So präsentiert sich das Programm
nach der Spielzeit in Luxemburg in Heidelberg erst recht bestens
eingespielt und flüssig. Wie gewohnt beherbergen gleich zwei
Vorzelte die zahlreichen Besucher. Das hintere, größere
Restaurationszelt und das eigentliche Chapiteau haben in diesem
Jahr eine neue Zeltplane in den Hausfarben blau und gelb
erhalten. Somit präsentiert sich der Circus nun einheitlich, da
die Verpflegungsstationen bisher unter einer lilafarbenen Plane
zu finden waren. Nachdem im letzten Jahr auf einer eckigen Bühne
gespielt wurde, ist nun wieder eine klassische Manege aufgebaut.
Ansonsten zeigt sich die Einrichtung im gewohnten Ambiente.
Heidi Latva, Chloe Walsh,
Ovidiu Pasarar
Zu den aktuell am häufigsten
aufgegriffenen Motiven in den verschiedensten Circussen gehören
die Lieder des Kinofilms „The Greatest Showman“. So auch in
Heidelberg. Schon beim Einlass hören wir die Hits, ehe die Show
mit einem großartigen Opening zu „The Greatest Show“ beginnt.
Bianca Renz gibt die Direktorin, knallt mit der Peitsche, und
zwei Artistinnen in Leopardenkostümen rennen um sie herum. Alle
Artisten kommen herein, zeigen Kostproben ihres Könnens. Gegen
Ende schwebt Chloe Walsh an ihren Haaren in Richtung Kuppel –
und leitet damit direkt über zu ihrer Darbietung, die die Show
eröffnet. Die junge Britin zeigt nicht nur die üblichen Abläufe
ihres Genres, sondern kombiniert den Zopfhang mit einer
Feuershow. Sie beginnt mit kontorsionistischen Elementen in der
Luft, löscht dann brennende Stäbe in ihrem Mund und spuckt
schließlich Feuer, während sie an ihren Haaren durch die Luft
wirbelt. Sie ist nicht die einzige junge, kreative Artistin, die
im Programm zu sehen ist. Eine ähnlich ungewöhnliche Verbindung
zweier Disziplinen hat sich Heidi Latva ausgedacht. Die junge
Finnin war hierzulande schon im Offenburger Weihnachtscircus zu
erleben und kombiniert Rollschuh- mit Trapezartistik. Beides
verschmilzt zu einer harmonischen Kür, die wunderschön
anzuschauen ist. Bianca Renz ist nicht nur der Kopf hinter der
Show, sondern hat auch wieder eine neue Darbietung in petto.
„Light Painting“ (Lichtmalerei) heißt die Disziplin, bei der sie
mithilfe einer Taschenlampe circensische Motive auf eine
Leinwand projiziert und sich beim Heidelberger Publikum für 19
Jahre Treue bedankt. Gemeinsam sind die drei jungen Frauen in
verschiedenen Tanzszenen zu erleben. Beispielsweise zur
Unterstützung von Kunstschütze Ovidiu Tell (Ovidiu Pasarar), der
schon im vergangenen Jahr in Heidelberg zu sehen war. Er
arbeitet nun in einem militärischen Look, gemeinsam mit den drei
oben erwähnten Assistentinnen. Ergänzt durch eine Lasershow wird
die sonst eher klassische Nummer zu einer wirklich coolen
Performance. Die spektakulären Tricks sind geblieben, wie der
„Apfelschuss“ mit fünf sich gegenseitig auslösenden Armbrüsten.
Duo T & D, Duo
Ortiz, Tony Garcia
Noch gelungener ist die
Aufmachung der Bouncing-Jonglage von Tony Garcia. Brennende
Tonnen im Hintergrund, Tänzerinnen, und starke Tricks sind aber
noch nicht alles. Nachdem Garcia mit acht Bällen gen Boden
jongliert hat, fängt es tatsächlich an zu regnen. Trotz der
Nässe manipuliert der Spanier weiterhin drei Bälle. Damit leitet
er einen Schlussspurt ein, der es in sich hat. Denn für
ebenfalls großen Jubel sorgt Kraftmann Denis Ilchenko. Der
kräftige Ukrainer zieht ein Auto nicht nur mit Zähnen, er lässt
sich sogar damit überfahren und übersteht das Ganze unbeschadet.
