrollen geschützt werden müssen. Auch diese Darbietung wird mit Standing Ovations gefeiert, den dritten dieses rauschenden Circusabends.

Zum „Farbenspiel“ wird nochmals das Finale, eingeleitet von Francesco in seiner spiegelnden Xylophon-Jacke und mit bunten Kostümen aus dem Krone-Fundus, wehenden Flaggen sowie farbenfrohen Schals, die jeder Artist am Ende in die Höhe hält. Die fantastische Stimmung entlädt sich in weiteren Standing Ovations. Ein großartiger, energiegeladener Circusabend, der nur den wehmütigen Wunsch nach einem zweiten und dritten Programm innerhalb einer Winterspielzeit im Kronebau offen lässt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll