So wie wir hier auf eine Einleitung
verzichten, gibt es beim Cirque Pinder keine Ouvertüre und kein
Opening. Es geht sofort los. Starke Nummern, kein
Schnickschnack, das ist das Gestaltungsprinzip dieses
Unternehmens. Freilich, ein wenig tut man dem Circus damit
unrecht. Schließlich bietet der gewaltige Sechsmaster mit dem
aufwendig gestalteten Eingangs- und Vorzeltbereich durchaus ein
festliches, geradezu pompöses Ambiente. Und der Programmablauf
mit den verschiedenen Umbauten ist in den vergangenen Jahren
erfreulicherweise erheblich straffer geworden. Auch am Ton und
dem starken, aber keineswegs verspielten Licht gibt es nichts zu
beanstanden.
Duo Monastyrski, Cai Yong,
Valeriy Olshanskyy
Den Käfigabbau überbrückt
wiederum Valeriy Olshanskyy mit kraftvoller Akrobatik an den
Tüchern. Er gehört hier nach vier Saisons fast schon zur
Stammbesetzung. Bekannte Gesichter aus vielen verschiedenen
Manegen sind dagegen die Monastyrskis mit ihren
elegant-schwungvollen Kostümillusionen in schwarz, weiß und rot.
Nachdem Tatiana Monastyrski unterm Flitterregen das Kleid
gewechselt hat, bleiben viele der glänzenden Schnipsel für den
Rest des ersten Programmteils einfach liegen. Andernorts würde
man zum Besen greifen. Das ist so eines dieser kleinen Details,
für die bei Pinder notorisch der Blick fehlt. Riesen-Applaus
direkt im Anschluss für Cai Yong: Der Chinese startet mit
anspruchsvoller Equilibristik, beispielsweise wenn er ohne
abzusetzen vom Handstand in eine Waage und wieder zurück
wechselt. Mit einem schnellen, ausdauernden Kreisel im Kopfstand
geht die Darbietung zu Ende.
Juan, Flying Sergio,
Sandro Montez
So richtig Spaß macht die rasante
und trickstarke Hundenummer, die sich Sandro Montez erarbeitet
hat. In seinem Jeans-Outfit mit Hemd und Weste kommt der
Tierlehrer jung und sympathisch rüber. Dabei gibt es einige
ungewöhnliche, originelle Tricks zu sehen. Beispielsweise wenn
eines der Tiere hochsitzt und einen Reifen mit den Zähnen hält,
der dann von einem zweiten Hund durchsprungen wird. Mit seiner
Reprise zum bekannten Thema „Pas de Musique ici“ findet Pedro
Rivelino großen Anklang. Er überbrückt damit den Netzaufbau für
die Flying Sergio. Die große Luftnummer vor der Pause ist bei
Pinder ein Fixpunkt jeder Produktion. Unter dem riesigen
Chapiteau wird stets in großer Höhe gearbeitet. Dabei zeigen die
fünf Brasilianer praktisch alles, was typischerweise zu dem
Genre gehört – Dreifacher, Passage und Todessturz aus der Kuppel
inklusive. In Sachen „vierfacher Salto“ bleibt es an diesem
Abend bei einem, deutlich verfehlten, Versuch. Der zweite
Programmteil wird von Juan am Chinesischen Mast eröffnet.
Übers ganze Gesicht strahlend zeigt der muskelbepackte Artist
viel Kraft und Können. Er gehört wie Tuch-Artist Valeriy
eigentlich seit Jahren zu den Tänzern und Assistenten in der
Magic-Show von Pinder-Juniorchefin Sophie Edelstein. Diese
Nummer pausiert leider in dieser Wintersaison, während Edelstein
im Ausland weilt.
Sandro Montez
Im Anschluss demonstriert Sandro
Montez seine ganze Klasse als Tierlehrer. Neun Kamele, drei
Pferde und sechs Esel bilden unter seiner Anleitung einen großen
18er Zug. Das neunfache Walzen läuft genauso tadellos wie ein
par six in drei Gruppen oder das Karussell auf drei Bahnen.
Später liegen die Kamele im Hintergrund ab, während im vorderen
Bereich der Manege walzende Zebras, flechtende und steigende
Pferde sowie ein über vier Esel springendes Lama zu sehen sind.
Eine solche Arbeit hat inzwischen leider Seltenheitswert. Bravo!
Georgio Hromadko,
Mambo Nr. 5. Rivelinos
Wenn man die Arbeit von Georgio
Hromadko beschreibt, kommt man ohne die Beschreibung als
„Wirbelwind“ kaum aus. Zwei Diabolos lässt der temperamentvolle
Tscheche fast bis unters Zeltdach fliegen. Später arbeitet er
mit drei und ganz kurz sogar vier der Doppelkegel. Ebenso ein
fester Programmpunkt bei Pinder wie Raubtiere, Exoten und
Flugtrapez ist das Clown-Entree in klassischer Besetzung mit
zwei Augusten und strengem Weißclown. Heuer wurden mit den
Rivelinos nach einigen Jahren wieder einmal andere Vertreter
dieses Faches gefunden. Im ersten Teil der Nummer wird auf zum
Teil recht außergewöhnlichen Instrumenten musiziert, im zweiten
bricht Chaos in der Küche aus. Die Schaumschlacht gehört
dazu. Erfreulicherweise werden die groben Späße kompakt
gespielt. Mit „Mambo Nr. 5“ auf dem Russischen Barren wurde eine
attraktive Schlussnummer gefunden. Die fünf Kubaner, darunter
eine Frau, zeigen voller Lebensfreude anspruchsvolle Tricks wie
Pirouetten, Doppelsalto rückwärts und den „Dreifachen“. Die
Moderation des Spektakels wurde übrigens schon wieder in neue
Hände gelegt: Nun gibt Josef Mlekuz den Mr. Loyal. Kurz und
knapp ist das Finale, und so finden auch wir einen kurzen
Abschluss ohne viel „Drumherum“: ein starkes, traditionelles
Nummernprogramm in großem Rahmen – das ist Pinder in Paris. |