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Cirque de Noel - Christiane Bouglione 2018
www.lecirquedenoel-paris.com ; 105 Showfotos

Paris, 8. Dezember 2018: Enttäuscht worden sind wir im Cirque de Noel von Christiane Bouglione noch nie. Auf diesen weihnachtlichsten aller Weihnachtscircusse in Paris ist einfach Verlass. In diesem Winter ist es nicht anders. Das Programm ist sogar besonders interessant, enthält es doch viele uns bislang noch unbekannte Nummern. Unter dem roten Chapiteau am Bois de Boulogne stehen 2018 die jungen Frauen im Mittelpunkt. Zwei Drittel des Ensembles ist weiblich. Und so hat diese Show einen ganz besonderen Charme. Zwei Vorstellungen gibt es an diesem Samstag.

Die erste ist bis auf den letzten Platz ausgelastet. In der zweiten bleiben rund 500 Plätze unbesetzt. Die Proteste der „Gelbwesten“ im Stadtzentrum zeigen ihre Auswirkungen. Auch Direktorin Christiane Bouglione kann deswegen nicht vor Ort sein und ihre Gäste persönlich begrüßen.


Begrüßung mit Emilion Delbosq und Ensemble

So ist es am Ensemble, uns willkommen zu heißen. Beim Einlass genauso wie wenig später in der Manege. Monsieur Loyal Xavier Fagnon und seine Weihnachtsfrauen stimmen uns formvollendet auf das Kommende ein. Begleitet werden sie dabei von Emilion Delbosq. Der junge Komiker aus Großbritannien ist zum dritten Mal beim Cirque de Noel engagiert. Schon öfter haben wir ihm an dieser Stelle ein Loblied gesungen. Nun ist es nicht anders. Emilion ist ein „real character“, wie die Briten sagen, eine echte Persönlichkeit. Vor Beginn der Show sitzt er Nase bohrend im Publikum. Nachdem er im Scheinwerferlicht die goldenen Tanzschuhe angezogen hat, legt er zu flotten Beats eine ausgelassene Tanzperformance hin. Bei weiteren Auftritten wagt der Clown mit schwarzer Brille und Union-Jack-Tuch an der Hose eine Autofahrt mit Zuschauerin oder hypnotisiert eine aufblasbare Giraffe. In einer neuen Version erleben wir sein Spiel mit Rauchkringeln, die von einem Staubsauger produziert werden. Zum Brüllen komisch ist seine Variante des Publikums-Orchesters. Wer nicht so performt, wie der Bandleader es will, bekommt die Konsequenzen zu spüren. Am Ende sind aber alle Gäste wieder wohlauf. Als Clou gibt Emilion eine Personifizierung von Freddie Mercury. Traditionell wird die Pause mit den vier verknoteten Herren aus dem Publikum eingeleitet. Auch hier setzt der Clown eigene witzige Akzente.


Marine Durand Rech, Melina Igen, Glenn Folco

Marine Durand Rech eröffnet den artistischen Part mit dem Tanz auf dem Drahtseil. Die junge Artistin hält sich mit Hilfe eines Schirms auf dem Seil, welches zwischen zwei schön verzierten Plattformen gespannt ist. Im hübschen Kleid arbeitet sie eine harmonische Kür. Am Ende balanciert sie gar auf den Zehenspitzen über den Draht. Die Eltern der folgenden Künstlerin, Josefine und Daniel Igen, waren im vergangen Jahr mit Hunden und Ziegen beim Cirque de Noel engagiert. Nun steht ihre Tochter Melina in dieser Manege. Sie präsentiert eine traumhafte Taubendressur. Dressur ist hier wirklich der richtige Begriff. Denn die Vögel werden nicht nur auf ein Karussell oder eine Wippe gesetzt, sondern zeigen richtige Tricks. So etwa den Slalomlauf zwischen Stangen oder das synchrone Laufen auf den Armen von Melina. Eine schöne Dynamik bekommt die Vorführung durch die eingebauten Flugsequenzen. Natürlich erleben wir keine Rundflüge durch das Chapiteau. Hier geht es um kurze Distanzen. Melina Igen weiß zudem, sich und ihre Tiere gekonnt in Szene zu setzen. So serviert sie uns ein wunderbares Gesamterlebnis. Nach diesen zumeist ruhigen Momenten heizt Glenn Folco die Stimmung wieder an. Der jugendliche Tennis-Jongleur aus Italien sorgt für ordentlich Stimmung. Bis zu fünf Rackets hält er gleichzeitig in der Luft – und sich selbst immer in Bewegung. Er startet mit einem Schläger, den er mittels Devil Sticks manipuliert. Die stärkten Reaktionen des Publikums erhält er für seine Jonglage von drei Tennisschlägern, in die er einen Rückwärtssalto einbaut.


Gunter Sackmann, Geraldine Philadelphia, Nicole und Michelle

Zsofia Komenda ließ ihren Flying Pole 2017/18 im ebenfalls von der Familie Bouglione betriebenen Cirque d'Hiver kreisen. Nun dürfen wir ihre sinnliche Kür in einem intimeren Rahmen genießen. Tanz, Ausdruck und hohes artistisches Können bilden eine wunderbare Symbiose. Es ist nur allzu verständlich, dass ihr Auftritt der letzte im ersten Programmteil ist. Der zweite wird von Gunter Sackmann eröffnet. Auch er war mit seinen Ratten im letzten Winter im Cirque d'Hiver engagiert. Im Stil eines nostalgischen Circusdirektors präsentiert er die großartigen Künste von Ratatouille, Gisele und ihren Freunden. Einen eindrucksvollen Kontrast zu den gewöhnlichen Ratten bilden die großen Nutrias, die ebenso balancieren und rutschen können. Geraldine Philadelphia ist mit ihren Reifenjonglagen bestens im Geschäft. In der vergangenen Sommersaison war sie beim dänischen Zirkus Nemo. Von Paris aus geht es zum Jubiläumsprogramm des Heilbronner Weihnachtscircus. In ihrer Nummer jongliert sie auf unterschiedlichste Weise mit Ringen verschiedener Größen. Zudem demonstriert sie die Biegsamkeit ihres Körpers. Dank ihrer gewinnenden Persönlichkeit findet sie spielend den Kontakt zum Publikum, ja flirtet mit ihm. Es macht einfach immer wieder Spaß, der jugendlichen Artistin zuzusehen. Gleiches werden wir sicher auch bald über Nicole und Michelle sagen. Denn die Partner-Akrobatik des Duos aus der Familie Kolev (Flying Wulber) ist brandneu. Und sie überzeugt vom Start weg, hat es gleich zur Schlussnummer gebracht. Die hübschen Teenagerinnen verwöhnen uns mit starken Tricks. Zum Auftakt erleben wir einen einarmigen Handstand auf dem Kopf der Partnerin. Zum Finale balanciert Michelle ihre Schwester auf den Füßen. Dabei geht es von der Brücke in eine liegende Position und wieder zurück. Damit begeistern sie genauso wie mit dem Rest ihrer Darbietung. Premiere geglückt, herzlichen Glückwunsch!

Im Finale verabschieden sich alle Mitwirkenden mit Luftballons vom frenetisch applaudierenden Publikum. Die Vorstellung ist aber erst zu Ende, wenn Emilion Delbosq und die Weihnachtsfrauen gemeinsam eine Kerze ausgeblasen haben. Der kleine Epilog ist genauso Bestandteil der Programme des Cirque de Noel genauso wie das ausgesuchte Programm, die liebevolle Inszenierung, der familiäre Rahmen und das warme Lichtdesign. Traditionen gehören einfach zur Weihnachtszeit. Der jährliche Besuch des Circus von Christiane Bouglione ist eine solche – eine wunderschöne.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch