In einem kleineren Zweimaster,
welcher als Eingang dient, sind eine Reihe alter Circustraktoren
untergebracht. Die Traktoren sind der ganze Stolz von Direktor
Mario Müller-Milano und nur ein Teil seiner Sammlung an solchen
Fahrzeugen. Müller-Milano vermarktet seinen Weihnachts-Circus
auch mit seiner Person als bekannter Schausteller. Bei jedem Einlass
zeigt er Präsenz im Vorzelt; meistens sitzt er dabei auf seinem
rot-goldenen Thron. Zum Finale kommt der 70-Jährige in
die Manege und bedankt sich bei seinem Publikum. Der Dresdner
Weihnachts-Circus ist zu seinem Lebenswerk geworden, seit er
diesen im Jahr 2010 vom Circus Busch-Roland übernommen hat. Der
letzte Direktor dieses nicht mehr reisenden Unternehmens, Filip
Kaiser, wurde von Müller-Milano als künstlerischer und
technischer Leiter sowie Regisseur verpflichtet. Im Spielzelt
findet sich das Gradin, das bis vor zwei Jahren beim Heilbronner
Weihnachts-Circus im Einsatz war. Es wurde gekauft und
generalüberholt. Vor die erste Reihe wurden noch drei Reihen
Polsterstühle gesetzt, zusätzlich zu den Logen. Das ergibt
insgesamt ein äußerst pompöses Bild. Eine ganz große Rolle
spielt in Dresden das Orchester. 15 Musiker sorgen für den guten
Ton und begleiten jede Darbietung live, gehen einfühlsam auf das
Geschehen ein. Wohl noch nie zuvor hat ein Circus ein
Arrangement zu der bekannten Nummer der Diabolo-Girls schreiben
lassen, noch dazu für ein einziges Weihnachtsgastspiel.
Zusätzlich ist die Tonanlage hier von einer Qualität, dass man
auch Spaß an einem reinen Konzert der Musiker hätte. Sie sitzen
gut sichtbar über dem neuen, festlichen Artisteneingang.
Jiri Berousek
Aber natürlich bleibt es nicht
bei der Musik. Vielmehr hat
Mario Müller-Milano wieder hochrangige Künstler engagiert. Allen
voran ist hier die Familie Berousek zu nennen. Ihre
Pferdefreiheit gehört ohne Zweifel zu den besten auf der Welt
und riss mich sowie andere Besucher zu spontanen Standing
Ovations hin. Renata Berousek beginnt mit einem Sechserzug
weißer Araber, ehe sich fünf braune dazu gesellen und ihr Bruder
Jiri Berousek die Peitschenführung übernimmt. Die Pferde laufen
ohne Ausbinder schwierige Figuren zu mitreißenden Geigenklängen
in einer unglaublichen Leichtigkeit. Interessant ist der Aufbau
des Fächers, bei dem sich jeweils zwei Tiere aus der Reihe lösen
und zum Gegenlauf ansetzten. Diese Sternstunden der Circuskunst
muss man einfach selbst erlebt haben! Zu Recht ist dies die
Pausennummer.
Ronald Spindler, Renata Berousek
Auch die Exoten der Familie sind
sehenswert. Zuerst zeigen sich sechs Zebras und schließlich
jeweils fünf Kamele und Dromedare in einer etwas langen, aber
sehr anspruchsvollen Dressur. Drei Rinder und ein steigendes
Pony beschließen das Exotentableau. Nicht ganz mithalten können
da die Esel von Renata Berousek, welche die Nummernfolge
eröffnen. Nach dem man bisher jede Saison zwischen Elefanten und
Raubtieren abwechselte, gibt es diesmal wie auch im Vorjahr
Elefanten zu sehen. Ronald Spindler bringt drei afrikanische
Damen in die Manege. Die Tiere beherrschen ein breites
Trickrepertoire auf Hockern; ein Tier kriecht unter einem
anderen hindurch, und alle drei Dickhäuter lassen sich beim
Abliegen von einem Hund überspringen. Julia Tchakanova, die
Lebensgefährtin von Filip Kaiser, komplettiert den tierischen
Part mit ihren jeweils drei Lamas und Windhunden in einer
Freiheitsdressur inklusive steigendem Lama am Schluss.
