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Dresdner Weihnachts-Circus 19/20
www.dwc.show ; 145 Showfotos

Dresden, 5. Januar 2020: Der Dresdner Weihnachts-Circus gehört nach den gemeldeten Besucherzahlen zu den drei größten in Deutschland. Und ist derzeit der einzige dieses Trios, der Wildtiere präsentieren darf. So wurde das 24. Programm zu einem Gipfeltreffen allerbester Dressuren. Mit der gemischten Raubtiernummer von Alexander Lacey, den Seelöwen von Petra und Roland Duss und drei Darbietungen aus dem Hause Louis Knie jun., nämlich Post, Pferdefreiheit und einer Herde Kühe. Hinzu kamen die fantastische Big Band, ein wunderbarer Clown Totti und ein Quartett artistischer Darbietungen.

Um ein Haar wäre es vor zehn Jahren vorbei gewesen mit der Geschichte des Dresdner Weihnachts-Circus. Der Circus Busch-Roland als früherer Veranstalter war insolvent, ein einst glanzvoller Name verschwand. Der Dresdner „Schaustellerkönig“ Mario Müller-Milano sprang ein, kaufte das verbliebene Material, tilgte die Schulden und übernahm die Direktion. Den letzten Busch-Roland-Chef Filip Kaiser beschäftigt er seitdem als technischen und künstlerischen Leiter. Wer Müller-Milano für einen Strohmann halten wollte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Der selbstbewusste Patriarch ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht nur formell der Eigentümer ist. Vielmehr entwickelte er den Circus nach seinen Vorstellungen weiter und führte ihn zu neuer Blüte. Mehr als 80.000 Besucher wurden in der Saison 2019/20 gezählt. Zum dritten Mal wurde im neuen 50-Meter-Chapiteau mit 2400 Plätzen gespielt. Vor Jahresfrist feierte Müller-Milano seinen 70. Geburtstag, heuer den 70. Gründungstag des Circus Milano, den sein Vater Vilmos 1949 eröffnete und bis 1972 in der DDR führte. Eine besondere Ehrung wurde Mario Müller Milano am 2. Januar mit der Verleihung des Ernst-Renz-Preises – der höchsten Auszeichnung der Gesellschaft der Circusfreunde – zuteil.


Roland Duss, Sara Biasini-Berousek und Louis Knie jun., Truppe Serbat,  

Auch am letzten Gastspieltag strömen die Massen auf den Volksfestplatz an der Pieschener Allee. Da die allermeisten Sitzplätze nicht nummeriert sind, drängt der Großteil schnell ins Chapiteau, anstatt die wirklich umfangreiche Gastronomie zu genießen – schade. Immerhin werden auch auf der Tribüne allerlei Leckereien vom Tablett verkauft. Nach der Ouvertüre gehört die Manege Sara Biasini-Berousek. Unter der Peitschenführung ihres Lehrmeisters Louis Knie jun. reitet sie eine temperamentvolle Ungarische Post mit neun Vorauspferden. Anstelle der Landesflagge schwenkt sie am Ende eine Fahne mit Sponsorenlogo. Ein außergewöhnliches Genre hat die fünfköpfige Truppe Serbat gewählt. Dabei steigen die Untermänner eine fest stehende Leiter hinauf zu einer Plattform. Auf der anderen Seite geht es über weitere Sprossen wieder hinunter. Dies allein wäre freilich unspektakulär. Und so erklimmen zum Auftakt zwei Herren das Requisit gleichzeitig von links und rechts, während jeweils eine Partnerin auf ihren Köpfen steht. Eine nur auf einer Hand. Auf der Plattform kreuzen sich die Wege der beiden Paare. Es folgen weitere anspruchsvolle Manöver, unter anderem die Kombination von Kopf-auf-Kopf und Fußspitzen-auf-Kopf. Beim Schlusstrick ist es nur noch ein Untermann, der über das Requisit steigt. Allerdings stehen nun zwei Damen übereinander auf seinem Kopf. Die Nummer ist stark, aber eher technisch als von Manegen-Persönlichkeiten geprägt. Solche sind dagegen Roland und Petra Duss. Das Repertoire ihrer drei Seelöwen mit vielen interaktiven Tricks ist weiter unvergleichlich. Ein kleiner Hund gibt den Special Guest und lässt sich ebenso gerne mit Fisch belohnen wie die Flossentiere.


Air Trio, Louis Knie jun. 

