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Salto Natale 2017 - "Luna"
www.saltonatale.ch ; 148 Showfotos

Zürich, 19. November 2017: Vater und Sohn Knie gehen ein Stück weit getrennte Wege. Im  Herbst hat Gregory Knie den Erotik-Circus „Ohlala“ erstmals alleine veranstaltet, ohne seinen Vater Rolf. Beim Wintercircus „Salto Natale“ wirkt Gregory zwar weiter als Produzent mit. Doch Regie und künstlerische Leitung liegen diesmal alleine in den Händen von Rolf Knie. Die Entwicklung schlägt sich in den Shows nieder. Sie sind verschiedener denn je. „Ohlala“ wirkte zuletzt noch cooler, stylischer, moderner. „Salto Natale“ bewegt sich dagegen in die Richtung klassischer Show-Bilder.

Zumindest die ersten Nummern des neuen Salto-Natale-Programms bieten eine geradezu traditionelle „Reise um die Welt“. Zum Auftakt werden wir nach Indien entführt. Das Ballett zaubert fantasievolle und farbenprächtige Impressionen des fernen Landes auf die Bühne. Die fünf Damen und vier Herren tanzen hochklassig und in wunderbaren Choreographien. Dazu gibt es eine prächtige, sich bewegende Elefantenfigur im Hintergrund, Feuerspiele der Schweizer Künstler Stefan Bolt und Peter Oertle sowie Figurantinnen, zu deren Kopfschmuck jeweils vier brennende Fackeln gehören. „Fuego“ (spanisch für Feuer) ist auch das Motto dieser Show. Sie hat einen anderen Look als die meisten Vorgängerproduktionen. Früher standen häufig trendige Choreographien mit abstrakteren, nicht konkret fassbaren Themen im Mittelpunkt, oft auch recht erotisch aufgemacht. Doch wie gesagt: „Ohlala“ und „Salto Natale“ sind unterscheidbarer denn je. Hier singt Musical-Darsteller Patric Scott im edlen Maharadscha-Outfit mit Turban auf dem Kopf. Er ist in der dritten Saison dabei.

 
Anastasia Makeeva, Argentina Gauchos, Aerial Tango

In das indische Bild fügt sich die Strapatennummer von Anastasia Makeeva ein. Kostüm und Musik wurden dem Thema angepasst, doch die außerordentlich starken und gefahrvollen Tricks sind die bekannten. Schade, dass die Künstlerin hier in etwas niedrigerer Höhe arbeitet und gleich als erste Nummer platziert wurde. Darunter leidet ein wenig die Wirkung dieses Spitzen-Acts. Die zirzensische Weltreise führt weiter nach Argentinien. Sechs Gauchos trommeln temperamentvoll im Hintergrund, während drei Damen passend dazu in landestypischen Kleidern tanzen. Eine ganz außergewöhnliche Nummer wurde mit dem „Aerial Tango“ verpflichtet. Zwei Damen teilen sich hier einen Herrn für ihren leidenschaftlich zelebrierten Tango Argentino. Der Mann tanzt auf der Bühne, die Damen sowohl auf dem Boden als auch in der Luft. Möglich wird dies durch dünne Seile, an denen die Frauen durch die Zeltkuppel fliegen. Zwei menschliche „Gegengewichte“, welche sich an den hinteren Masten hinauf und hinab bewegen, machen die Flüge möglich. Großer Applaus ist der Lohn. Maskuline Trommel-, Tanz- und Bola-Spiele der sechs Gauchos schließen diese Station ab.


Zhenyu Li, Ballett, Dunking Devils

Nun führt der Weg nach China. Zhenyu Li zeigt eine außergewöhnliche Equilibristik-Nummer auf flexiblen Stäben. Diese verlängert er durch zusätzliche Teile in immer neue Höhen. An der Spitze balanciert er auf Händen oder im Spagat zwischen den auseinander strebenden Stangen. Violinistin Jessica Kun begleitet ihn im asiatischen Gewand und vor dem flackernden Schein eines Feuerherzens. Unsere nächsten Reisebegleiterinnen sind kecke Stewardessen und fesche Stewards mit einem fröhlichen Tanz zu Swing-Musik. Damit löst sich das Thema der Weltreise auch auf. Stattdessen hat Rolf Knie eine Würdigung seines verstorbenen, von ihm bis heute verehrten Vater Fredy Knie sen. kreiert. Und zwar dirigiert Patric Scott im schwarzen Frack acht „Pferde“ mit menschlichem Innenleben durch eine „Freiheitsdressur“. Hinter ihm prangt ein Bild des legendären Direktors im Goldrahmen. Die Absichten waren sicher die besten, doch leider wirkt diese Hommage befremdlich, mehr wie eine Persiflage. Immerhin wurde dies schnell erkannt und die Nummer kurz nach unserem Besuch aus dem Programm genommen. Weiter dabei sind die fünf „Dunking Devils“ aus Slowenien, und das ist auch gut so. Mit viel Anlauf und über ein Trampolin springen sie zum Korb und werfen ihre Basketbälle in den Korb, stets nach wilden Sprüngen und Salti. Einer der Artisten nimmt, nach vorne zusammengeklappt, sogar selbst den Weg durchs Netz. Zur fröhlichen Stimmung tragen die ganz unterschiedlichen Kostüme beim, vom Schottenrock über das Torero- und Gendarmen-Outfit bis zum Zirkus-Livree. Patric Scott singt, das Publikum geht begeistert mit. Ein toller Abschluss der ersten Hälfte.


Truppe Elena Drogaleva, Dustin Huesca, Trio Bellissimo 

Nicht unser Geschmack ist dagegen die Affenhorde, welche den zweiten Programmteil eröffnet. In die Gorilla-Kostüme wurde vor vier Saisons bereits die Schleuderbrett-Truppe Nomuna gesteckt. Nun muss das Ballett in solcher Kostümierung tanzen. Dabei zeigt Dustin Huesca, ebenfalls im Gorilla-Style, Ausschnitte seiner Bouncing-Jonglagen. Und bereitet damit den Boden für die wunderbaren Keulen-Passings von Elena Drogaleva und ihren drei Gentlemen. Wie gewohnt arbeitet das Quintett in eleganten Nadelstreifen. Über mehrere Ebenen, dank zweier hoher Postamente, werden die Keulen mit fast traumwandlerischer Sicherheit hin- und hergereicht. Ebenso viel Freude bereitet immer wieder das Trio Bellissimo mit seiner Handstandakrobatik, die artistisch stark und optisch ein Augenschmaus ist.


Peter Pfändler, Ballett 

Die drei Akrobatinnen werden am Ende ihres Auftritts von Herren in eleganten schwarzen Anzügen abgeholt. Anya Liapunova darf dabei in die Arme ihres Ehemannes entschwinden, Dustin Huesca. Bisher als Jongleur bekannt, versucht er sich nun als Komiker. Als unglücklicher Chansonnier fleht er „Ne me quitte pas“ („Verlass‘ mich nicht!“), doch der Spot des Beleuchters verlässt ihn andauernd. Huesca stolpert dem Lichtkegel hinterher durch die Dunkelheit. Eine Nummer aus dem Soleil-Programm „Varekai“, die andernorts schon überzeugender gespielt wurde. Ballett mit Augenzwinkern folgt nun beim „Schweinesee“. Herren wie Damen tanzen hier im Tutu den Schwanensee, aber eben mit Schweinemasken. Der Solistin wird zusätzlich mit entsprechender Wattierung zu „Übergewicht“ verholfen. So hat ihr Partner seine liebe Mühe mit dem gemeinsamen Tanz. So richtig herzhaft lachen lässt mit mehreren Auftritten Peter Pfändler. Gemeinsam mit seinem Bühnenpartner Cony Sutter war er bereits zwei Mal bei Salto Natale im Programm. Nun widmet er sich im Solo den verschiedenen Dialekten des Schweizerdeutschen, beweist sein Talent als Astrologe oder amüsiert mit Wortspielen. Im witzigsten seiner Auftritte gibt er die elegante Diva, die auf High-Heels über den Catwalk stöckelt. Das hat er verdammt gut drauf. Und warum? „Weil ich es geübt habe!“.


The Donatas, Truppe Pronin, Patric Scott 

Modellflugzeuge im Circus, diesen Trend hat Daniel Golla ausgelöst. Bei Salto Natale sind nun zwei weitere Vertreter dieses Faches zu erleben, Ignas Matulevitius und Donatas Pauzuolis alias „The Donatas“. Auch sie lassen mit ihren Flugmanövern staunen. Die fünf Herren und die Dame der Truppe Pronin übernehmen das Fliegen selbst. Von der Russischen Schaukel aus heben sie ab, schlagen Salti und Pirouetten und landen sicher auf einer weiteren Schaukel. Auch eine Passage gehört zum beeindruckenden Repertoire. Bisher sahen wir diese hervorragende Nummer stets im strengen Piraten-Look mit entsprechender Filmmusik. Hier wird sie gut gelaunt zu „Wake me up“ und „Footloose“ gezeigt, mit einem singenden Patric Scott und Akteuren in schwarzen Fräcken. Und wieder kocht die Stimmung im Publikum, das im ausgiebig zelebrierten Finale begeistert applaudiert.

Die Pronins sind nach den Drogaleva, dem „Aerial Tango“ mit fünf Mitwirkenden, den Gauchos und den Dunking Devils die fünfte Truppe in diesem Programm – das Trio Bellissimo sowie jeweils neun Personen Ballett und erstklassige Showband nicht zu vergessen. Rolf Knie hat auf Masse und Klasse zugleich gesetzt, wiederum ein 55-köpfiges Ensemble mit durchweg starken Darbietungen verpflichtet. Für uns war es die überzeugendste Ausgabe von „Salto Natale“ der letzten Jahre, ebenso wie „Ohlala“ im September eines seiner großartigsten Programme zeigte. Und so hat es vielleicht auch sein Gutes, dass Vater und Sohn Knie jeweils eine Produktion in den Fokus nehmen und dieser den eigenen Stempel aufdrücken.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber