Vor
dem eigentlichen Beginn erzählt ein Film über dem Artisteneingang die
Geschichte der insgesamt drei festen Bauten des Circus Krone in
München. Nach der Ouvertüre des wunderbar spielenden, aber nicht alle
Darbietungen begleitenden, Orchesters und der Begrüßung durch
Ringmaster Nikolai Tovarich heißt es Manege frei für die Kamele.
Alexis Lacey-Krone, Les Sandros
Ein
menschliches Innenleben hat das von Berty Balder präsentierte. Diese
witzige Einlage bildet den Auftakt zur von Alexis Lacey-Krone und
Cousine Shirin vorgeführten Kameldressur. Mit Unterstützung von Jana
Mandana Lacey-Krone und Hans-Ludwig Suppmeier zeigen die vier
majestätischen Wüstenschiffe unter Anleitung des Nachwuchses eine
schöne Laufarbeit. Wieder vereint sind die Balder Clowns. Waren die
Brüder aus Portugal in den letzten Jahren im Solo unterwegs, dürfen wir
Emiliano, Sidney und Berty hier wieder als Trio erleben. In ihrem
ersten Auftritt treiben der Weißclown und die beiden Auguste ihre Späße
mit einem Gummihandschuh. Derweil wird die Manege für den Auftritt der
Les Sandros vorbereitet. Alexandre Monteiro beweist bei seinen Balancen
auf übereinander gestapelten Rollen einen ausgeprägten
Gleichgewichtssinn. Als besondere Spezialität zeigt er seine Rola
Rola-Artistik gerne auch im Handstand. Assistiert wird er dabei von
Partnerin Nathalie. Durch das in Form des Eiffelturms gestaltete Podest
und einen französischen Chanson zu Beginn erhält diese Nummer ihren
besonderen Charme.
Jana Mandana Lacey-Krone und Bara, Fratelli Caveagna, Pierre Bauer
Eine
ganz eigene Note hat auch das Zusammenspiel von Jana Mandana
Lacey-Krone und Elefantendame Bara, welches auf die Zauberglocke der
Balders folgt. Zu volkstümlichen Schlagern wagen die beiden ein flottes
Tänzchen. Lacey-Krone trägt ein hellblaues Dirndl, Bara einen Kopfputz
mit Krone im gleiche Farbton. Die Aufmachung fällt in die Kategorie
„mal was anderes“, weiß aber durchaus zu gefallen. Die von der
indischen Elefantendame gezeigten Tricks sind gewohnt sehenswert. Stark
ist die Hand-auf-Hand-Akrobatik der Fratelli Caveagna. Zudem sind
Davide und Andrea zwei prima Typen. Die gut aussehenden Italiener
überzeugen mit einer ausgefeilten Kür. Lediglich die Musik aus der
Konserve könnte akzentuierter sein. Von einer lebendigeren
Musikbegleitung profitieren würde auch die Akrobatik am schwankenden
Mast der Bauers. Im feschen Matrosen-Outfit erklimmen Rachel Bauer und
Luzia Bonilla die beiden vor dem Artisteneingang platzierten langen
Stangen. In luftiger Höhe schaukeln die hübschen jungen Damen im Stand
hin und her. Rachel Bauer wird von Vater Pierre abgelöst. Luzia Bonilla
und Pierre Bauer wagen Balancen im Handstand und den Platztausch hoch
über dem Boden.
Hans-Ludwig Suppmeier
Berty
Balder gönnt sich ein Schläfchen auf der Piste. Bruder Sidney weckt ihn mit
einer Spieluhr in Form eines Karussells mit Pferden. Eine witzige
Überleitung zur Vorführung von acht weißen Arabern durch Hans-Ludwig
Suppmeier. Der Schüler von Christel Sembach-Krone dirigiert eine runde
Freiheit mit vielen schönen Bewegungsabläufen. Zu einer mitreißenden
„Reise nach Jerusalem“ werden die Korbpferde. Vier der Schimmel tanzen
zwischen geflochtenen Körben hin und her, um sich beim Verstummen der
Musik darin wiederzufinden. Als da capo gibt es einen Solosteiger. Mit
einem aufgeweckten blonden Jungen liefert sich Sidney Balder einen
feuchten Wettbewerb im Wasserspucken. Die beiden haben eine Menge Spaß.
Ebenso das Publikum, welches dankenswerterweise von den Fontänen
verschont bleibt. Die Pausennummer gehört vier stattlichen Gladiatoren.
Extreme Fly nennt sich die Formation aus ehemaligen Leistungssportlern.
Im Lendenschurz wagen die Ukrainer im Solo genauso wie zu viert
variantenreiche Flugkombinationen am Dreifachreck. Kraftvolle
Umschwünge und Sprünge von Stange zu Stange werden überzeugend
dargeboten. Ein gelungener Schlusspunkt des ersten Programmteils.
