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Festival der Artisten Kassel 2018/19
www.flicflac.de ; 85 Showfotos

Kassel, 5. Januar 2019: Alles vergessen, vergeben und verziehen. Die Kasseler strömen wie eh und je in das gelb-schwarze Chapiteau auf den Friedrichsplatz. Und das aus gutem Grund. Nachdem das „Festival der Artisten“ im letzten Winter ungewöhnlich schwach besetzt war, ist das Programm 2018/19 wieder äußerst stark. Zum zehnjährigen Jubiläum haben die Macher nur Gewinner der bisherigen Ausgaben eingeladen. Somit verwöhnt uns Flic Flac mit wahren Festspielen der Artistik. So spricht die HNA von „Flic Flacs atemberaubendem Meisterwerk“, während die Zeitung vor zwölf Monaten noch „Warum uns die Vorstellung im Flic Flac in diesem Jahr enttäuscht“ titelte.

Obwohl diese Produktion ein „Best of“ ist, gibt es wiederum einen Wettbewerb. Dies nach dem bekannten Modus. In jeder Vorstellung werden einige Zuschauer mehr oder weniger zufällig ausgewählt, die nach der Show ihre Stimmen abgeben dürfen. Für die drei Bestplatzierten gibt es mit zwischen 5.000 und 15.000 Euro dotierte Preise.


Rebecca Siemoneit-Barum, Truppe Puje, Marula Rigolo

Abstimmen darf, wer eine der Schirmmützen fängt, die Moderatorin Rebecca Siemoneit-Barum ins Publikum wirft. Die Schauspielerin und Entertainerin führt sehr charmant durch den Nachmittag. Ihre Moderationen sind nie zu lang, prägnant kündigt sie die Darbietungen an und streut kleine Gags ein. Natürlich kennt sie sich als waschechtes Circuskind bestens im Genre aus. Ihre Artikulation bei den Ansagen erinnert an die ihres Vaters Gerd Siemoneit-Barum. Als eingefleischter Circusfan wird man da ein wenig nostalgisch. Im Opening erleben wir zudem kurz die Sangeskünste von Rebecca Siemoneit-Barum. Während des Auftakts der Show mit den Mitwirkenden wird die Motorradkugel hereingerollt. Am Ende rasen zehn Fahrer des Pinillo Teams durch den „Globe of Speed“, darunter drei Frauen. Während dabei Rammstein erklingt, setzt die folgende Formation auf fröhliche Musik. Die Mitglieder der Truppe Puje katapultieren sich gegenseitig in die Luft. Das machen die acht Artisten aus der Mongolei ganz ohne Requisiten. Denn ihre Disziplin sind die Handvoltigen. Meditative Klänge begleiten die Sanddornbalancen von Marula Rigolo. Aus 13 Palmästen und einer Feder baut sie ein fragiles Kunstwerk. Die gebannte Aufmerksamkeit des Publikums ist ihr sicher. War der Markt vor einigen Jahren mit derartigen Nummern überschwemmt, macht es jetzt richtig Spaß, mal wieder eine solche zu sehen.


Justin Case, Crazy Flight, Mad Flying Bikes

Justin Case ist einer der beiden Komiker dieses Festivals. Sein rotes Fahrrad verliert nach und nach seine Einzelteile. Doch der Australier schafft es trotzdem, darauf zu fahren. Je mehr Teile fehlen, desto anspruchsvoller werden seine ungewöhnlichen Touren. Mit einem winzigen Fahrrad fährt er sogar durch einen Feuerreifen. Dazu gibt es witzige Erläuterungen. Handvoltigen und Handstandakrobatik kombiniert eine Formation von „Crazy Flight“. Ihr Auftritt folgt der bekannten Choreographie. Die Sprünge der Mad Flying Bikes auf Motocross-Maschinen werden in eine kleine Geschichte gepackt. Die im bisherigen Verlauf der Show auf der Bühne begonnene Verfolgungsjagd von Polizei und Räuber wird nun in der Luft fortgesetzt. Zwei der Biker tragen Polizeiuniformen, während sie von einer Rampe im mittleren Aufgang des Gradins auf die gegenüberliegende Plattform springen. Dabei zeigen sie halsbrecherische Aktionen.


Catwall Acrobats, Willer Nicolodi, Holy Warriors

Voller Dynamik beginnt der zweite Programmteil. Die junge Dame im roten Kleid hat ihre fünf männlichen Kollegen von den Catwall Acrobats bestens im Griff. Ausgelassen springen sie in anspruchsvollen Trickfolgen auf zwei großen Trampolinen, um immer wieder auf dem in der Mitte stehenden Haus aus Plexiglas zu landen. Großes artistisches Können trifft hier auf ungebremste Spielfreude, herrlich. Komiker Nummer zwei ist Willer Nicolodi, der natürlich Mäuserich Joselito im Gepäck hat. Mit ihm führt der italienische Bauchredner aberwitzige Wortgefechte. Immer wieder ein großer Spaß ist es, wenn Nicolodi drei Zuschauern neue Stimmen leiht. Am Ende geben sie sogar gemeinsam ein Lied zum Besten. Die Holy Warriors sind zwölf Artisten vom Chinesischen Nationalcircus in Peking. Sie haben sich auf die Kunst des Reifenspringens spezialisiert. In blau-grünen Anzügen zeigen die Krieger präzise Sätze durch sich bewegende und statische Reifen. Virtuos schrauben sie sich immer weiter in die Höhe, um am Ende durch den obersten von acht übereinander gesteckten Ringen zu springen. Wie Rebecca Siemoneit-Barum in ihrer Ankündigung verrät, werden die Holy Warriors auch im neuen Tourneeprogramm von Flic Flac zu erleben sein.


Duo Exxtrem, Duo A&A

Mit drei Duos geht das Programm planmäßig weiter. Allerdings müssen wir an diesem Nachmittag verletzungsbedingt auf das Duo Vanegas und seine Kapriolen am Todesrad verzichten. Ein durchsichtiges, mit Wasser gefülltes Bassin gibt der Kür an den Strapaten von Mira Horvath und Mehmed Mehmedov den besonderen Kick. Darin tauchen die beiden nach ihren Tricks unter der Kuppel ein. Wenn es wieder in die Luft geht, entstehen dank der spritzenden Tropfen wunderbare Effekte. Damit wird die ohnehin starke, durchdachte Trickfolge des Duo Exxtrem deutlich aufgewertet. Adam Vazquez und Anton Makukhin bilden das Duo A&A. Der US-Amerikaner und der Ukrainer sind Modellathleten. Sie nutzen ihre Muskeln für starke Figuren der Partner-Equilibristik. Anton balanciert Adam im Handstand auf den Händen, die beiden halten Nacken-auf-Nacken die Positionen und zeigen viele weitere phänomenale Übungen. Im Finale verabschiedet sich eine eindrucksvolle Zahl an Mitwirkenden vom Publikum. Musikalisch hat der Soundtrack zum „Greatest Showman“ nun auch Flic Flac erreicht. Ein Song daraus erklingt als akustische Begleitung der Abschiedsszenen.

Damit geht eine rauschende Geburtstagsparty zu Ende. Mit dieser Jubiläumsausgabe des „Festival der Artisten“ versöhnt Flic Flac nicht nur sein Publikum, sondern begeistert es. Lang anhaltende Standing Ovations sind ein sicht- und hörbarer Beleg dafür. Die Zuschauer werden definitiv auch im kommenden Winter wieder in Scharen auf den Friedrichsplatz kommen. Herzlichen Glückwunsch zum Zehnjährigen!

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Text und Fotos: Stefan Gierisch