Die
Anzahl der Mitwirkenden ist genauso opulent wie in den
Vorjahren. Völlig anders ist jedoch die Art der Darbietungen, die
präsentiert werden. Und das liegt hauptsächlich am Team des „Royal
Circus“ von Gia Eradze. Der 40-jährige Impresario präsentiert damit
erstmals Darbietungen in Deutschland, die von seiner Handschrift
geprägt sind. Diese werden direkt im Anschluss beim Circusfestival von
Monte Carlo zu erleben sein. Prächtige Kostüme, zahlreiche Mitwirkende
und beeindruckende Bilder sind die Standardelemente seiner Werke.
Eröffnung der Show durch das "Royal Circus"-Ballett, Björn Gehrmann
Dabei
wissen die Eradze-Inszenierungen im zweiten Programmteil durchweg
besser zu gefallen als im ersten. Die Eröffnung der Show durch das
„Royal Circus“-Ballett in quietschbunten Kostümen weiß noch nicht
wirklich zu begeistern, die Anlehnung an Circusparaden im
amerikanischen Stil kommt nicht ganz authentisch herüber. Direkt im
Anschluss hat Housch-ma-Housch seinen ersten Auftritt. Er ziert das
Plakatmotiv des diesjährigen Weltweihnachtscircus. Der sympathische
Komiker schafft es, selbst das Warm-Up mit dem Publikum kreativ
umzusetzen und kommt per Stromkabel zu seiner berühmten Frisur. Erst im
Anschluss beendet Moderator Björn Gehrmann diesen Eröffnungsblock. Er ist zum
zweiten Mal beim Weltweihnachtscircus dabei. In
seiner Begrüßung weist er auf das Jubiläum „250 Jahre Circus“ hin und
führt im Anschluss weiter sicher, informativ und stilvoll durch das
Programm. Somit ist zu hoffen, dass er auch in den nächsten Jahren den
Weltweihnachtscircus „hier in Stuttgart“ präsentieren wird.
Jozsef Richter Truppe, Housch-ma-Housch, White Gothic
Philip
Astley, der Begründer des modernen Circus, war bereits ein für seine
Zeit brillanter Jockeyreiter. Zweifelsohne zu den Besten dieses Genres
gehört heute die Truppe von Joszef Richter. Der Truppenchef persönlich
zeigt einen gestreckten Salto vom vorderen auf ein dahinter laufendes
Pferd. Gemeinsam mit Ehefrau Merrylu erleben wir zudem ein
Kopf-auf-Kopf auf dem Rücken der Kaltblüter. Neben Housch-ma-Housch
sind auch Tom und Pepe für den komischen Part zuständig. Die zwei
Amerikaner haben jedoch nur drei kurze Auftritte im Gradin, bei denen
sie mit Blumen zaubern oder dem Licht hinterherjagen. Schade, denn
diesen wirklich lustigen Clowns hätte man durchaus mehr Aufmerksamkeit
gegönnt. Reinen Schauwert hat die „Masleniza“-Inszenierung des
Balletts. Angelehnt an die Woche vor Beginn der orthodoxen Fastenzeit,
schweben sieben der Akteurinnen an langen Bändern durch die Kuppel,
während die restlichen zwölf Mitwirkenden unten ebenfalls rund um lange
Tücher tanzen. Mehr auf artistische Leistung konzentrieren sich die
vier Ukrainer von „White Gothic“. Ihre Handstand-Equilibristik
beeindruckt mit neuartigen Figuren, die man so meist noch nicht gesehen
hat.
Yuri Volodchenkov, Anastasia Makeeva und Laura Miller, Kosakenreiterinnen von Rustam Gazzaev
Feurige
Stimmung im Zigeuner-Stil schafft das Ballett im Anschluss zur
Einleitung von Yuri Voldochenkov, dessen meist freihändige Reiterei
unter anderem aus dem Circus Roncalli bekannt ist. Er hat sich
inzwischen dem Ensemble von Gia Eradze angeschlossen. Höhepunkt seiner
energiegeladenen Darbietung ist das Seilspringen, das wohl nur er mit
seinem Pferd zeigt. In seinem zweiten Auftritt hat Housch-ma-Housch
gewaltige Schwierigkeiten, ein plötzlich doch ganz lebendiges
Plüschtier zu bändigen. Zu den besten Luftakrobatinnen unserer Zeit
gehören Anastasia Makeeva und Laura Miller. Die eine an den Strapaten,
die andere am Luftring. Sie zeigen zunächst die besten Tricks ihrer eigenen
Nummern, ehe sie in Millers Wasserbecken springen und zum Abschluss
gemeinsam gen Circuskuppel schweben. Diese Zusammenarbeit entstand im
Rahmen des 40. Circusfestivals in Monte Carlo und kam nun eigens für
den Weltweihnachtscircus erneut zustande. Housch-ma-Houschs letzter
Auftritt vor der Pause dreht sich um seine bekannte Klebeband-Gitarre.
Umrahmt vom Royal-Ballett, erleben wir als Pausennummer erneut eine
Eradze-Darbietung im russischen Stil. „Russia“ lautet der Titel der
Inszenierung rund um die Akrobatik der Kosakenreiterei von Rustam
Gazzaev. Fünf Frauen und ein Mann beeindrucken mit rasant ausgeführten,
spektakulären Tricks. Dabei übernehmen die Frauen schwierige Tricks,
wie sie ansonsten eher von Männern gezeigt werden. Dabei nehmen sie in
hohem Tempo Tücher vom Boden auf, schwenken deutsche sowie russische
Fahnen und springen auf die Schultern ihres männlichen Kollegen.
Quick Change vom Royal Circus
Spektakulär
gerät der Einstieg in den zweiten Programmteil. Neun Männer und eine
Frau rasen durch die riesige Motorradkugel der Pinillo-Truppe. Ähnlich
im „Flic-Flac-Stil“ arbeiten „Flash of Splash“ an den Strapaten. Es ist
wahnsinnig beeindruckend, wenn die zierliche Amaliia Avanesian ihren
kräftigen Partner Yevhen Abakumov im Zahnhang hält. Was folgt, ist zu
mindestens meines Erachtens der Höhepunkt des Programms. Tänzerinnen
mit wahnsinnig aufwendigen Kostümen, die die bekanntesten Sehenswürdigkeiten von Sankt
Petersburg darstellen, leiten die Darbietung ein. Sechs
überdimensionale Fabergé-Eier stehen dabei schon in der Manege. Diese
Luxusgegenstände aus der Zarenzeit sind im Original sehr klein und
selten. Die aufwendigen Nachbildungen bilden den Ausgangspunkt für die
wohl größte Quick Change Nummer der Welt. Sechs Paare des Royal Circus
zeigen eine Hommage an Sankt Petersburg. Stets synchron wechseln die
Damen in allen erdenklichen Varianten ihre Kostüme, und in den
aufwendig gearbeiteten Eiern verwandeln sich auch die Anzüge der
Herren. Die prächtige historische Optik korrespondiert perfekt mit der
modern angehauchten Begleitmusik. Chapeau!
Michael Ferreri, Szene aus dem "White Block"
Eine
echte Persönlichkeit ist Starjongleur Michael Ferreri, der bis zu zehn
Bälle sicher in der Luft hält. Er fügt mit dem Weltweihnachtscircus
seiner Weltkarriere eine weitere Station hinzu. Die nunmehr dritte
Ballettszene im russischen Stil leitet die russische Schaukel der
Truppe Filinov ein, die ebenfalls vom „Royal Circus“ stammt. Diese ist
bei unserem Besuch
wegen eines Sturzes nach einer Pirouette schon nach wenigen Sprüngen
beendet. Glücklicherweise erfahren die Zuschauer später, dass der Unfall
einigermaßen glimpflich ausgegangen ist. Somit sehen wir direkt „The White Block“, der „Gia Eradzes
weißen Weihnachtstraum“ darstellen soll. Die Pracht und Strahlkraft
dieses Schaubilds sind überwältigend. Sechs männliche Engel bevölkern die
Manege, ehe Dilyara Bikmaeva mit einem Pony als Einhorn einen Steiger
zeigt. Frauen mit Schwanenköpfen ziehen vorbei, und Kristina Porotova
zeigt (longengesichert) anspruchsvolle Tricks am Luftring. Unterdessen
rollt Andrey Tsaplin mit einem glitzernden Flügel in die Stuttgarter
Manege. Auf dessen Deckel zelebriert er anspruchsvolle
Handstandakrobatik, während Fontänen ihn ansprühen. Drei Paare aus dem
Ballett fliegen an Kronleuchtern unter der Kuppel. Abgeschlossen wird
dieses überwältigende Bild von zahlreichen Tänzern sowie Dilyara und
Marat Bikmaevs mit Luftakrobatik an seidenen Bändern. Aus einer Kiste
wird ein riesiger Weihnachtsbaum bis zur Kuppel ausgezogen, und die
anderen Mitwirkenden kommen zum großen Finale hinzu. Sofort erheben sich die begeisterten
Zuschauer zu Standing Ovations.
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