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Kasseler Circusfestival 2017/18
www.flicflac.de ; 95 Showfotos

Kassel, 6. Januar 2018: Es war schon eine kleine Sensation. Flic Flac kündigte an, bei seiner Kasseler Weihnachtsproduktion Tiernummern zu präsentieren. Keine Elefanten oder Raubtiere, sondern ein Pferd und mehrere Hunde. Das Unternehmen der Familie Kastein hat sich nie vom Tiercircus distanziert. In den Anfangsjahren zeigte Benno Kastein seine Hundenummer im Programm. Danach verzichtete man auf die Vorführung von Tieren, da sie nicht ins Konzept passten. Als Peta dafür einen Preis verleihen wollte, wies Benno Kastein diesen zurück.

In Sachen Tierschutz hätte Krone diese Auszeichnung weitaus mehr verdient als er, so der Tenor seiner Begründung. Nun sollte es also zumindest Haustiere beim „9. Festival der Artisten“ geben. Als das Engagement von Rosi Hochegger in den Medien bekanntgegeben wurde, geriet die öffentliche Meinung in Wallung. Die vollkommen substanzlose Empörung aus den bekannten Kreisen verschaffte sich lautstark Gehör. Wie Flic Flac in der Presse kommunizierte, drohten Tierrechtler sogar damit, die Zeltanlagen anzuzünden. Letztendlich kam das Engagement der Tiertrainerin dann doch nicht zustande. Schade, denn die beiden Darbietungen hätten gut ins Programm gepasst.


Peter Dams und Partner

So gibt es im Winter 2017/18 auf dem Friedrichsplatz eben wieder ein reines Artistenfestival. Leider das bislang schwächste. Lediglich sieben akrobatische Nummern und zwei Comedy Acts stellen sich dem Wettbewerb. Keine Darbietung davon mit einem wirklichen Wow-Effekt. Moderiert wird die Show von Peter Dams alias Brian O’Gott. Er wirft die Mützen zur Auswahl der Juroren aus dem Publikum in den Zuschauerraum und singt mit „My Home Is My Kassel“ eine Hommage an die nordhessische Metropole. Am witzigsten ist seine Version der Hessenschau. Zusammen mit einem Artisten rotiert er in gemächlichem Tempo um die Mittelachse eines runden Fernsehstudios. Der obere Bereich bildet dabei den Fernsehschirm. Das Bild darauf ist immer in der Waagerechten. Dadurch ergeben sich originelle Effekte. So scheinen etwa Gegenstände schwerelos durch den Raum zu schweben. Das Publikum darf auf ein abgemachtes Stichwort hin lautstark seine Bewunderung kundtun. Mithin erleben wir eine innovative Idee, die brillant umgesetzt wird und für größte Heiterkeit sorgt. Mit dem Kontrast zwischen der riesigen Frau und dem kleinen Herrn spielt das Duo Dittmar. Als sie noch in ihrem Häuschen sitzt, scheint alles ganz normal. Wenn die Dame dann aber vor die Tür tritt, wird der Größenunterschied deutlich. Beim gemeinsamen Tanz wird klar, wer von beiden das Sagen hat.


"Master of Hellfire" Hubertus Wawra

15 Jahre nach seinem ersten Auftritt bei Flic Flac überhaupt ist Hubertus Wawra nach Kassel zurückgekehrt. Die Premiere fand ebenfalls hier statt. Seitdem hat der „Master of Hellfire“ eine beachtliche Karriere hingelegt, die aber immer eng mit Flic Flac verbunden war und nach wie vor ist. Denken wir nur an die im März 2018 startende Show „Freaks“, bei der Wawra Produzent ist. Beim „9. Festival der Artisten“ bestreitet er drei Nummern. Alle zeichnen sich durch seinen Wortwitz in Thüringer Sprachfärbung aus. Für sein feuriges Gitarrensolo hat er gleich die richtigen Schuhe an. Links „leicht erhöht“. Was beim Herunterlaufen der Treppe noch störend wirkt, erweist sich beim Musizieren als durchaus praktisch. Natürlich fangen die Ärmel seiner Lederjacke während des Songs an zu brennen. Die große Feuerkanone holt er vor der Pause heraus. Der Zuschauerin als Halterin der Zielscheibe bleibt allerdings ein brennendes Inferno erspart. Kurzerhand wird die runde Scheibe zur Infotafel umfunktioniert. Aus der hoch gefährdeten Assistentin wird ein Nummerngirl. Ordentlich gezündelt wird nach der Pause. Dann zeigt er Feuertricks im dunklen Anzug. Und mit einer „kleinen“ Dosis Koks wird die Stimmung gar noch besser. Nicht nur bei Hubertus Wawra, sondern ebenfalls bei den Zuschauern. Diese gehen hörbar begeistert mit. Zudem belohnt ihn die Publikumsjury mit dem zweiten Preis.


Geraldine Philadelphia, Popov Truppe, Flash of Splash

Nach der Eröffnungs-Choreographie mit Artisten in schwarzen Outfits und weißen Handschuhen gehört die runde Bühne Geraldine Philadelphia. Zur bekannten Musik im Roncalli-Sound jongliert sie mit Reifen. In ihrer Kür kombiniert sie Equilibristik, Hula Hoop-Artistik und klassische Jonglagen auf wunderbare Weise. Im vergangenen Jahr war die hübsche junge Dame mit Nock in der Schweiz auf Tournee. 2018 geht es zu Nemo nach Dänemark. Deutlich härter wird die akustische Begleitung bei der Popov-Truppe. Zu Beginn des Gastspiels arbeiteten sie noch zu typisch russischer Musik. Bald aber wurde Flic Flac-gemäß auf Rammstein umgestellt. „Ich will“ lautet der Titel, zu dem sich die sieben Artisten – nun in Jeans und dunklem T-Shirt beziehungsweise Hemd – gegenseitig mit dem Schleuderbrett in die Höhe katapultieren. Dass diese Form des Auftritts für sie neu ist, ist den Akteure noch etwas anzumerken. Ihre Akrobatik aber überzeugt auf ganzer Linie. Letztendlich gibt es für die Popov-Truppe den ersten Preis des Festivals. Ihre gewagten Sprünge mit und ohne Stelzen landen sie auf einer großen Matte. Der dritte Platz geht an das Duo Flash of Splash. Seine Choreographie an den Strapaten begeistert in allen Belangen. Leistung und Verkauf sind großartig. Ihre gewagten Flüge werden wunderbar durch das Lichtdesign unterstützt. Beim Schlusstrick hält sie ihren Partner mit den Zähnen fest, während er ebenfalls nur mit dem Gebiss Halt findet.


Adrian Ramos von den Flying Martinis, Gorgeous Girls, D'Holmikers

Eine Lasershow eröffnet den zweiten Teil. Dann gehört der Raum unter der Kuppel den Flying Martinis. Eine Fliegerin, zwei Flieger und ein Fänger präsentieren ein typisches Repertoire am Fliegenden Trapez. Die Passage gibt es nicht, dafür wagt der 18-jährige Maicol Martini den gestreckten Dreifachen Salto. Im zweiten Versuch wird er an diesem Nachmittag gefangen. Die Darbietung endet mit dem Kopfsprung aus der Kuppel von Adrian Ramos. Den Ruhepol der Show bildet das Duo Together. Das jugendliche Paar zeigt eine sinnliche Liebesgeschichte. Es ist eine ausdrucksstarke Mischung aus Tanz und Partnerakrobatik. Die Besonderheit liegt darin, dass der Mann nur ein Bein hat. Einige Tricks sind dadurch nicht möglich, andere werden noch anspruchsvoller. Zwei große Formationen stehen am Ende des Programms. Die Gorgeous Girls folgen einer strengen Choreographie. Die zehn Artistinnen der Beijing Acrobatic Troupe jonglieren zu chinesischer Musik mit Diabolos. Es entstehen großartige Bilder. Tricks der gesamten Gruppe ergänzen sich mit Soloauftritten. Ihr Markenzeichen sind die langen Federn am Kopf. Dagegen herrscht bei D'Holmikers das (geplante) Chaos. Der grauhaarige Professor mit der Fernbedienung hat offensichtlich die Kontrolle über seine gruselige Mannschaft verloren. Zu „Ghostbusters“ fegen sie über einen Barren und überraschen mit abgefahrenen Kunststücken. Natürlich stecken hinter dem Durcheinander ein durchdachter Plan und großes Können.

Ein ausführliches Finale folgt. Und doch ist die Show nach rund zwei Stunden (inklusive Pause) zu Ende. Das Publikum spendet frenetischen Applaus, Standing Ovations. Beim Verlassen des gelb-schwarzen Chapiteaus sind dann aber doch kritische Töne zu hören. Das 9. Festival kann weder qualitativ noch quantitativ mit seinen Vorgängern mithalten. Da gibt die Ankündigung, bei der 10. Ausgabe im kommenden Winter nur Sieger der bisherigen Jahre zu präsentieren, Hoffnung, dass es wieder bergauf gehen wird.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch