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Flic Flac X-Mas Show Nürnberg 2016/17
www.flicflac.de ; 112 Showfotos

Nürnberg, 17. Dezember 2016: Die Frage, wie sehr uns ein Circusprogramm gefällt, ist auch eine Frage der Erwartungen. Sind sie niedrig, sind wir schnell zufrieden. Je höher die Erwartungen, desto schwieriger wird ihre Erfüllung. Mit seiner X-Mas-Show in Nürnberg vor einem Jahr hat Flic Flac die Messlatte so hoch gelegt, dass es kaum noch möglich war, heuer einen draufzusetzen. Sie bot die perfekte Mischung aus großen Sensationen und großen Persönlichkeiten. Und die ist nicht beliebig klonbar. Mit diesen Gedanken machen wir uns auf die Reise zum Nürnberger Volksfestplatz am Dutzendteich. Hier bietet der Achtmaster plus Vorzelt wieder einen spektakulären Anblick.

Er wird noch perfektioniert durch eine neu gestaltete Front. Großformatige Transparente mit Riesen-Lettern laden ein zur Flic Flac X-Mas-Show Nürnberg. Nicht nur das Zelt ist riesig, es steht auch ein gewaltiges Ensemble von fast 70 Personen zur Verfügung. Zum Opening marschieren sie gemeinsam auf.


Liina Aunola, Truppe Pawel Horbacz, Doppelte Halfpipe

Zehn von ihnen, aus der Truppe Pawel Horbacz, sind gleich im Anschluss auf dem Fasttrack-Trampolin zu erleben. Faszinierend ist die außergewöhnlich lange Bahn, die hier für die Salti und Pirouetten zur Verfügung steht. Ein Artist springt über sieben niederkauernde Kollegen. Sofort kommt tolle Stimmung auf. Während wir diese Truppe aus früheren Flic Flac-Shows kennen, ist Liina Aunola eine Neuentdeckung für uns. Die Finnin beginnt mit einem Wirbel am Vertikalseil und wechselt dann schnell ans Schwungseil. Hier erleben wir sie, longengesichert, mit spektakulären Abfallern. Wieder zurück ans Vertikalseil geht es mit einem beherzten Luftsprung vom schaukelnden Schwungseil aus. Nun wickelt die Artistin sich in das Seil und rollt in mehreren Überschlägen gen Bühne. Wie deren riesige Fläche gefüllt werden kann, wird sodann mit einer doppelten Halfpipe gezeigt. Mit BMX-Rädern, Rollschuhen und sogar einem Tretroller befahren, wird sie zur Startrampe für gewagte und gekonnte Manöver. Fast schon zum Inventar gehört bei Flic Flac die Artistin Ira Rizaeva. Das Multitalent bildet den artistischen Nachwuchs aus, sorgt – wie auch in Nürnberg – bei vielen Shows für die Regie und kreiert immer wieder neue Jonglage-Nummern. Nunmehr arbeitet sie als Strafgefangene in einer Gitterzelle. Bei ihren Bouncing-Jonglagen lässt sie die Bälle gegen Boden, Decke und Wände der stählernen Behausung prallen und fängt sie sicher wieder auf.


Sergey Timofeev, Truppe Pawel Horbacz, Truppe Jose Pinillo Ramos 

Ein wenig fehl am Platz unter dem großen Chapiteau wirkt Sergey Timofeev. Er zeigt seine Handstände auf einem Requisit, das wie Rubiks Zauberwürfel gestaltet ist. Es lässt sich in immer neue geometrische Formen verwandeln. Zu introvertiert ist sein Auftritt, zu minimalistisch die musikalische Begleitung, zu artifiziell das künstlerische Konzept dieser Darbietung, um das Publikum zu erreichen. Timofeev wäre im intimeren Rahmen einer Varietéshow besser aufgehoben. In ihrem zweiten Auftritt zeigt die Truppe Pawel Horbacz Sprünge von zwei verschiedenen Russischen Schaukeln. Sie stehen im 90-Grad-Winkel zueinander. Von einer wird in ein großes Netz, von der anderen auf Matten gesprungen. Den Schlusspunkt setzen Sprünge von beiden Schaukeln gleichzeitig. Die Flugbahnen kreuzen sich, freilich in sehr unterschiedlichen Höhen. Die nächste große Truppe folgt bei den zehn Hasardeuren in der Motorradkugel von und mit Jose Pinillo Ramos. Auch in Nürnberg lösen die rasanten Runden die gewohnte Begeisterung aus. Gleichwohl sind im ersten Programmteil zwar mehrere „große“, also raumfüllende Nummern zu sehen – die großen Persönlichkeiten jedoch fehlen ein wenig.


Master of Hellfire, Martii Peltonen, Megarampe 

Abgesehen natürlich vom „Master of Hellfire“ Hubertus Wawra, der wieder in seiner brennenden Jacke musiziert und eine Zuschauerin vorgeblich mit dem Flammenwerfer von der Bühne pusten will. Hätte er an diesem Abend nicht das Öl in seiner „Waffe“ vergessen. Wie Wawra hier reagiert, improvisiert und die Situation löst („Nicolai, erzähl‘ mal einen Witz!“) ist grandios und zeigt seine Klasse. Nach der Pause singt er noch seinen Anti-Anti-Terror-Rap und holt sein schräges „Bunny-Mobil“ aus der Versenkung, das längere Zeit nicht zu sehen war. Hälfte zwei wird eröffnet mit der „Mega-Rampe“, von der sich BMX- und Rollschuhfahrer in die Tiefe stürzen, durch die Luft fliegen und nach waghalsigen Manövern in der Luft wieder landen. Zum Teil auch kurz hintereinander oder mit zwei Fahrern parallel. Bis zum Doppelsalto auf dem Bike oder dem Dreifachen auf Rollschuhen reicht das Repertoire. Schon auf der „Exxtrem“-Tour war dieses Genre vertreten, doch noch nie so spektakulär, noch nie mit so vielen Fahrern. Und noch nie war auch ein Artist auf einem Tretroller dabei. Einige der Männer kommen bei der Landung ins Schlittern – das Risiko ist hoch, die Darbietung wirklich atemberaubend. Kunstschütze Martii Peltonen schießt nicht nur eine Rose oder eine Spielkarte aus der Hand seiner Partnerin. Als Höhepunkt baut er um sich herum eine Selbstschussanlage auf, die schlussendlich einen Apfel auf seinem Kopf trifft.


Ferenc Nagy und Zsófi Németh, Patrick und Alexander Lemoine, Olimpo's Brothers

Dass das meist sehr turnerisch geprägte Genre Rhönrad auch für eine sehr sinnliche Darbietung genutzt werden kann, zeigen Ferenc Nagy und seine Partnerin Zsófi Németh. Zu den Höhepunkten ihrer Love-Story gehören Sprünge von Rad zu Rad oder das Zwei-Personen-Hoch auf dem ruhenden Requisit. Relativ kurz ist die Einlage von Patrick und Alexander Lemoine, die in ihren Limousinen auf zwei Rädern über die Bühne rollen. Ganz große Begeisterung lösen die drei Olimpo’s Brothers aus Brasilien aus. Die Partner-Equilibristen bieten alles, was zu einer Spitzendarbietung gehört: starke Leistung und so noch nicht gesehene Tricks in Kombination mit Ausstrahlung und blendendem Aussehen.


Kovgar, Motocross Freestyle Jumpers, Splash of Flash 

Amaliia Avanesian und Yevgen Abakumov alias „Splash of Flash“ beeindrucken bei ihrer Luftnummer an Strapaten besonders mit den verschiedenen Varianten des Zahnhangs. Dabei übernehmen beide abwechselnd den tragenden Part. Auf diese Neuentdeckung folgen gute Bekannte: die Truppe Kovgar mit ihrer Schleuderbrett-Sensation. Mir persönlich gefällt die klassische Variante jedoch deutlich besser als die in den Flic Flac-Style gepresste mit Jeans-Outfit und Michael-Jackson-Musik. Für den spektakulären Abschluss der Show sorgen die Motocross Freestyle Jumpers mit ihren Drehmanövern, Rückwärtssalti und Handständen im Flug. Einen Sonderapplaus verdienen im Übrigen die Requisiteure unter der Leitung von Nicolai Kuntz, die trotz gewaltiger Umbauten für einen flüssigen Ablauf sorgen. Dieses Team arbeitet präzise wie ein Uhrwerk. Das Finale ist schön gestaltet, und natürlich gibt es es schnell Standing Ovations.

Wie sehr konnten unsere ausgesprochen hohen Erwartungen nun erfüllt werden? Die Flic Flac X-Mas Show in Nürnberg bietet 2016/17 eine gute erste und eine großartige zweite Programmhälfte. Dies ergibt fraglos eine tolle Weihnachtsshow. Ein geradezu magisches, heute schon legendäres Ereignis wie Flic Flacs erste Weihnachtsshow im Achtmaster – vor einem Jahr an gleicher Stelle – bleibt jedoch unerreicht.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber