Im Dezember 1999 hieß es zum
ersten Mal „Manege frei“ für den Heilbronner Weihnachtscircus
unter der Direktion von Sascha Melnjak. Anschließend
organisierte er das Spektakel 18 Mal in Folge gemeinsam mit Uwe
Gehrmann. Dieser ist nun erstmals nicht mehr vor Ort, sondern
konzentriert sich auf den Betrieb und die Weiterentwicklung
seines Erlebnistierparks Memleben. Formell ist auch in diesem
Winter noch die Gehrmann & Melnjak Circusproduction GbR
Veranstalter. Praktisch wurden die Aufgaben neu verteilt,
fungiert beispielsweise erstmals Guido Errani als
Oberrequisiteur und Abendspielleiter. Auch in weiteren Bereichen
wurde an einigen Stellschrauben gedreht. So zieren großformatige
Banner mit Motiven vergangener Shows den Zaun ums Gelände, haben
Logo und Programmheft ein neues Design erhalten und wurde das
gastronomische Angebot deutlich erweitert, von Gulaschsuppe bis
Maultaschen. Ansonsten wurde das bewährte Erfolgsrezept
beibehalten.
Patrick Rohbeck, Wioris Errani,
Geraldine Philadelphia
Im Opening entdeckt Clown Gino
Huppertz ein großes Geburtstagsgeschenk vor dem Artisteneingang.
Dieses öffnet sich, und heraus kommt das Jubiläumsensemble zur
Parade. Die Begrüßungsworte spricht Moderator Patrick Rohbeck.
Der ausgebildete Sänger vertritt bis einschließlich 27. Dezember
Fabian Egli und leistet dabei gute, professionelle Arbeit. Für
den Rest der Spielzeit übernimmt der langjährige, überaus
beliebte Ringmaster Egli seine Paraderolle wieder selbst. Andere
Verpflichtungen machten den Stabwechsel erforderlich. Erstmals
in Heilbronn zu erleben sind dagegen die hochklassigen
Tierdressuren des Schweizer National-Circus Knie. Sie werden
hier von Wioris Errani vorgeführt. Auch er macht als
Stellvertreter eine überaus gute Figur und bringt zunächst sechs
Kamele in die Manege. Die Ähnlichkeit in Aussehen und Gestik von
Wioris Errani zu seinem älteren Bruder Maycol ist dabei
verblüffend. Strahlend und selbstbewusst, mit toller
Ausstrahlung, präsentiert Geraldine Philadelphia ihre famose
Kombination aus Hula Hoop und Reifenjonglagen. In der Dunkelheit
leuchtende LED-Reifen sorgen für einen effektvollen Abschluss
der Nummer, die begeistert aufgenommen wird.
Costin Bellu, Rich Metiku, Robi
Berousek
Rasant geht es weiter mit der
Trampolinkomödie inklusive Sprungturm von Costin Bellu. Er gibt
wiederum den Requisiteur, der unverhofft in den Mittelpunkt des
Geschehens gerät. Damit ist, wie in Jubiläumsprogrammen
üblich, einer der Stars früherer Spielzeiten nach Heilbronn
zurückgekehrt. Nach wie vor hat er die Sympathien und die Lacher
auf seiner Seite. In diesem Programm setzt selbst die
Kontorsionsnummer auf Geschwindigkeit. Rich Metiku beeindruckt
mit ihrer dynamischen Beweglichkeit, gleich einer Spinne
schnellen Körper und Gliedmaßen in extreme Positionen. Der
Mundstand bildet den Abschluss. Raunen, Staunen, großer Applaus
im Publikum. Und das Tempo bleibt hoch, wenn Robi Berousek auf
der freistehenden Leiter balanciert. Spektakulär, wie er
Drehungen und Wendungen auf der Leiter absolviert. Nur einmal
wechselt er das Requisit, von der herkömmlichen Kombination aus
Holmen und Sprossen zu einem hohen Konstrukt mit Plattform am
oberen Ende. Diese erklimmt er, um darauf mit fünf Keulen zu
jonglieren.
The Robles
Für die Sensation vor der Pause
sorgt die Truppe Robles auf dem Hochseil. Zum Repertoire gehören
unter anderem der Sprung über zwei Partner, der Lauf über das
Seil im doppelten Zwei-Personen-Hoch und die Dreierpyramide mit
zwei Fahrrädern und freiem Stand auf dem Stuhl. Die legendäre
Siebener-Pyramide galt viele Jahre lang als so riskant, dass sie
kaum aufgeführt wurde. In den vergangenen Saisons ist sie
plötzlich regelrecht zum Trend geworden und wurde vielerorts und
von mehreren Ensembles gezeigt. Hier wagen die Robles das
Kunststück. Sie beherrschen es sicher und verzichten
vernünftigerweise trotzdem nicht auf die Matte am Boden. Ein
großartiger Abschluss der ersten Hälfte.
Roland Duss, Wioris Errani,
Alexander Lichner
Fantastische Wildtierdressuren
u.a. mit Raubtieren und Elefanten waren stets Publikumsmagneten
in der bisher 20-jährigen Tradition des Heilbronner
Weihnachtscircus. Mit seinem Verbotsbeschluss will der
Heilbronner Gemeinderat sich nun ab kommender Saison über
geltendes Recht hinwegsetzen und die jährlich 80.000 Besucher
des Weihnachtscircus bevormunden, ohne dass damit irgendein
Beitrag zum Tierschutz geleistet würde. Doch im
Jubiläumsprogramm dürfen wir uns nochmal an den Seelöwen von
Roland und Petra Duss erfreuen. Die Trickstärke dieser
Darbietung und die liebevolle Interaktion zwischen Tieren und
Trainern begeistern jedes Mal aufs Neue. Drei Exemplare hat das
Ehepaar Duss mitgebracht, und auch hier mischt ihr vorwitziger
Hund begeistert mit. Alexander Lichner schwebt zunächst im
Mundstand auf dem Washingtontrapez von der Kuppel gen Boden.
Dann erklimmt er in kräftezehrender Weise ein Seil, um ans
Schwungtrapez zu gelangen. Zu den Spitzentricks gehört, wie er
sich am schwingenden Trapez vom Knie- in den Fersenhäng gleiten
lässt. Schlussendlich hält er sich nur noch an einer Ferse. Noch
spektakulärer der Sturz aus einer gehockten Position auf der
Trapezstange in den Fershang, wieder am schwingenden Requisit.
Im Zahnhangwirbel am schwingenden Trapez geht es zum Abschluss
dieser außergewöhnlichen, furiosen Darbietung zurück zum Boden.
Noch einmal Wioris Errani präsentiert gekonnt ein
Pferdepotpourri mit „Groß, Midi und Klein“, einem Sechserzug
Falben in komplexen Lauffiguren sowie einem Doppelsteiger von
Pferd und Pony als Da Capo.
Truppe Robles, Gino
Huppertz, Truppe Sokolov
Die große Schlussoffensive
beginnt mit der Motorradkugel der Robles. Bis zu sechs Fahrer
rasen durch das Stahlgitterrund. Das Requisit ist
vergleichsweise klein, was die Aufgabe noch anspruchsvoller
macht. Touren auf den LED-beleuchteten Maschinen in der
Dunkelheit bilden den wirkungsvollen Abschluss. Die Clownerie
hat Sascha Melnjak in diesem Winter dem Nachwuchs anvertraut.
Der 22-jährige Gino Huppertz darf sich hier vor dem ganz großen
Publikum erproben und beweisen. Wohlbekannte Klassiker wie das
Seilspringen, die Romeo-Szene oder das Pfeil-und-Bogen-Entree
mit Luftballons werden von ihm schön gespielt, stets mit
Mitstreitern aus dem Publikum. Zum Abschluss gibt es seine
Version des „Orchesters“. Damit kommt der junge, gut aussehende
Mann mit der Hochstehfrisur beim Publikum hervorragend an und
sorgt für viele Lacher. Die Schlussnummer übernimmt dann eine
der besten und anerkanntesten Artistentruppen der Gegenwart.
Dima Sokolov und sein Ensemble zeigen praktisch alles, was auf
dem Schleuderbrett möglich ist. Dazu gehören Sprünge auf
Menschentürme, zur Bodenmatte und in den Sessel. Flüge und
Landungen auf einer und auf zwei Stelzen dürfen ebenso wenig
fehlen wie ans obere Ende einer abenteuerlichen Konstruktion aus
Russischem Barren, Stelzen und Perchestange mit Sessel.
Faszinierend ist die dichte Abfolge von Spitzenleistungen in
diesem minutiös durchchoreographierten Zirkus-Wunder. Die
kunstvolle Thematisierung zu Mozart-Musik, rund um den
überdrehten Truppenchef als „Amadeus“, macht dieses erhabene
Meisterwerk perfekt. Ein weiterer Favorit des Heilbronner
Publikums, der zum Jubiläum nochmals engagiert wurde. |