Zumindest die ersten Nummern des
neuen Salto-Natale-Programms bieten eine geradezu traditionelle
„Reise um die Welt“. Zum Auftakt werden wir nach Indien
entführt. Das Ballett zaubert fantasievolle und farbenprächtige
Impressionen des fernen Landes auf die Bühne. Die fünf Damen und
vier Herren tanzen hochklassig und in wunderbaren
Choreographien. Dazu gibt es eine prächtige, sich bewegende
Elefantenfigur im Hintergrund, Feuerspiele der Schweizer Künstler
Stefan Bolt und Peter Oertle sowie Figurantinnen, zu deren
Kopfschmuck jeweils vier brennende Fackeln gehören. „Fuego“ (spanisch für Feuer) ist
auch das Motto dieser Show. Sie hat einen anderen Look als die
meisten Vorgängerproduktionen. Früher standen häufig trendige
Choreographien mit abstrakteren, nicht konkret fassbaren Themen
im Mittelpunkt, oft auch recht erotisch aufgemacht. Doch wie
gesagt: „Ohlala“ und „Salto Natale“ sind unterscheidbarer denn
je. Hier singt Musical-Darsteller Patric Scott im edlen
Maharadscha-Outfit mit Turban auf dem Kopf. Er ist in der
dritten Saison dabei.
Anastasia Makeeva,
Argentina Gauchos, Aerial Tango
In das indische Bild fügt sich
die Strapatennummer von Anastasia Makeeva ein. Kostüm und Musik
wurden dem Thema angepasst, doch die außerordentlich starken und
gefahrvollen Tricks sind die bekannten. Schade, dass die
Künstlerin hier in etwas niedrigerer Höhe arbeitet und gleich
als erste Nummer platziert wurde. Darunter leidet ein wenig die
Wirkung dieses Spitzen-Acts. Die zirzensische Weltreise führt
weiter nach Argentinien. Sechs Gauchos trommeln temperamentvoll
im Hintergrund, während drei Damen passend dazu in
landestypischen Kleidern tanzen. Eine ganz außergewöhnliche
Nummer wurde mit dem „Aerial Tango“ verpflichtet. Zwei Damen
teilen sich hier einen Herrn für ihren leidenschaftlich
zelebrierten Tango Argentino. Der Mann tanzt auf der Bühne, die
Damen sowohl auf dem Boden als auch in der Luft. Möglich wird
dies durch dünne Seile, an denen die Frauen durch die Zeltkuppel
fliegen. Zwei menschliche „Gegengewichte“, welche sich an den
hinteren Masten hinauf und hinab bewegen, machen die Flüge
möglich. Großer Applaus ist der Lohn. Maskuline Trommel-, Tanz-
und Bola-Spiele der sechs Gauchos schließen diese Station ab.
Zhenyu Li,
Ballett, Dunking Devils
Nun führt der Weg nach China.
Zhenyu Li zeigt eine außergewöhnliche Equilibristik-Nummer auf
flexiblen Stäben. Diese verlängert er durch zusätzliche Teile in
immer neue Höhen. An der Spitze balanciert er auf Händen oder im
Spagat zwischen den auseinander strebenden Stangen. Violinistin
Jessica Kun begleitet ihn im asiatischen Gewand und vor dem
flackernden Schein eines Feuerherzens. Unsere nächsten
Reisebegleiterinnen sind kecke Stewardessen und fesche Stewards mit
einem fröhlichen Tanz zu Swing-Musik. Damit löst sich das Thema
der Weltreise auch auf. Stattdessen hat Rolf Knie eine Würdigung
seines verstorbenen, von ihm bis heute verehrten Vater Fredy
Knie sen. kreiert. Und zwar dirigiert Patric Scott im schwarzen
Frack acht „Pferde“ mit menschlichem Innenleben durch eine
„Freiheitsdressur“. Hinter ihm prangt ein Bild des legendären
Direktors im Goldrahmen. Die Absichten waren sicher die besten,
doch leider wirkt diese Hommage befremdlich, mehr wie eine
Persiflage. Immerhin wurde dies schnell erkannt und die Nummer
kurz nach unserem Besuch aus dem Programm genommen. Weiter dabei
sind die fünf „Dunking Devils“ aus Slowenien, und das ist auch
gut so. Mit viel Anlauf und über ein Trampolin springen sie zum
Korb und werfen ihre Basketbälle in den Korb, stets nach wilden Sprüngen
und Salti. Einer der Artisten nimmt, nach vorne
zusammengeklappt, sogar selbst den Weg durchs Netz. Zur
fröhlichen Stimmung tragen die ganz unterschiedlichen Kostüme
beim, vom Schottenrock über das Torero- und Gendarmen-Outfit bis
zum Zirkus-Livree. Patric Scott singt, das Publikum geht
begeistert mit. Ein toller Abschluss der ersten Hälfte.
Truppe Elena
Drogaleva, Dustin Huesca, Trio Bellissimo
Nicht unser Geschmack ist dagegen
die Affenhorde, welche den zweiten Programmteil eröffnet. In die
Gorilla-Kostüme wurde vor vier Saisons bereits die
Schleuderbrett-Truppe Nomuna gesteckt. Nun muss das Ballett in
solcher Kostümierung tanzen. Dabei zeigt Dustin Huesca,
ebenfalls im Gorilla-Style, Ausschnitte seiner
Bouncing-Jonglagen. Und bereitet damit den Boden für die
wunderbaren Keulen-Passings von Elena Drogaleva und ihren drei
Gentlemen. Wie gewohnt arbeitet das Quintett in eleganten
Nadelstreifen. Über mehrere Ebenen, dank zweier hoher
Postamente, werden die Keulen mit fast traumwandlerischer
Sicherheit hin- und hergereicht. Ebenso viel Freude bereitet
immer wieder das Trio Bellissimo mit seiner Handstandakrobatik,
die artistisch stark und optisch ein Augenschmaus ist.
Peter Pfändler,
Ballett
Die drei Akrobatinnen werden am
Ende ihres Auftritts von Herren in eleganten schwarzen Anzügen
abgeholt. Anya Liapunova darf dabei in die Arme ihres Ehemannes
entschwinden, Dustin Huesca. Bisher als Jongleur bekannt,
versucht er sich nun als Komiker. Als unglücklicher Chansonnier
fleht er „Ne me quitte pas“ („Verlass‘ mich nicht!“), doch der
Spot des Beleuchters verlässt ihn andauernd. Huesca stolpert dem
Lichtkegel hinterher durch die Dunkelheit. Eine Nummer aus dem
Soleil-Programm „Varekai“, die andernorts schon überzeugender
gespielt wurde. Ballett mit Augenzwinkern folgt nun beim
„Schweinesee“. Herren wie Damen tanzen hier im Tutu den
Schwanensee, aber eben mit Schweinemasken. Der Solistin wird
zusätzlich mit entsprechender Wattierung zu „Übergewicht“
verholfen. So hat ihr Partner seine liebe Mühe mit dem
gemeinsamen Tanz. So richtig herzhaft lachen lässt mit mehreren
Auftritten Peter Pfändler. Gemeinsam mit seinem Bühnenpartner
Cony Sutter war er bereits zwei Mal bei Salto Natale im Programm.
Nun widmet er sich im Solo den verschiedenen Dialekten des
Schweizerdeutschen, beweist sein Talent als Astrologe oder
amüsiert mit Wortspielen. Im witzigsten seiner Auftritte gibt er
die elegante Diva, die auf High-Heels über den Catwalk stöckelt.
Das hat er verdammt gut drauf. Und warum? „Weil ich es geübt
habe!“.
The Donatas,
Truppe Pronin, Patric Scott
Modellflugzeuge im Circus, diesen
Trend hat Daniel Golla ausgelöst. Bei Salto Natale sind nun zwei
weitere Vertreter dieses Faches zu erleben, Ignas Matulevitius
und Donatas Pauzuolis alias „The Donatas“. Auch sie lassen mit
ihren Flugmanövern staunen. Die fünf Herren und die Dame der
Truppe Pronin übernehmen das Fliegen selbst. Von der Russischen
Schaukel aus heben sie ab, schlagen Salti und Pirouetten und
landen sicher auf einer weiteren Schaukel. Auch eine Passage
gehört zum beeindruckenden Repertoire. Bisher sahen wir diese
hervorragende Nummer stets im strengen Piraten-Look mit
entsprechender Filmmusik. Hier wird sie gut gelaunt zu „Wake me
up“ und „Footloose“ gezeigt, mit einem singenden Patric Scott
und Akteuren in schwarzen Fräcken. Und wieder kocht die Stimmung
im Publikum, das im ausgiebig zelebrierten Finale begeistert
applaudiert. |