Mit
diesem von Stephan Gruss kreierten Programm besinnt sich der Cirque
Alexis Gruss wieder auf seine ureigenen Stärken. Die Zusammenarbeit mit
der Artistenformation „Farfardais“ wurde beendet. Für mich harmonierten
die beiden Ensembles ohnehin nicht. Nun wird das Programm nahezu
komplett von der Familie bestritten. Hinzu kommen drei engagierte
Artisten, die sich wunderbar in das Team einfügen. Es ist wieder alles
aus einem Guss. Das tut der Show ungeheuer gut. Nichtsdestotrotz haben
die Gruss wieder kompetente Partner hinzugezogen, um die Produktion zu
realisieren. Sandrine Diard ist für die Choreographie verantwortlich,
Bruno Fatalot für die Kostüme, Jean-Charles Pfaumwadel für das Licht
und Sylvain Rolland zusammen mit anderen für die Musik. Rolland ist es
auch, der das hervorragende zehnköpfige Orchester leitet. Es thront
über der Gardine des neu gestalteten Artisteneingangs. Das Licht ist
ungeheuer stimmungsvoll, warm, nostalgisch. In besonderer Erinnerung
bleiben die beiden Ringe aus Glühbirnen über der Spielfläche.
Stephan und Firmin Gruss
Es
gibt eine Erzählerin und Sängerin. Eva Poirieux hat diese Aufgabe
übernommen. Hoch zu Ross begrüßt sie das Publikum. Immer wieder
erscheint sie und spricht erklärende Texte oder begleitet das Geschehen
in der Manege gesanglich. Ein Sprecher aus dem Off ergänzt. Erzählt
wird eben die Geschichte vom Anfang des Circus. Und der Circus ist aus
dem Militär heraus entstanden. Gründer Philip Astley war Sergeant Major
in der Armee. So reitet die Kompagnie in Militäruniformen zum Rhythmus
von Trommeln ein. Neun Personen zu Pferd und weitere am Boden geben ein
imposantes Bild ab. Alexandre und Charles Gruss zeigen kurz Tricks der
Koskenreiterei, während andere Artisten am Boden exerzieren. Überhaupt
sind viele der Auftritte in der ersten Hälfte der Produktion recht
kurz. Kaum hat am sich auf eine Nummer eingestellt, kommt die nächste.
Ein wenig wie in einem schnell geschnittenen Videoclip. Die einzelnen
Darbietungen werden zu vier Akten zusammengefasst. Diese werden
insbesondere durch die gesprochenen Texte markiert.
Charles Gruss
Nach
Reiterei von Stephan sorgt Charles Gruss mit seiner Version des
komischen Pferds für Heiterkeit. Es gibt etwa das Bettpferd ohne Bett
oder einen feuchten Kuss für den Reiter. Eine wunderschöne historische
Gauklerszene mit den verschiedensten Akrobaten schließt sich an. Im
Mittelpunkt des Geschehens steht der Seiltanz. Eva Poirieux singt dazu.
Und noch einmal wird es lustig. Firmin Gruss gibt den „Schneider des
Regiments“, der im Stehen reitend eine Weste nach der anderen auszieht
und zu guter Letzt in einer Loge endet. Batoudesprünge über bis zu
sechs Pferde sind eine heute selten aufgeführte Kunst. Hier begeistern
uns damit Louis und Joseph Gruss sowie Romuald Bruneau. Nachdem Alexis
Gruss ein Schulpferd vom Boden aus angeleitet hat, folgen seine Söhne
Stephan und Firmin als Voltigeure mit Akrobatik zu Pferd. Mit
„Quadrille zu Pferd der Enkelkinder“ ist passenderweise der nächste
Auftritt überschrieben. Darin reiten Alexandre, Charles, Louis und
Joseph Gruss Figuren der Hohen Schule. Die blendend aussehenden jungen
Männer in ihren schmucken Uniformen geben ein wunderschönes Bild ab.
Svetlana Lobova arbeitet eine überzeugende Kür am Luftring. Als Clou
wird der Apparat mit dem Ring von einem Pferd im Kreis gedreht. Am Ende
der schön anzusehenden Szene treffen sich Mensch und Tier in der
Manege, um sich kurz darauf gemeinsam zu verabschieden.
Charles Gruss
Zu
flotter Folkmusik gibt Charles Gruss in schottischer Aufmachung den
Jongleur zu Pferd. Dabei lässt er Becher in Ringen kreisen. Bruder
Alexandre produziert sich auf dem Pferderücken als Ritter mit Fahne.
Ein „Römer“ lässt seinen Vierbeiner über einen vom Reiter gehaltenen
Bogen springen. Ein Leckerbissen ist die von Gipsy Gruss im Damensattel
gerittene Hohe Schule. Die Sängerin lässt dazu den Song „Tightrope“ aus
dem Film „Greatest Showman“ erklingen. Auf diese schnell
nacheinander präsentierten Appetithappen folgt eine kleine Militärparade.
Vier Trommler auf dem Manegenboden bilden den Rahmen für die
anspruchsvolle Hohe Schule von Alexis Gruss. Diese reitet er mit viel
Noblesse. Dankenswerterweise wird diesem überaus stimmungsvollen Bild
wieder mehr Raum gegeben. Vor der Pause gibt es dann eine wirklich
„große Nummer“. Nachdem Charles und Alexandre Gruss zu zweit
Stehendreiterei auf jeweils zwei Pferden gezeigt haben, gehört Charles
Gruss die große Ungarische Post. Am Ende führt er 15 Pferde vor seiner
imaginären Kutsche an Zügeln. Großvater Alexis behält in der
Manegenmitte den Überblick und dirigiert den Ablauf. Nach rund 75
Minuten geht es in die Pause.
Geofrrey Berhault
In
Teil zwei erleben wir zumeist Darbietungen in der gewohnten Länge. Die
erste gehört Geoffrey Berhault, den wir schon beim Circus Herman Renz
oder dem Great Christmas Circus der Familie Wille sehen konnten. Nach
dem Auftakt mit Gesang und Lichtshow zeigt der Franzose seine
Akrobatik auf zwei im Kreuz übereinander gespannten Drahtseilen. In
einer modernen Inszenierung meistert er unter anderem den Rückwärts-
und Vorwärtssalto. Auf einer Holzbahn arbeitet Louis Gruss am Rhönrad.
Bei seinem schön anzusehenden Auftritt hängt der Himmel voller
Glühbirnen. Funk und Soul bilden den musikalischen Rahmen für die
Jonglagen von Joseph, Louis, Charles und Alexandre Gruss. Schlagzeug,
E-Gitarre und E-Bass sind die zugehörigen Instrumente in der Manege.
Jongliert wird mit Bällen. Dies sowohl in die Luft als auch zum Boden.
Zudem dient ein Dreieck als Requisit, in welchem die Bälle auf Touren
geschickt werden. Verschiedene Pferde und Ponys im Solo präsentiert
Alexis Gruss nacheinander. Es sind intensive Dialoge des Meisters mit
seinen Lieblingen, die durch verschiedene Steiger gekrönt werden. In
den Genuss der Begleitung durch Livegesang kommt auch Desire Cardinali
Chavez. Sie arbeitet ihre bekannte Melange aus Kontorsion und
Handstand-Equilibristik. Mit den Füßen bedient sie Pfeil und Bogen, um
damit treffsicher einen Luftballon zum Platzen zu bringen.
Svetlana Lobova und Firmin Gruss
Der
Titel „More than word“ bildet den Auftakt zur Freiheitsdressur mit
sechs Friesen. Alexandre Gruss spielt Gitarre, Eva Poirieux singt.
Immer mehr Pferde kommen dazu. Wenn alle Tiere in der Manege sind,
führt Alexandre Gruss die Freiheit vor, Eva Poirieux singt einen
weiteren Popsong von einer Plattform an einem der Masten aus. Es ergibt
sich ein schönes Gesamtbild in Schwarz. Die Dressur an sich ist
allerdings nicht so stark, wie wir es von einem der führenden
Pferdecircusse erwarten. Voll und ganz überzeugen kann der folgende
Auftritt von Firmin Gruss und Partnerin Svetlana Lobova. Es beginnt mit
gemeinsamer Artistik an den Strapaten. Nachdem ein Schimmel die Szene
betreten hat, wechselt Firmin Gruss für Kunststücke auf das Pferd,
während Svetlana Lobova weiterhin in der Luft agiert. Für ein Pas de
deux begibt sich dann auch Lobova auf den Rücken zweier Pferde.
Höhepunkt ist hier ihr einbeiniger Stand auf einer Schulter des
Partners. Die traumhafte Kür endet dann wiederum an den Strapaten.
Voller Tempo ist die Schlussnummer. Darin erleben wir Alexandre und
Charles Gruss als Jongleure zu Pferd. Wie schon im Knie-Programm 2016
jonglieren sie zu rockigen Klängen in hohem Tempo, dass es eine wahre
Freude ist. Insbesondere die Keulen lassen sie ungeheuer geschickt
fliegen. Hinzu kommt die große Präsenz der beiden Brüder. Eine
ungeheuer mitreißende Darbietung, die immer wieder begeistert. Nach
einem Epilog der Erzählerin endet der Abend mit dem stilvoll
inszenierten Finale. Alle Mitwirkenden verabschieden sich zunächst zu
Pferd, dann zu Fuß. Wie gewohnt werden alle Mitglieder des Ensembles
namentlich vorgestellt.
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