Nazerke und Yoka, Emiliano Balder, Menno van Dyke
Nach
der Pause steht Sarah Houcke mit fünf Bengaltigern von Martin Lacey
junior im Zentralkäfig. Die attraktive Tierlehrerin führt die
gestreiften Großkatzen ruhig und souverän vor. Wir sehen etwa die
Pyramide aller Tiere, das Springen von Podest zu Podest und das
Hochsitzen eines Tigers. Danach wird nicht nur der Zentralkäfig
abgebaut, sondern auch der Holzboden verlegt. Währenddessen treiben
Sidney und Berty Balder allerhand Schabernack mit Besen und Mülleimer.
Mit ihrem Pas de deux auf einem Hoverboard haben Nazerke und Yoka schon
im Januar in Monte Carlo spannende neue Akzente gesetzt. Auf dem
selbstfahrenden Brett zwischen zwei Reifen zeigen die Kasachinnen
Figuren der Equilibristik. Etwa ein Kopf-auf-Kopf oder das Stehen auf
dem Kopf der Partnerin. Zunächst auf zwei Beinen, später auf einem.
Das alles in folkloristischen Kostümen ihrer Heimat. Wenn schon alle
drei Brüder Balder im Programm sind, gibt es natürlich auch ein Entree.
Nach dem musikalischen Auftakt spielen sie ihre Filmszene an einer Bar
im Wilden Westen. Regisseur Emiliano hat seine liebe Mühe, den beiden
Augusten mitzuteilen, was sie darstellen sollen. Sidney und Berty
sorgen als Barkeeper, Cowboy und Indianer für große Heiterkeit. Vor
nicht ganz einem Monat habe ich sie noch im intimen Rahmen des
Frankfurter Tigerpalast erlebt. Jetzt tanzen Menno und Emily van Dyke
ihrem Juggling Tango in einem Circusbau mit rund 3.000 Sitzplätzen.
Hier wie dort wissen sie ihr Publikum mitzureißen. Der niederländische
Jongleur und die französische Tänzerin lassen ihre Disziplinen
verschmelzen. Das Ergebnis ist mehr als die Summe aus den beiden
Künsten. Hochklassige Jonglagen mit Bällen und Keulen werden
eingebunden in einen ausdrucksstarken Tango. Der nimmt einen vollends
gefangen. Nicht zuletzt dank der furiosen Musikbegleitung, welche
allerdings nicht live gespielt wird.
Flash of Splash, Bauers, Artists of Dance
Ebenfalls einen direkten Weg zum Publikum findet das Duo Flash of
Splash. Amalia Avanesian und Yevhen Abakumov zeigen ihre intensive
Liebesgeschichte an den Strapaten. Die ist deutlich moderner aufgezogen
als jene von Menno und Emily, aber ähnlich grandios gespielt und ebenso
artistisch hochklassig. Insbesondere die Tricks im Zahnhang sind
spektakulär. Das Attribut spektakulär verdient auch die Motorradfahrt
auf dem Schrägseil der Bauers. Pierre Bauer steuert die umgebaute
Kawasaki, auf einem Trapez darunter sitzen Tochter Rachel sowie Luzia
Bonilla. In mehreren Touren fährt das Trio auf dem gespannten Draht hin
und her. Die Frauen arbeiten ihre Tricks vor allen Dingen dann, wenn die
Maschine an der höchsten Stelle über dem mittleren Zuschauereingang zum
Stehen gekommen ist. Vor über zwanzig Jahren hat es das an diese Stelle
zum letzten Mal gegeben, wie das äußerst umfangreiche Programmheft
informiert. Eine Mordsgaudi ist die Schlussnummer der Artists of Dance.
Sie verbindet Schuhplattler und Breakdance. Fünf fesche junge Ungarn in
Lederhose und Karohemd vermischen beide Tanzstile. Die fetzige
Darbietung mit Absolventen der Budapester Circusschule ist eine
Auftragsarbeit für den Circus Krone. Und sie heizt die Stimmung vor dem
Finale ordentlich an. Ob dieser gewagte Crossover auch die Gnade
bayerischer Traditionalisten findet, müssen diese selbst entscheiden.
Versöhnt werden sie im Zweifelsfall ganz bestimmt durch Berty Balder,
der ebenfalls in Tracht das Finale einleitet. Er zieht ein Fass der
benachbarten Spatenbrauerei in die Manege. Ihm folgen alle Mitwirkenden
mit Fahnen in der Hand. Ein Teil trägt das Logo des Circus Krone, der
andere das blau-weiße Rautenmuster des Freistaats.
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