Kein Problem ist es deshalb für ihn, eine Eisenstange mit seinen
Zähnen zu verbiegen oder einen Stamm mit vier Artisten und
Requisiteuren darauf auf seinen Schultern zu tragen. Im Kontrast
zu dieser martialischen Darbietung steht danach das Duo T & D an
den Strapaten. Zu „Imagine“ von John Lennon fliegen die beiden
Artisten durch die Kuppel und laden zum Träumen ein. Höhepunkt
ist der Genickhangwirbel. Die Schlussnummer gehört dem Duo
Ortiz. Die beiden Kolumbianer zeigen beispielsweise hohe Sprünge
und den Blindlauf auf dem Todesrad. Im ersten Programmteil
erleben wir sie auf dem Hochseil, dort mit dem Zwei-Mann-Hoch
und Sprüngen auch über den längs liegenden Partner. Beide
Darbietungen präsentieren sie mit offensivem Verkauf und
südamerikanischem Temperament.
Alina Malko
Gleich vier Darbietungen mit
Tieren sind in diesem Jahr im sonst recht tierarmen Heidelberger
Weihnachtscircus zu sehen. Svetlana Malko präsentiert vier
Katzen im 20er Jahre-Stil. Kostüm, Postamente und Musik sind
passend darauf abgestimmt. Die Vierbeiner springen
beispielsweise von Zylinder zu Zylinder oder stellen sich auf
die Hinterbeine. Ihre Tochter Alina Malko steht später in einer
Küchenszene mit Frettchen im Rampenlicht. Die erstaunlich
gelehrigen Tiere springen über Barrieren oder rollen eine
Tischdecke aus. In den letzten Jahren gab es meist nur
Kleintierdarbietungen in Heidelberg und Luxemburg zu sehen. Dank
Jessica Bengtsson vom schwedischen Cirkus Olympia ist das in
dieser Saison anders. Als Pausennummer zeigt sie sechs herrliche
Friesen zur Titelmusik der Serie „Game of Thrones“. Zur Mitte
der Nummer kommen die Leuchtgeschirre auf den Rücken der Tiere
zum Einsatz. Diese arbeiten ohne Ausbinder eine
abwechslungsreiche Trickfolge. Mit ihrer ruhigen, sympathischen
Präsentation, die fast gänzlich auf Peitscheneinsatz verzichtet,
hat Bengtsson das Publikum schnell auf ihrer Seite. Mit einem
Steiger schließt sie diese harmonische Freiheitsdressur. Direkt
nach der Pause zeigt die Schwedin dann fünf vorwitzige Ponys,
von denen eines mit einem Vorwärtssteiger brilliert. Es wäre
schön, wenn man in Zukunft wieder öfters Pferde hier erleben
könnte, denn diese fügen sich bei dieser Art der Präsentation
gut in das moderne Konzept ein.
Silvia & Guga,
Bianca Renz mit Sito Rivelino Clowns
Schon im vergangenen Jahr dabei
waren die Sito Rivelino Clowns. Nun sind sie mit neuen Nummern
zurück. Sie wissen auch dadurch zu gefallen, dass sie auch ohne
Zuschauerunterstützung für viele Lacher sorgen. Für die Reprisen
ist Dany Rivelino zuständig, der die Flaschenbalance zeigt und
in Anlehnung an den unvergessenen Rob Torres mit Bechern
jongliert. Gemeinsam mit Sito leitet er auch die Pause ein,
nachdem sie von einem großen Dinosaurier durch die Manege gejagt
wurden. Vor dem Todesrad haben die Rivelinos dann ihren größten
Auftritt, bei dem Bianca Renz den seriösen Part gibt. Die beiden
Spaßmacher wollen für sie einen Geburtstagskuchen backen und
stolpern dabei über allerlei komische Hindernisse. Für weitere
Lacher sorgen Silvia & Guga aus Brasilien. Guga passieren bei
seiner Barrenakrobatik derart viele Unglücke, dass Silvia mit
dem tänzerischen Überspielen gar nicht mehr hinterherkommt.
Finale
Wunderschön gestaltet ist das
Finale. Heidi Latva sitzt auf ihrem Trapez in einem langen
weißen Kleid, das die ganze Manege überdeckt. Unter dem Kleid
leuchten Luftballons auf, die von den Artisten getragen werden.
Sie kommen heraus, laufen durch das Gradin. Wenn sie in die
Manege zurückkehren, ist auch Heidi Latva zum Boden
zurückgekehrt. Die Zuschauer erheben sich zu Standing Ovations,
und die Artisten fangen an zu tanzen. „From Now On“ aus „The
Greatest Showman“ liefert den musikalischen Background. Wie in
jedem Jahr verabschieden sich die Artisten im Zuschauerausgang
von den Besuchern. |