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Karlsruhe, 26. Dezember 2019: An neue Platzverhältnisse muss sich der Karlsruher Weihnachtscircus seit dieser Saison anpassen und daher nun um 90 Grad gedreht aufbauen. Durch diese Veränderung soll der Weihnachtscircus eine einheitliche Front mit den beiden anderen auf dem Messplatz stattfindenden Events, dem Crazy Palace sowie dem Weihnachtsmarkt „Skandi-Dorf“, bilden. Zudem soll die Parksituation verbessert werden. Die Veränderung schränkt leider die Platzverhältnisse für den Weihnachtscircus ein, was gerade bei den Tierdarbietungen für begrenzte Möglichkeiten sorgt.

Bekannt ist das Programmkonzept der Familie Joachim Sperlich, in dem mit Sängerin, Ballett und den beiden Showtreppen mehr als andernorts Wert auf die Inszenierung gelegt wird. Das Opening beginnt gleich mit einer Geschichte, in der ein kleines Mädchen ein Buch entdeckt, welches ihre Wünsche wahr werden lässt und sie in eine Prinzessin mit Pony verwandelt. Das Buch wird allerdings vom weihnachtshassenden Grinch geklaut, bevor Clown und Weihnachtsmann es wieder zurückerobern. Während sich diese Szenen auf den Showtreppen und in der Manege abspielen, tanzen die sechs hübschen Damen des Balletts als Weihnachtsfrauen, und die Artisten laufen in die Manege ein. Normalerweise würde uns hier und im weiteren Verlauf der Show auch die Sängerin Charlin Sperlich begleiten, doch auf sie müssen wir an diesem Abend krankheitsbedingt verzichten. Später wird die Handlung des Openings nicht mehr aufgegriffen, und wir erleben ein klassisches Nummernprogramm, garniert mit einigen Einlagen des sechsköpfigen Shad Performance Showballetts.


Truppe Puje

Begonnen wird dieses mit acht Personen aus der der Puje-Truppe, die Handvoltigen zeigen. Es gibt unter anderem eine Passage sowie einen Salto zum Drei-Mann hoch zu sehen, wobei das Ganze erfreulicherweise zu den äußerst mitreißenden Rhythmen des Orchesters und stets mit einem Lächeln im Gesicht der Artisten dargeboten wird. Nicht anders ist dies in der Seilspringnummer vor dem Finale. Hier agieren alle neun Truppenmitglieder und stellen unter Beweis, dass sie wohl die stärksten mongolischen Vertreter dieses Genres sind. Vier Personen stapeln sich im Liegestütz, es werden Handvoltigen präsentiert, ein Drei-Mann-Hoch gebaut und mehr. Die drei Damen der Truppe zeigen in einem zusätzlichen Auftritt Kontorsionistik und verbiegen sich dabei abwechselnd synchron oder aufeinander. Ein zweifacher Mundstand bildet hier den Abschluss. Die Truppe war in den vergangenen zwei Jahren mit dem Zirkus des Horrors der Familie Sperlich auf Tournee und steht nach ihrem Karlsruhe-Engagement 2014 zum zweiten Mal in der Manege auf dem Messplatz.


Neon Fly, Truppe Credo, Elena Drogaleva

Die zwei weiteren artistischen Highlights kommen aus Russland. Ganz neu ist die von Dmitry Chernov inszenierte Barren-Darbietung der vierköpfigen Truppe Credo. In einer sakralen Aufmachung beginnt das weibliche Truppenmitglied die Trickfolge gleich mit einem doppelten Rückwärtssalto. Die restlichen Salti und Pirouetten werden alle von einem männlichen Flieger ausgeführt, unter anderem ein Dreifacher rückwärts sowie der schwierigere dreifache Vorwärtssalto. Für diese Leistung gab es kürzlich auf dem Festival im französischen Saint-Paul-lès-Dax Gold. Bestens bekannt ist uns die flotte Gruppenjonglage von Elena Drogaleva und ihren Gentlemen. Auch hier heizen sie dem Publikum ordentlich ein und werden so zu unserem ganz persönlichen Highlight der Show. Gemessen am Applaus ist ein Highlight für das Publikum mit Sicherheit die Bungeenummer der Truppe Neon Fly. Sie beeindruckt vor allem durch die tollen Effekte, welche sich mit den neonfarbenen Kostümen im UV-Licht ergeben. Hier hängen sich zwei Fänger in Fangstühlen gegenüber, so dass die anderen Artisten zwischen ihnen hin- und herfliegen können und dabei Saltos drehen. Die Flieger hängen dabei allerdings die gesamte Zeit an zwei Bungeeseilen. Einen stärkeren Eindruck hinterlässt es da schon, wenn am Ende der Darbietung die Artisten in kreisförmigen Formationen an den Bungeeseilen durch das Zelt fliegen. Eine große, neonleuchtende Blüte sorgt am Manegenboden für die passende Kulisse. Ein wirklicher Wow-Effekt ergibt sich, wenn sich eine Artistin in einen Schmetterling mit riesigen Flügeln verwandelt.


Rico, Maike und Jörg Probst, Henry Quaiser

Einziger artistischer Solist ist Henry Quaiser aus dem gleichnamigen Hamburger Familiencircus. Er zieht alle Blicke auf seinen muskulösen Körper, verkauft sich unglaublich gut und zelebriert jeden Trick, so dass die Besucher trotz Leistungen von üblichem Standard regelrecht ausflippen. Aufgrund des rechtswidrigen Karlsruher Wildtierverbots müssen wir auch hier auf Elefanten oder Raubtiere verzichten. Dafür gibt es gleich als zweite Darbietung die große Haustierrevue von Maike und Jörg Probst zu sehen. Ein Esel, ein Hund, ein Hahn, zwei Wollschweine und einige Ziegen sorgen für Heiterkeit, wobei wir die Nummer schon stärker und sicherer gesehen haben. Zwei Freiheitsdressuren kommen vom Circus Berolina nach Karlsruhe. Zum einen der noch junge James Spindler mit einem ordentlichen Sechserzug Ponys, den er mit gewinnendem Lächeln vorstellt, und zum anderen sein Bruder Marlon mit Freundin Sarah Sperlich. Direkt nach der Pause bringt Sarah einen Sechserzug junger Araber in die Manege. Dann leitet Marlon jeweils drei Friesen und drei Kamele zu anspruchsvollen Lauffiguren an, das Ganze im orientalischen Gewand und unter einem Baldachin. Die Musik könnte hier etwas mehr Tempo vertragen. Für das Lachen sorgt Clown Rico. Der 30-Jährige Pole stand bereits vor zwei Jahren in der zweiten Produktion der Familie Joachim Sperlich, dem Trierer Weihnachtscircus, in der Manege und findet nun beim Karlsruher Publikum Anklang. Noch etwas zurückhaltend sind die Reaktionen, wenn er einen Mantel zum Leben erweckt. Action ist dann bei seiner Küchenschlacht angesagt, in der es mit Wasser und Schaum feucht-fröhlich zugeht. Immer ein Lachgarant sind Orchesterentree und Amor-Reprise, die Rico im zweiten Teil zeigt. Im Finale erscheint das Ballett nochmal in aufwendigen Federschmuckkostümen, während Juniorchefin Monika Sperlich im Wechsel mit Giovanni Biasini die Künstler vorstellt.

Es ist eine runde und gelungene Show, die uns die Familie Sperlich in diesem Jahr präsentiert. Der Meinung ist auch das Publikum in dieser ausverkauften Abendvorstellung und bringt dies mit frenetischem Beifall zum Ausdruck.

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Text: Simon Preißing; Fotos: Tobias Moll