Die drei Damen des AirTrio mit ihrer Luftakrobatik am rotierenden Sechseck waren vor vier Jahren einer der Überraschungserfolge im Heilbronner Weihnachtscircus. Nun zeigen sie in der hohen Kuppel in Dresden ihr Können. Dabei werden sie mit Livegesang begleitet. Anstatt der fantastischen Musicalsängerin Anke Fiedler übernimmt diese Aufgabe in der besuchten Vorstellung eine Vertreterin mit weniger eindrucksvollen stimmlichen Qualitäten. Für den ersten großen Höhepunkt der Vorstellung sorgt die Pferdenummer von Louis Knie jun., die mit der Vorführung eines Schulpferdes am Zügel beginnt. Es folgen Freiheitsdressuren mit erst sechs, dann zwölf weißen und braunen Arabern und anspruchsvollen Lauffiguren. Zum Karussell kommen drei Friesen hinzu. Louis Knie dirgiert seine Rösser temporeich, temperamentvoll und höchst elegant. Die Nummer gipfelt in einem Potpourri verschiedenster Steiger, unter anderem mit dem sechsfachen Vorwärtssteiger. Und nach der Pause folgt gleich das nächste Highlight, die bestens bekannte gemischte Raubtiernummer von Alexander Lacey. Auf die Übertragung der Kommandos des Tiertrainers per Mikrofon wird, anders als im Zirkus Charles Knie, verzichtet. Neu für uns ist, dass Lacey einen Tiger beim Vorwärtssteiger ohne Peitsche – nur mit Händen und Stimme – dirigiert. Den Reigen der Tiernummern beschließt Louis Knie jun. mit sechs gescheckten Kühen. Die präsentiert er zu bayerischer Musik, aber doch lieber im edlen Anzug als in Lederhosen. Die Tiere beherrschen einige Figuren einer Freiheitsdressur und steigen mit den Vorderbeinen auf die Manegenkästen.


Alan Sulc, Totti, Truppe, Sokolov

Die Musik von „Lord of The Dance“ gibt den Takt für Alan Sulcs großartige Bouncing-Jonglagen vor, die er mit Stepptanz anreichert. Bis zu neun Bällen lässt er gegen den Boden springen und fängt sie wieder. Längst ist aus dem früheren Wunderkind ein charismatischer Künstler geworden. Und letzteres ist ganz gewiss Totti Alexis. Ein großartiger Entertainer, der zum vierten Mal in Dresden zu Gast ist. Im ersten Auftritt erfährt er, was auf der Tribüne alles verboten ist: Trompete spielen, singen, tanzen und einen kecken Striptease hinlegen. Gemeinsam mit Ehefrau Charlotte wagt er sich auf die „Theaterbühne“ und bringt eine spezielle Fassung des Wilhelm Tell. Wie man ein voll besetztes Haus mitreißt, regelrecht zum Kochen bringt, zeigt er uns, wenn er mitten im Publikum zum Tigertanz aufruft. Da sind alle dabei. Zum Mitmachen in die Manege muss dagegen keiner. Denn Totti ist selber witzig. Anrührend das letzte große Entree, bei dem die ganze Familie mitspielt: Totti, Charlotte und ihre Söhne Charly und Maxim. Letzterer wurde vor fünf Jahren während des Weihnachtsengagements in Dresden geboren und hat nun sein Debüt in einer deutschen Manege. Damit erleben wir die 6. Generation dieser traditionsreichen Familie von Spaßmachern. Und Traditionen zählen etwas in Dresden. Denn in diesem klassischen Programm gibt es noch den Sprechstallmeister, der jede Nummer ausführlich ansagt. Nach einem Jahr Pause hat Petr Kumpfe diese Aufgabe erneut übernommen. An Glanzzeiten des Circus erinnert die große und grandiose Big Band von Oleksandr Krasyun, vor Ort unter der Leitung von Vitaliy Pukish, die jeden Ton der Vorstellung live spielt. Selbst das Mozart-Arrangement der Truppe Sokolov! Dieses Ensemble zeigt praktisch alles, was auf dem Schleuderbrett möglich ist. Dazu gehören Sprünge auf Menschentürme, zur Bodenmatte und in den Sessel. Flüge und Landungen auf einer und auf zwei Stelzen gehören genauso dazu wie der ans obere Ende einer abenteuerlichen Konstruktion aus Russischem Barren, Stelzen und Perchestange mit Sessel. Faszinierend ist die dichte Abfolge von Spitzenleistungen in diesem minutiös durchchoreographierten Zirkus-Weltwunder. In Kombination mit der live gespielten Musik – 14 Artisten agieren in der Manege, 15 Instrumentalisten spielen live auf dem Podium – ergibt sich eine berauschende Sternstunde der Circuskunst. Ein würdiger Abschluss dieses großen Programms.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll