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Heidelberger Weihnachtscircus 2018/19
www.heidelberger-weihnachtscircus.com

Heidelberg, 27. Dezember 2018: „Des war ja mol was ganz besonneres“ – „Ja echt wunnerbar, ned so 08/15“: Was zwei ältere Heidelberger im tiefsten Kurpfälzisch beim Verlassen des Chapiteaus feststellen, trifft genau so auf das aktuelle Programm des Heidelberger Weihnachtscircus zu. Die Show ist derart voll von kreativen Ideen, dass man gar nicht anders kann, als im Finale ohne Umschweife stehend zu applaudieren. Nachdem im letzten Jahr nur in Heidelberg gespielt wurde, konnte heuer auch wieder auf dem gewohnten Platz in Luxemburg aufgebaut werden.

So präsentiert sich das Programm nach der Spielzeit in Luxemburg in Heidelberg erst recht bestens eingespielt und flüssig. Wie gewohnt beherbergen gleich zwei Vorzelte die zahlreichen Besucher. Das hintere, größere Restaurationszelt und das eigentliche Chapiteau haben in diesem Jahr eine neue Zeltplane in den Hausfarben blau und gelb erhalten. Somit präsentiert sich der Circus nun einheitlich, da die Verpflegungsstationen bisher unter einer lilafarbenen Plane zu finden waren. Nachdem im letzten Jahr auf einer eckigen Bühne gespielt wurde, ist nun wieder eine klassische Manege aufgebaut. Ansonsten zeigt sich die Einrichtung im gewohnten Ambiente.


Heidi Latva, Chloe Walsh, Ovidiu Pasarar

Zu den aktuell am häufigsten aufgegriffenen Motiven in den verschiedensten Circussen gehören die Lieder des Kinofilms „The Greatest Showman“. So auch in Heidelberg. Schon beim Einlass hören wir die Hits, ehe die Show mit einem großartigen Opening zu „The Greatest Show“ beginnt. Bianca Renz gibt die Direktorin, knallt mit der Peitsche, und zwei Artistinnen in Leopardenkostümen rennen um sie herum. Alle Artisten kommen herein, zeigen Kostproben ihres Könnens. Gegen Ende schwebt Chloe Walsh an ihren Haaren in Richtung Kuppel – und leitet damit direkt über zu ihrer Darbietung, die die Show eröffnet. Die junge Britin zeigt nicht nur die üblichen Abläufe ihres Genres, sondern kombiniert den Zopfhang mit einer Feuershow. Sie beginnt mit kontorsionistischen Elementen in der Luft, löscht dann brennende Stäbe in ihrem Mund und spuckt schließlich Feuer, während sie an ihren Haaren durch die Luft wirbelt. Sie ist nicht die einzige junge, kreative Artistin, die im Programm zu sehen ist. Eine ähnlich ungewöhnliche Verbindung zweier Disziplinen hat sich Heidi Latva ausgedacht. Die junge Finnin war hierzulande schon im Offenburger Weihnachtscircus zu erleben und kombiniert Rollschuh- mit Trapezartistik. Beides verschmilzt zu einer harmonischen Kür, die wunderschön anzuschauen ist. Bianca Renz ist nicht nur der Kopf hinter der Show, sondern hat auch wieder eine neue Darbietung in petto. „Light Painting“ (Lichtmalerei) heißt die Disziplin, bei der sie mithilfe einer Taschenlampe circensische Motive auf eine Leinwand projiziert und sich beim Heidelberger Publikum für 19 Jahre Treue bedankt. Gemeinsam sind die drei jungen Frauen in verschiedenen Tanzszenen zu erleben. Beispielsweise zur Unterstützung von Kunstschütze Ovidiu Tell (Ovidiu Pasarar), der schon im vergangenen Jahr in Heidelberg zu sehen war. Er arbeitet nun in einem militärischen Look, gemeinsam mit den drei oben erwähnten Assistentinnen. Ergänzt durch eine Lasershow wird die sonst eher klassische Nummer zu einer wirklich coolen Performance. Die spektakulären Tricks sind geblieben, wie der „Apfelschuss“ mit fünf sich gegenseitig auslösenden Armbrüsten.


Duo T & D, Duo Ortiz, Tony Garcia 

Noch gelungener ist die Aufmachung der Bouncing-Jonglage von Tony Garcia. Brennende Tonnen im Hintergrund, Tänzerinnen, und starke Tricks sind aber noch nicht alles. Nachdem Garcia mit acht Bällen gen Boden jongliert hat, fängt es tatsächlich an zu regnen. Trotz der Nässe manipuliert der Spanier weiterhin drei Bälle. Damit leitet er einen Schlussspurt ein, der es in sich hat. Denn für ebenfalls großen Jubel sorgt Kraftmann Denis Ilchenko. Der kräftige Ukrainer zieht ein Auto nicht nur mit Zähnen, er lässt sich sogar damit überfahren und übersteht das Ganze unbeschadet. Kein Problem ist es deshalb für ihn, eine Eisenstange mit seinen Zähnen zu verbiegen oder einen Stamm mit vier Artisten und Requisiteuren darauf auf seinen Schultern zu tragen. Im Kontrast zu dieser martialischen Darbietung steht danach das Duo T & D an den Strapaten. Zu „Imagine“ von John Lennon fliegen die beiden Artisten durch die Kuppel und laden zum Träumen ein. Höhepunkt ist der Genickhangwirbel. Die Schlussnummer gehört dem Duo Ortiz. Die beiden Kolumbianer zeigen beispielsweise hohe Sprünge und den Blindlauf auf dem Todesrad. Im ersten Programmteil erleben wir sie auf dem Hochseil, dort mit dem Zwei-Mann-Hoch und Sprüngen auch über den längs liegenden Partner. Beide Darbietungen präsentieren sie mit offensivem Verkauf und südamerikanischem Temperament.


Alina Malko 

Gleich vier Darbietungen mit Tieren sind in diesem Jahr im sonst recht tierarmen Heidelberger Weihnachtscircus zu sehen. Svetlana Malko präsentiert vier Katzen im 20er Jahre-Stil. Kostüm, Postamente und Musik sind passend darauf abgestimmt. Die Vierbeiner springen beispielsweise von Zylinder zu Zylinder oder stellen sich auf die Hinterbeine. Ihre Tochter Alina Malko steht später in einer Küchenszene mit Frettchen im Rampenlicht. Die erstaunlich gelehrigen Tiere springen über Barrieren oder rollen eine Tischdecke aus. In den letzten Jahren gab es meist nur Kleintierdarbietungen in Heidelberg und Luxemburg zu sehen. Dank Jessica Bengtsson vom schwedischen Cirkus Olympia ist das in dieser Saison anders. Als Pausennummer zeigt sie sechs herrliche Friesen zur Titelmusik der Serie „Game of Thrones“. Zur Mitte der Nummer kommen die Leuchtgeschirre auf den Rücken der Tiere zum Einsatz. Diese arbeiten ohne Ausbinder eine abwechslungsreiche Trickfolge. Mit ihrer ruhigen, sympathischen Präsentation, die fast gänzlich auf Peitscheneinsatz verzichtet, hat Bengtsson das Publikum schnell auf ihrer Seite. Mit einem Steiger schließt sie diese harmonische Freiheitsdressur. Direkt nach der Pause zeigt die Schwedin dann fünf vorwitzige Ponys, von denen eines mit einem Vorwärtssteiger brilliert. Es wäre schön, wenn man in Zukunft wieder öfters Pferde hier erleben könnte, denn diese fügen sich bei dieser Art der Präsentation gut in das moderne Konzept ein.


Silvia & Guga, Bianca Renz mit Sito Rivelino Clowns 

Schon im vergangenen Jahr dabei waren die Sito Rivelino Clowns. Nun sind sie mit neuen Nummern zurück. Sie wissen auch dadurch zu gefallen, dass sie auch ohne Zuschauerunterstützung für viele Lacher sorgen. Für die Reprisen ist Dany Rivelino zuständig, der die Flaschenbalance zeigt und in Anlehnung an den unvergessenen Rob Torres mit Bechern jongliert. Gemeinsam mit Sito leitet er auch die Pause ein, nachdem sie von einem großen Dinosaurier durch die Manege gejagt wurden. Vor dem Todesrad haben die Rivelinos dann ihren größten Auftritt, bei dem Bianca Renz den seriösen Part gibt. Die beiden Spaßmacher wollen für sie einen Geburtstagskuchen backen und stolpern dabei über allerlei komische Hindernisse. Für weitere Lacher sorgen Silvia & Guga aus Brasilien. Guga passieren bei seiner Barrenakrobatik derart viele Unglücke, dass Silvia mit dem tänzerischen Überspielen gar nicht mehr hinterherkommt.


Finale 

Wunderschön gestaltet ist das Finale. Heidi Latva sitzt auf ihrem Trapez in einem langen weißen Kleid, das die ganze Manege überdeckt. Unter dem Kleid leuchten Luftballons auf, die von den Artisten getragen werden. Sie kommen heraus, laufen durch das Gradin. Wenn sie in die Manege zurückkehren, ist auch Heidi Latva zum Boden zurückgekehrt. Die Zuschauer erheben sich zu Standing Ovations, und die Artisten fangen an zu tanzen. „From Now On“ aus „The Greatest Showman“ liefert den musikalischen Background. Wie in jedem Jahr verabschieden sich die Artisten im Zuschauerausgang von den Besuchern.

Die diesjährige Ausgabe ist die mitreißendste Produktion, die ich bisher im Heidelberger Weihnachtscircus erlebt habe. Und sie ist komplett anders als es beispielsweise die Show des vergangenen Jahres war. Man darf gespannt sein, mit welchen kreativen Ideen wir im nächsten Winter überrascht werden.

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Text: Jonas Haaß; Fotos: Heidelberger Weihnachtscircus