Julot Cousins, Gorgeous Girls,
Duo Garcia
Ein Ausrufezeichen im
artistischen Bereich setzt der Franzose Julot Cousins. Er
erklimmt einen schwankenden Mast, um an die dort oben liegenden
Hula-Hoop Reifen zu gelangen und lässt sie kurzerhand in
luftiger Höhe kreisen, unter anderem an den Füßen, während er
einen Handstand drückt. Schon oft in deutschen Manegen haben wir
das Duo Garcia an der rotierenden Rakete gesehen. Die Tricks der
beiden sind wirklich nicht ungefährlich, vor allem wenn Pablo
Garcia seine Frau Vicky im Zahnhang umher schleudert. Zehn junge
Chinesinnen aus Peking präsentieren vor dem
Finale als Gorgeous Girls ihre bekannte, perfekt choreographierte
Diabolonummer. Wer sie schon unzählige Male gesehen hat, wird
trotzdem überrascht, denn jeder Klang der Begleitmusik wird live
gespielt und hört sich dabei fast wie die „Original“-Musik vom
Band an, nur eben noch mitreißender, so dass Gänsehaut
garantiert ist.
Timo Marc, Anke Fiedler, Nicol
Nicols
Gleiches gilt für Drahtseilläufer
Nicol Nicols. Auch er zeigt seine
Drahtseilnummer mit Tänzerin Havi meist zur Bandmusik, nur in
Dresden selbstverständlich nicht. Rückwärts- und Vorwärtssalto
sind die Höhepunkte seines Repertoires. Havi begleitet Nicols
dabei im Playback auf der Geige. Neben ihr umtanzen den Spanier
zu Beginn noch drei weitere Mädchen aus dem Ballett. Zu viert
treten sie zudem bei den Exoten und im Finale in Erscheinung.
Die prächtigen Kostüme kommen vom Zirkus Charles Knie, ebenso
wie eine der Tänzerinnen. Eine weitere attraktive Begleiterin
durch das Programm ist Sängerin Anke Fiedler, die mit voller
Energie bei der Sache ist und mit Weihnachtsliedern auch manche
Umbaupause überbrückt. Für Überbrückungen ist auch
Sprechstallmeister Timo Marc zuständig. In den vergangenen drei
Jahren lag die Moderation stets in einer anderen Hand, nach dem
der langjährige Ansager Petr Kumpfe nicht mehr im
Scheinwerferlicht steht. Mal sehen, ob der Schwabe Timo Marc nun
jedes Jahr die Ehre bekommt.
Duo Gravity, Fumagalli und Daris
Zum ersten Mal in der Dresdner
Manege steht auch Starclown Fumagalli. Er stimmt als komischer
Dirigent das Orchester an, zaubert mit einem Halstuch und darf
natürlich im zweiten Teil mit dem Bienchen-Entree glänzen. Ein
unglaublich witziger Moment ergibt sich in der besuchten
Vorstellung: Nachdem Fumagalli eine Besucherin in der Loge mit
Wasser bespuckt hat, nimmt sie selbst den Mund voll, springt
hinter seinem Rücken in die Manege und macht den Clown nass. Ein
herrlicher Spaß, selbst das Orchester klopft sich auf die
Schenkel. Immer an Fumagallis Seite ist sein Bruder Daris Huesca
und beim großen Entree noch sein Sohn Niko, der den seriösen
Part verkörpert. Niko hat sich zusammen mit Sven Jahn-Munoz eine
Strapaten-Nummer erarbeitet. Als Duo Gravity waren sie schon
Schlussnummer in der letzten Herman-Renz-Saison und haben nun in
Dresden das Publikum auf ihrer Seite. Die ganze Huesca-Family,
hier noch mit dem jüngeren Sohn Stefano, und Sven Jahn-Munoz
probieren sich zudem als Fuma Boys in Sachen Akrobatik. |